espresso Magazin Februar 2021

PEOPLE 23 haben; bei der Berufswahl, in der Schule, mit den Eltern, Freunden oder auch bei Sexualität und Gewalt – also ein sehr breites Feld. Nebenbei sind auch die Sozialen Medien wie Facebook, Instagram undWhatsApp wichtig geworden, um mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten. Wie unterscheidet sich der normale Ar- beitsalltag in der Corona-Zeit? Im Lockdown ist es natürlich sehr schwierig, weil zum einen die Schulen, zum anderen das Jugendzentrum und die beiden Bürgerhäuser geschlossen sind. Also all das, wo sich Jugendli- che aufhalten und wo ich eigentlich gezielt vor Ort wäre. Auf den Straßen ist natürlich gerade auch so gut wie nichts los. Sehr viel passiert also gerade über Online-Beratung in den Sozialen Netzwerken. Du bist Ansprechpartner für Jugendliche – auch bei Themen wie Sexualität und Drogen. Gibt es dabei nicht eine gewisse Hemmschwel- le bei den Jugendlichen, sich damit an einen Fremden zu wenden? Wie überwindest du diese Hemmschwelle? Erstmal mache ich deutlich, dass alles, was wir besprechen, vertraulich behandelt wird. Zum anderen komme ich bei den Jugendlichen durch meine Erscheinung mit Cap, Skaterhose und vielen Tattoos anders rüber als ein “normaler” Beamter von einem Amt oder einer Behörde. Ich denke, dass sie dadurch schon Vertrauen gewinnen. Oft fehlt ihnen ja auch einfach ein Ansprechpartner, der schon im Leben steht und mehr Erfahrung hat. Ich finde die Hemmschwelle gar nicht mal so groß. Jugendliche öffnen sich sehr schnell. Ist es nicht dennoch schwierig, mit Jugendli- chen auf der Straße ins Gespräch zu kommen? Viele denken vermutlich: Was will der fremde Mann von mir? Für eine Weihnachtsaktion habe ich kleine Päck- chen zusammengestellt mit Schokolade, Obst und meinem Flyer. Ich sprach die Jugendlichen an und stellte mich vor. Anfangs schauten sie na- türlich erstmal etwas skeptisch. Als dann geklärt war, dass ich als Neuburger Streetworker als Ansprechpartner für sie da bin, hat man schnell gemerkt, dass die Atmosphäre lockerer wurde und sie sehr offen waren und sich auch angehört haben, was ich zu sagen hatte. Wenn Fragen aufkamen, haben sie sich relativ schnell gemeldet. Im ersten Gespräch kann man das schon gut auflockern. Wichtig ist aber natürlich, dass die Jugendlichen wissen, dass alles freiwillig passiert. Niemand muss einen Termin machen, aber sie können sich melden, wenn sie ein Problem haben. Du bist seit November Streetworker in Neu- burg. Welche Erfahrungen konntest du bisher sammeln? Was beschäftigt Jugendliche in Neuburg insbesondere? Aktuell ist natürlich der Lockdown ein ganz großes Thema. Die Jugendlichen fühlen sich sehr eingesperrt und können sich nicht wie gewohnt entfalten. Gerade wenn Jugendliche Probleme in der Schule haben, ist es mit demHomeschooling nicht leicht, weil sie keinen Lehrer haben, der es nochmal genauer erklärt. Sie müssen viel selbst machen und vielen fehlt die Motivation für selb- ständiges Arbeiten. Das ist in diesem Alter aber auch schon fast selbstverständlich. Ich kenne das selbst von meinem Fernstudium, es braucht ein- fach sehr viel Eigenmotivation. Außerdem fehlen im Lockdown natürlich die Freizeitalternativen. Bist du hin und wieder auch mit harten Schick- salen konfrontiert und sind diese für dich belastend? Ich habe zuvor 3 Jahre in Ingolstadt bei einem privaten Jugendhilfeträger in der Familienhilfe gearbeitet und dabei natürlich auch sehr viele Schicksale miterlebt. Natürlich lässt es mich nicht kalt und ich beschäftige mich damit, aber wenn man das alles mit nach Hause nimmt, wird man auf Dauer in diesem Job nicht glücklich. In der Zeit, in denen ich mit den Familien oder den Jugendlichen arbeite, versuche ich, das Beste zu geben und sie zu unterstützen. 24/7 klappt das aber nicht. Da muss ich mich einfach selbst schützen. Das Nähe-Distanz-Thema lernt man aber auch im Studium vom 1. Semester an. Wie ziehst du Grenzen? Viele Klienten erwarten, dass man alles macht und ihnen alles abnimmt. Das halte ich allerdings für den falschenWeg. Ich nehme die Jugendli- chen gerne an die Hand, aber ich mache nicht alles für sie. Man kann ihnenWege zeigen und Türen öffnen - durchgehen müssen sie selbst. Es klingt zwar hart, aber schlussendlich ist es immer noch ihr Problem bzw. ihr Wunsch etwas zu erreichen. Ich helfe also z.B. bei der Ausbildungs- suche mit gezielten Fragen und kleinen Aufgaben, die Bewerbung schreibe ich ihnen aber natürlich nicht. Welche Rolle spielen Soziale Medien in deiner Arbeit. Verschiebt sich dein Arbeitsbereich auch ein Stück weit von der Straße ins Inter- net? Definitiv. Ich biete weiterhin persönliche Einzel- beratungen an, das ist im Lockdown möglich. Ge- rade aber weil ich neu angefangen habe und die Jugendlichen mich oft noch nicht kennen, nutzen sie erstmal den „anonymen“ Weg über das In- ternet. Die Jugend kommuniziert natürlich aber sowieso einfach mehr über Soziale Netzwerke. Hast du das Gefühl, das Jugendangebot in Neuburg ist ausreichend oder gibt es Verbesse- rungspotenzial? Ich finde, Neuburg hat ein sehr großes Angebot. Vor allem imHinblick auf das tolle Team im Jugendzentrum, das sehr viel für Jugendliche an- bietet und die beiden Bürgerhäuser. In Ingolstadt habe ich auch schon in der Trendsporthalle neun gearbeitet. Das finde ich eine ganz tolle Idee und das würde ich mir für Neuburg wünschen, damit Jugendliche einen Ort für denWinter haben, wo sie ihren Sport machen können. David, vielen Dank für das Gespräch. “ Niemand muss einen Termin machen, aber sie können sich melden, wenn sie ein Problem haben. “ Gerade wenn Jugendliche Probleme in der Schule haben, ist es mit demHomeschooling nicht leicht. @streetwork.justiq KONTAKT ZU STREETWORKER DAVE AUS NEUBURG: @streetwork.neuburg david.raffalt@caritas-neuburg.de 0176/57641787

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