Espresso Juni 2021
analogenWelt. Erstens Überblick verschaf- fen. Zeitliches Limit für die Aufräumaktion setzen, zum Beispiel 30 Minuten. Dann kommt das Ausmisten, man überlegt, welche Mails, Dateien, Fotos man wirklich behalten möchte oder sollte. Währenddessen macht man sich Gedanken, wie man die digitiale Aufbewahrung gliedern möchte. Und bei sozialen Kanälen gilt auch die Prämisse „Behalte nur das, was du wirklich brauchst, was dich glücklich macht“. Und zu guter Letzt: Wie bringt man seinen Kindern am besten und nachhaltigsten bei, Ordnung zu halten? Müssen Kinder über- haupt schon einen Sinn für Ordnung haben? Wenn man sich etwas intensiver mit den Fragen der Kindererziehung auseinandersetzt, stellt man fest, dass man den Kindern gar nichts „beibringen“ kann, man muss es nur vorleben. Meistens sind die Kinder von der Menge an Spielsachen und sonstigen Gegenständen im Kinderzimmer einfach überfordert. Wir als Elternteil können erstens dafür sorgen, dass das Kinderzimmer überschaubar ist. Dann können wir klar definieren, was wohin gehört und dabei mit Beschriftungen oder Bildern arbeiten, sodass die Kinder ihrem Alter entsprechend bestimmte Sachen selbst erledigen können. Das regelmäßige Ausmisten ist dabei wichtig, doch an dieser Stelle sollte man eines nicht vergessen: „Der Krimskrams des einen ist der Schatz des anderen“, um einmal Petterson und Findus zu zitieren. Vor allem die kleinen Kinder empfinden den eigenen Besitz als Fortsetzung des eigenen Selbst, des eigenen Körpers. Des- wegen teilen die Kleinkinder ungerne mit den anderen. Bei den Teenies müssen wir in erster Linie selbst lernen, die persönlichen Grenzen des jungen Menschen zu erkennen und zu akzeptieren. Das frühere Kinderzimmer ist ein „fremdes Territorium“ für mich. Wenn ich versuche, dort meine Vorstellung von Ordnung auf Biegen und Brechen durchzusetzen, sind Konfliktsituationen vorprogrammiert. Und so kann es durchaus sein, dass die Jugendlichen mit herumliegenden Sachen einfach versuchen ihre „Duftmarken“ zu setzen, ihr Revier zu verteidigen und sich gegen die „alte Ordnung“ aufzulehnen. Lena, vielen Dank für diese interessan- ten Einblicke und die wertvollen Tipps. 12 ganz bewusst alles wahrnehmen, was ins Haus kommt (wenn man beispielsweise etwas von Freunden oder Familie angeboten bekommt). Dann bekommt man auch ein viel besseres Gefühl dafür, was man wirklich braucht. Und während dieser Zeit kann man sich dann auch schon peu à peu von einigen Sachen trennen. Viele Menschen schaffen es nicht, Din- ge wegzuwerfen, weil sie Erinnerungen mit ihnen verbinden. Wie schafft man es, sich von alten Sachen zu trennen, die einen sentimentalen Wert haben? Das muss man nicht unbedingt. Wir definieren uns teilweise durch unseren Besitz. Und unsere Erinnerungen und Erfahrungen können wir eben nur durch bestimmte Erinnerungsstücke wortwörtlich greifbar machen. Alles andere scheint uns zu flüchtig zu sein und das macht uns Angst, uns selbst zu verlieren. Es muss uns erstens bewusst werden, dass durch Verlust bestimmter Gegenstände, mit denen Emotionen verbunden sind, wir trotzdemwir bleiben und unsere Identität sich dadurch nicht ändert. Un- sere Erinnerungen bleiben uns erhalten. Zwei- tens dürfen wir nicht vergessen, dass mit der Zeit unsere Gefühle, die mit einem Gegenstand verbunden sind, sich durchaus ändern können. Also sollten wir in regelmäßigen Abständen diese Emotionen überprüfen. Fühle ich immer noch gleich, ist es mir immer noch wichtig oder kann ich es ziehen lassen? Und drittens hilft auch noch die Überlegung, dass bestimmte Erinnerungsstücke ihre Daseinsberechtigung nur wegen meiner Emotionen haben. Sprich, wenn ich mal nicht mehr bin, ist es durchaus möglich, dass diese Sachen sofort auf demMüll landen. Die Uhr meines Großvaters ist mir wichtig, es ist mir aber auch bewusst, dass meine Kinder diese Emotionen nicht teilen müssen. Hast du selbst Guilty Pleasures, Dinge, von denen du dich nicht trennen kannst, obwohl es keinen rationalen Grund dafür gibt? Korken (lacht). Weinkorken, Champagnerkor- ken. Ich liebe die Struktur, wie sie sich anfüh- len und die Überlegung, man könnte noch so viele tolle Sachen daraus machen – noch nie irgendwas damit gemacht. Und dann steht auch ganz oben auf meiner To-Do-Liste, all die analogen Fotos neu zu organisieren. Auf deinem Instagram-Account sprichst du häu- fig das Thema Kapsel-Garderobe an. Was genau steckt hinter dem Begriff und wie kann man sich selbst eine Kapsel-Garderobe einrichten? Statistisch gesehen werden etwa 80% des Kleiderschranks kaum bis gar nicht getragen. Hinter der Idee einer Kapsel-Garderobe steckt die Überlegung, dass man mit wenigen Kleidungs- stücken eine größtmögliche Anzahl an Kombi- nationsmöglichkeiten hat. Theoretisch könnte man dann alle Teile miteinander kombinieren, wie ein Legobausatz, bei dem alles miteinander kompatibel ist. Die Größe dieses Bausatzes ist sehr individuell. Doch am besten fängt man mit einer Mini-Kapsel an, die aus einemPaar Schuhen, einemUnterteil, 2-3 Oberteilen, einer Oberbeklei- dung, einer Tasche und einemAccessoire nach Belieben besteht. Das Layering nicht vergessen, und so hat man rein rechnerisch unglaubliche 13 Kombinationsmöglichkeiten. Würde man nur ein zusätzliches Unterteil dazunehmen, würden sich diese Zahl gleich verdoppeln. Hilfst du den Menschen auch dabei, Ordnung im Digitalen, also auf der Festplatte, imMailfach und auf deren Social-Media-Kanälen zu halten? Bis jetzt hatte ich noch keine Anfrage diesbe- züglich. Doch auch hier kann man die gleichen Ordnungsprinzipien anwenden wie in der PEOPLE @no c h _ e i n _ o rdnung s a c coun t Hier geht's zur Homepage von Lena Niedens: lenainordnung.de
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