Espresso Juni 2021

20 PEOPLE Altenheimen unterwegs. Gibt es einen Unter- schied, wie Sie im Krankenhaus und wie im Al- tenheim auftreten? Im Altenheim ist es eine ganz andere Figur. Wir spielen langsamer, angepasst an die Menschen, an ihre Wahrnehmung und ihr Bedürfnis. Uns ist auch wichtig, dass wir ernstgenommen werden in dieser Arbeit. Die älteren Menschen spüren schon, wenn wir uns auf sie einstellen und mit einem Grammophon oder Gegenständen aus der alten Zeit kommen. Das genießen sie sehr. Und bei den Kindern? Dort kann es auch mal wilder zugehen. Wir wollen die Energien bündeln und etwas Ver- rücktes machen. Wir spielen viele Kinderlieder und machen ganz anderen Quatsch. Von der Hu- morentwicklung bei Kindern wissen wir, dass sie sehr schadenfreudig sind - obwohl das bei den Menschen im Seniorenheim nicht viel anders ist. Wenn der Pfiffikus stolpert oder sich im Schrank verheddert, genießen das alle. Wir reflektieren natürlich auch und probieren aus, was gut funk- tioniert. Wir wollen Kinder nicht verschrecken, gerade bei kleineren Kindern gehen wir auch erst langsam und leise heran. Es steckt wirklich eine kleine Philosophie dahinter. Ich habe gelernt, dass man ganz unterschiedlich arbeiten kann - und soll. Wie kommt Ihre Arbeit bei Ärzt*innen und Pfle- gepersonal an? Bei meinem Start feierte der Verein bereits das 20-jährige Jubiläum. Die Idee war in vielen Kli- niken also bereits fest etabliert. Das Pflegeperso- nal schätzt unsere Arbeit sehr. Wenn wir in neue Einrichtungen gehen, muss die Beziehung erst ein bisschen wachsen, denn manche stehen der Idee anfangs skeptisch gegenüber. Wenn sie allerdings die Effekte sehen und wie wir die Menschen akti- vieren können, ändert sich das. Wir kommen von außen und können ein Lachen leichter schenken. Wir sind aber für alle da, auch für das Pflege- personal. Sie merken, dass wir Rücksicht nehmen und vorsichtig an die Patienten her- angehen. Wir halten uns an die Regeln, der Humor lebt aber na- türlich auch von Tabu- brüchen. Also steigen wir auf Stühle oder basteln aus Gitterbet- ten Aquarien mit Luft- ballontierchen. Wir müssen uns beweisen und wenn es klappt, ist das Personal sehr offen. Sie bewegen sich in einem Umfeld, das oftmals geprägt von Sorgen und Ängsten ist. Ist das für Sie persönlich nicht manchmal schwer? Wir Clowns haben natürlich eine bestimmte Einstellung und Haltung zum Leben – mit viel Humor. Unser Blick liegt nicht so sehr auf den Sorgen und Ängsten. Wir haben die Chance, frei- er zu sein und können den Menschen an das Le- benswerte und Schöne erinnern. Wir ändern den Fokus und konzentrieren uns auf die positiven Seiten. Nicht: was geht nicht mehr? Sondern: was geht noch? Das macht es mir auch leichter, immer wieder gerne reinzugehen. Ich suche das Positive undwennwir es finden, sindwir alle verbunden in diesem schönen, glücklichen Moment. Was motiviert sie bei Auftritten in Altenhei- men? Wenn beim Besuch des Clowns nochmal das Lachen in das Zimmer gekommen ist. Dass auch am letzten Weg das Lachen, die Freude oder die Liebe ans Leben einen Platz hat. Das sind auch die Erinnerungen, die den Angehörigen oder dem Personal mit denMenschen bleiben. Personal und Angehörige sind gefangen in der Situation. Der Clown denkt darüber nicht nach. Deswegen kann er ein Fenster öffnen, womit keiner gerechnet hat. Ich habe es selbst schon erleben können und das motiviert mich sehr, weil ich weiß, dass viel posi- tive Energie darin steckt. Es ist vielleicht wirklich die Liebe zum Leben, zu den Menschen und den positiven Seiten des Lebens. Wir wollen diese Momente suchen und finden. Dem Clown fällt das leichter. Dann ist er eine große Hilfe. Gab es in Ihrer Zeit als Klinikclown einen beson- deren Moment, der Ihnen nachhaltig in Erinne- rung geblieben ist? Es sind eigentlich alle Momente, in denen die Menschen auf uns reagieren. Das Allerschönste ist für mich, wenn sie selbst Humor einsetzen - wir nennen das humorvolle Interaktion. Dann schen- ken wir uns gegenseitig ein Lachen. Als Beispiel: Unter Corona-Bedingungen ist es schwer, spiele- risch die Abstandsregeln einzuhalten. Menschen mit (angehender) Demenz können die Gründe HUMOR einbringen, FREI sind sie WennMenschen LACHEN Wir schenken uns gegenseitig ein ROTNASEN „Pfiffikuss“ und „Maggie McDudel“ in der Senioren- anlage Manching Foto: Sebastian Höhn

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