Espresso Juni 2021

mit im vergangenen Jahr zwischen den Lockdowns auf die Bühne gegangen. Die positive und emotio- nale Resonanz, die ich darauf bekommen habe, hat mich angetrieben, daraus einen Podcast zu machen. In welchen Phasen Ihres Lebens haben Sie die Kraft der Musik selbst gespürt? Meine Mutter ist gestorben, als ich 24 war. Das war ein sehr existenzieller Einschnitt und ein wichtiger Punkt in meinemLeben, an dem ich das Potenzial vonMusik erst wirklich verstanden habe. Durch die Musik hat sich mir eine zweite Welt geöffnet, in die ich flüchten konnte, weil ich die Situation in der realenWelt kaum er- tragen habe. Für mich war in demMoment das Üben amKlavier das, was mich gerettet hat. DURCH DIE MUSIK HAT SICHMIR EINE ZWEITEWELT GEÖFFNET “ 22 Markus Kreul DIE KRAFT DER MUS IK MARKUS KREUL (49) aus Altomünster ist professioneller Pianist und Dozent am Leopold-Mozart-Zentrum in Augsburg. Vor kur- zem hat er einen lange gehegten Wunsch umgesetzt und eine Podcastreihe ins Leben gerufen, in der er über die vielen unter- schiedlichen Facetten von Musik spricht: „Die Kraft der Musik“. Obwohl seine Eltern gar nichts mit klassischer Musik amHut hatten, wollteMarkus Kreul schon als Kind nichts sehnlicher als Klavier spielen lernen. Mit 11 setzte er sich zum erstenMal an das Instrument, das sein Leben bis heute prägt. Es folgten Stipendien, ein Klavier-Studium in Köln undMünchen, zahlreiche Live-Auftritte auf der ganzenWelt und eine Tätigkeit als Dozent für Liedgestaltung amLeopold-Mozart-Zentrum in Augsburg. Mit espresso spricht Markus Kreul über seinen neuen Podcast, über ein von Diszip- lin geprägtes Leben und dieMomente, in denen ihmdie Kraft der Musik das Leben gerettet hat. Herr Kreul, in Ihrem Podcast gehen Sie der Frage nach, was die Kraft von Musik ausmacht. Wie ist dieses Projekt zustande gekommen? In der Corona-Zeit, ohne Auftritte und Konzerte, hatte ich viel Zeit zumNachdenken. Ich habe mich gefragt, warum ich dieses Leben als Pianist, das so stark von Disziplin geprägt ist, eigentlich möchte, was mich antreibt. Beeindruckt von den Balkonkon- zerten, die wir zumAnfang der Pandemie in Italien beobachten konnten, bin ich zu dem Schluss gekom- men, dass es bei Musik imKern um das gemeinsame Erleben geht. Musik hat die unglaubliche Kraft, Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Epochen über Zeit und Raummiteinander zu ver- binden. Ich habe einen Pool an Themen aufs Papier gebracht, die diese Kraft verdeutlichen und bin da- KULTUR Was hat ursprünglich Ihre Leiden- schaft zum Klavierspielen geweckt? Es gab zwei prägende Erlebnisse, die mich auf den Weg gebracht haben, auf dem ich heute bin. Das erste hatte ich mit 11 Jahren. Es war mein erstes Jahr amKlavier und ich durfte auf einem Senioren- nachmittag in meiner Heimatstadt Buschhoven bei BonnWeihnachtslieder spielen. Auf einmal haben die Leute angefangen mitzusingen. Das war für mich total magisch und hat meine Liebe zumLive-Auftritt entfacht – auch wenn ich bis heute noch jedes Mal vor meinen Auftritten nervös bin (lacht). Das zweite Initial-Erlebnis hatte ich mit ungefähr 13 Jahren, als ich imFernsehen eine Übertragung aus der Carnegie Hall in NewYork gesehen habe. Zu sehen war ein Auftritt des chilenischen Pianisten Claudio Arrau, der das Publikummit seiner Musik so verzau- bert hat, dass es Standing Ovations gab, man sah rei- henweise Menschen, die vor Ergriffenheit weinten. Ohne auch nur einWort zu sagen, hat der Pianist dieseWirkung bei denMenschen erzeugt. Diesen Moment habe ich bis heute bildlich in meinemKopf. Können Sie sich noch daran erinnern, als Sie das erste Mal Kontakt mit einem Klavier hatten? Mein Onkel war auch musikbegeistert und hatte mehrere Instrumente zuhause. Ich habe ihn zwar HIER GEHT'S ZUM VIDEO-PODCAST „DIE KRAFT DER MUSIK“ VON MARKUS KREUL Foto: Konstantin Volkmar

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