espresso - August 2021
28 KULTUR bezeichnet, negative als Oni (buddhistische Dämonen) oder Yokai. Dabei gibt es aber auch viele harmlose Kobolde, die Menschen teilweise nur necken wollen, in etwa vergleichbar mit dem Pumuckl. Welcher Yokai fasziniert Sie besonders? Das ist definitiv der Tengu (himmlischer Hund), der eigentlich in allen Gegenden Japans in Geschichten überliefert wird und erstmals im Jahr 637 schriftlich erwähnt wird. Dabei handelt es sich um einen Berg-Kobold mit langer Nase, der in einer seiner zwei unterschiedlichen Arten auch fliegen kann. Tengu sind kämpferisch - einer der bekanntesten Krieger Japans, Minamoto no Yoshitsune, soll seine militärischen Fähigkeiten als Kind in einemTempel von einemTengu erlernt haben. Ähnlich den Halbgöttern in der griechischen oder römischen Mythologie gibt es auch Halb-Yokai – als Ergebnis einer Liebesgeschich- te zwischen Mensch und Yokai. Sind das alte japanische Romanzen mit Happy End? Oder gibt es auch hier eine dunkle Seite? Es gibt tatsächlich viele dieser Verbindungen, wobei einige gut und einige schlecht enden. So ist ja auch die Yuki-Onna, die Sie schon erwähnten, einmal die Lebensretterin von einem von zwei Wanderern in einem Schneesturm. Sie nimmt ihm jedoch das Versprechen ab, nie über diese Nacht zu reden. Ein Jahr später heiratet er eine hübsche Frau namens O-Yuki, sie haben 10 Kinder und leben glücklich zusammen, bis er ihr eines Tages von der Nacht in den Bergen erzählt. Natür- lich handelt es sich bei O-Yuki umYuki-Onna und sie verlässt ihren Mann sofort inWut. Also kein Happy-End, auch wenn die blutige Rache ausbleibt. Diese Geschichte ist übrigens auch von Lacafadio Hearn aufgeschrieben und 1904 im Buch Kwaidan veröffentlicht worden. Ihm verdan- ken wir die Bewahrung vieler dieser Geschichten, sozusagen der Grimm Japans. In welche Zeit lässt sich die Entstehung der Yokai einordnen? Die ersten Erwähnungen von mythischen Kreaturen und Monstern finden sich im 7. und 8. Jahrhundert, beispielsweise in den Chroniken des Kojiki (712) und Nihongi (720). Das Wort Yokai sucht man hier jedoch vergebens. In anderen Schriften und mündlichen Überlieferungen kam es seitdem zu immer mehr Beschreibungen und in der Kunst der Nara-Zeit (710 - 749) wurden erst- mals auch Kunstobjekte mit Yokai-Darstellungen geschaffen. Insbesondere in der Edo-Periode gab es dann einen ersten Yokai-Boom, da viele Künst- ler Holzschnitte mit diesen Motiven schufen und auch die Vorläufer der Mangas oder Spielkarten mit Yokais sich größter Beliebtheit erfreuten. Ge- rade letztere sind sicher die entfernten Vorläufer von Pokemon. Welche Rolle spielen die Yokai heute noch im Alltag der Japaner? Yokai spielen eine große Rolle im japanischen All- tag, zumindest eine viel stärkere als Zwerge oder Kobolde bei uns. In ganz Japan wird am 3. Februar T E N G U D E R H I MM L I S C H E H U N D In Tempeln oder an Schreinen sind oft Yokai-Statuen zu finden. K A R A K ASA - O B A K E D E R PA P I E R S C H I RMG E I S T Dieser Yokai gehört zur Gruppe der Tsuku- mogami. An ihrem 100. "Geburtstag" erwa- chen diese Alltagsgegenstände zum Leben, wenn sie zuvor nicht genügend Wertschät- zung erfahren haben. Karakasa-Obake sieht aus wie ein traditioneller Papierregenschirm mit einem einzelnen, großen Auge und ei- nem Mund mit langer Zunge. In den meisten Darstellungen hat er nur ein Bein und be- wegt sich dadurch hüpfend fort - oder aber er spannt sich auf und schwebt umher. Er gilt als freches, aber harmloses Wesen, das seinen (ehemaligen) Besitzern Streiche spielt. Ursprünglich wurde der Tengu gefürch- tet - mit Opfergaben versuchte man ihn zu besänftigen. Ty- pisch ist seine lange Nase, es gibt aber auch Darstellungen mit Schnabel. In der Edo-Zeit wurden Eu- ropäer gelegentlich als Tengu dargestellt - wegen ihrer, aus ja- panischer Sicht, lan- gen Nasen.
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