espresso - September 2021
ein stabiles Fundament stellen möchten. Im Fokus stehen deshalb Theorie und Praxis einer bedarfs- deckenden, vorwiegend vollwertig pflanzlichen Ernährung. Für die Zukunft steht außerdem ein weiteres Pro- grammmit dem Schwerpunkt „vegane Schwanger- schaft und Stillzeit“ auf dem Plan. Ist vegane Ernährung grundsätzlich gesünder als mischköstliche Ernährung? Nein. Vegan bedeutet nicht automatisch gesund. Oreos und Coca Cola sind vegan. Und selbst wenn ich Tag ein Tag aus nur Bananen und Brokkoli esse, ist das nicht gesund. Gesund ist vegane Ernährung dann, wenn sie über- wiegend vollwertig gestaltet wird. Das bedeutet, möglichst viel Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen und ungesüßte Getränke in möglichst unverarbeiteter Form zu sich zu nehmen. Heute sind Rewe und Edeka voller Junk-Food mit dem „V-Label“ und sogar McDonald’s hat einen veganen Burger. Gesundheitlich sehe ich den „Vegan-Trend“ daher kritisch. Aber: Auch eine mischköstliche Ernährung kann ich gesund oder ungesund gestalten. Es kommt wie immer darauf an, wie man seine Ernährung plant und wo man sich damit auf dem Spektrum zwischen vollwertig pflanzlichen und hochverarbeiteten Lebensmitteln befindet. Welche Lokale in Ingolstadt und der Region kannst du als Veganer empfehlen? Unser Lieb- lingsrestaurant ist mit Abstand das Lalibela. Ich kann jedem die gemischte vegane Platte empfehlen. Und die Betreiberin ist supernett. BeimÖlbaum gibt es mega-leckere Falafel und einen Mezze-Teller mit Hummus, der rein pflanzlich ist. Ingolstadt hat sehr viele gute italienische Restau- rants und Bars. Ich mag Spaghetti Pomodore, Gnoc- chi mit Gemüse, Pizza mit Grillgemüse und Anti- pasti. Diese Gerichte sind traditionell vegan, vorher nachfragen empfiehlt sich natürlich trotzdem. Gleiches gilt für indische Restaurants. Die meisten vegetarischen Gerichte sind aber sowieso vegan oder können auf Nachfrage vegan zubereitet werden. Wenns mal schnell was auf die Hand sein muss, ist zum Beispiel Onnumara Çiğköfte in der Hinden- burgstraße eine feine Sache. Oder Falaffelsandwich und veganer Döner beim Jahlafel. In Sachen veganes Fast-Food ist Ingolstadt sowieso gut aufgestellt. Hungry Monkey habt ihr in der letzten Ausgabe bereits vorgestellt. Wenn ich Lust auf einen veganen Burger habe, gehe ich gerne ins Golden. Das ist mir lieber als die Burgerketten, die aber auch alle min- destens ein pflanzliches Patty im Angebot haben. Vegane Kaffeespezialitäten sowie süße und herz- hafte Snacks und Kuchen gibt's im Salt und District Five. Und auch das Café am Schloss hat Pflanzen- milch und öfters mal einen veganen Kuchen zur Auswahl. 16 PEOPLE Was mich angeht…Wie gesagt möchte ich vorleben, dass eine rein pflanzliche Ernährung machbar, ge- sund und lecker sein kann. Außerdem bin ich selbst ja aus ethischen Gründen vegan. Davon möchte ich keine Ausnahmen machen. Durchaus Ausnahmen mache ich von meiner vollwertigen pflanzlichen Ernährung. Veganes Eis, Kuchen, Kekse oder Scho- kolade müssen ab und zu einfach sein. Hat die Umstellung auf vegane Ernährung bei dir noch weitere Veränderungen hin zu einem bewussteren Lebensstil nach sich gezogen? Auf jeden Fall. Durch den Input anderer vegan lebender Menschen wurde ich auf die unnötigen Qualen der Versuchstiere in der Kosmetikindustrie aufmerk- sam, auf die Tiere, die für ihren Pelz und ihr Leder gezüchtet werden und so weiter. Das führte dazu, dass ich diese Produkte heute nicht mehr kaufe. Insgesamt kann man zudem sagen, dass mein Kon- sum in allen Lebensbereichen bewusster wurde. Ich kaufe weniger Klamotten, dafür in besserer Qualität und mit Fair-Trade- und Öko-Zertifizierung. Ich versuche Plastik zu vermeiden, indem ich eigene Tüten und Gemüsenetze zum Einkaufen mitnehme und meine Trinkflasche mit Leitungswasser fülle. Was waren die überraschendsten Fakten, die du im Zuge deiner Ausbildung zum zertifizierten veganen Ernährungsberater gelernt hast? Was mich wirklich überrascht hat war die Tatsache, dass bereits heute weltweit so viel Nahrung produziert wird, um 9-10 Milliarden Menschen ernähren zu können, während zeitgleich Hunderte Millionen Menschen Hunger leiden und sterben. Und das nur deshalb, weil wir die produzierte pflanzliche Nahrung nicht selbst essen, sondern an Tiere verfüttern. Von neun pflanzlichen Kalorien bleibt so am Ende gerade mal eine tierische Kalorie für den menschlichen Konsum übrig. Welche Kurse bietest du an und an wen richten sie sich? Aktuell biete ich zwei Coachingprogram- me an. In beiden geht es darum, zusammen mit meinen Klient*innen ihr individuelles, vorwiegend vollwertig pflanzliches Ernährungsmuster zu entwi- ckeln, das zu ihnen passt und das sie deshalb gerne umsetzen. 100% vegan müssen sie nicht sein. Mit „freshStart“ möchte ich allen Menschen helfen, die nicht mehr wissen, was sie essen sollen. Das Pro- gramm erstreckt sich über 12 Wochen, wobei wir in der ersten Hälfte die Basics gesunder Ernährung und deren individuelle Umsetzung erarbeiten. Auf diese recht intensive Zusammenarbeit folgt für mei- ne Klient*innen dann die Umsetzung im Alltag, mit dem Fokus, die Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in der Ernährung nach und nach zu erweitern. Das zweite Programm, „quickStart“ ist die Light-Version. Es richtet sich vor allem an Men- schen, die bereits einiges richtig machen, jedoch ihre Ernährung zusammen mit einem Profi auf Immer mehr Menschen wollen die vegane Ernährung selbst ausprobieren. Wie gelingt der Einstieg am leichtesten? Viele Menschen, die versuchen einfach den Schalter umzulegen und sich von einem Tag auf den anderen 100% pflanzlich zu ernähren, entsagen nach Kurzem der Idee wieder, wenn sie mit der Tragweite und den Herausforde- rungen ihrer Entscheidung konfrontiert werden. Nachhaltiger als der „kalte Entzug“ ist es, wenn du stattdessen klein anfängst. Suche dir eine Mahlzeit am Tag und analysiere, was du regelmäßig isst. Dann tauschst du einfach die nicht-veganen Zutaten gegen pflanzliche Alternativen aus. Wenn dann die erste Mahlzeit zur Gewohnheit geworden ist, gehst du zur nächsten über. Es muss auch nicht so fancy aussehen wie auf Ins- tagram-Food-Accounts. Einfache Rezepte sind um einiges alltagstauglicher. Mit den Lebensmitteln tierischen Ursprungs streichst du natürlich auch Nährstoffe aus deiner Ernährung. Plane deshalb unbedingt, welche pflanz- lichen Lebensmittel dir diese zukünftig stattdessen liefern können, da sonst das Risiko eines Nährstoff- mangels besteht. An dieser Stelle möchte ich allen Leser*innen empfehlen, eigenverantwortlich einmal im Jahr einen Bluttest durchführen zu lassen. Better save than sorry! Was würdest du dir für die Zukunft des Vega- nismus wünschen? Brauchen wir die vegane Revolution? Eine Revolution, in der alle Menschen vegan werden, sehe ich nicht als notwendig. Solche Gedankenspiele vertiefen nur weiter Gräben, wo keine sein müssten. Ich wünsche mir stattdessen, dass alle ein wenig veganer mit kleinem „V“ leben. Denn die Probleme sind da und sichtbar. Klimawan- del, Hunger in der Welt, zoonotische Infektionen, drohende Antibiotika-Resistenzen,…Wir können uns zwar beschweren „die Politik macht nichts“ oder „die Anderen machen das doch auch“. Daran können wir aber erstmal nichts ändern. Was wir aber sehr wohl ändern können, ist die Entschei- dung, was auf unseren Teller kommt. Und da macht jede*r Einzelne und jedes pflanzliche Lebensmittel einen Unterschied, denn viele Teller haben einen großen Einfluß. Bastian, vielen Dank für diese spannenden Einbli- cke und alles Gute für deinen weiteren Weg. Einige Fragen haben es aus Gründen des Platzmangels nicht ins Magazin geschafft. Das vollständige Interview mit weiteren spannenden Einbli- cken gibt es auf www.espresso-magazin.de Oder Sie schauen bei Bastian vorbei: Instagram: @beetzandgreens Homepage: www.beetzandgreens.com
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