espresso - September 2021
Das führt natürlich manchmal zu Reibung, aber ich finde, dass dabei immer ein gutes konstruktives Miteinander gepflegt wird. Hätten Sie sich statt Armin Laschet lieber Markus Söder als Kanzlerkandidaten gewünscht? Die Messe ist gelesen. Ich hatte mich für Markus Söder ausgesprochen, auch in der Fraktion, aber die CDU hat sich anders entschieden und jetzt kämpfen wir zusammen für Armin Laschet. Halten Sie Ihn für einen geeigneten Merkel-Nach- folger? Armin Laschet wird unterschätzt. Er führt in NRWeine Regierung weitgehend problemfrei und geräuschlos. Er kannMenschen miteinander verbinden, das ist seine große Stärke. In einer Koali- tion, die voraussichtlich aus drei oder vier Parteien bestehen wird, ist das eine wichtige Fähigkeit, um eine solche Regierung zusammenzuhalten. Ich kann mir vorstellen, dass ihm das gut liegt. Gerade hören wir täglich traurige Nachrichten aus Afghanistan. Die Taliban haben das Land schneller zurückerobert als man gedacht hätte. Sie selbst haben im März noch für ein neues Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gewor- ben. Wie beurteilen Sie die Lage? Die Situation in Afghanistan ist eine einzige Katastrophe. Es ist ein Versagen der gesamten westlichenWelt. Aus meiner Sicht hätte man nicht so schnell aus Afghanistan abziehen dürfen. Aber wir sind abhängig von Entscheidungen, die in den USA getroffen werden. Der Kardinalfehler war, dass Donald Trump ohne Einbindung der afghanischen Regierung Verhand- lungen mit den Taliban geführt hat. Als Biden imFrühjahr noch gesagt hat, dass der Abzug der Truppen bedingungslos stattfinden wird, war für die Taliban klar, dass sie nur abzuwarten brauchen. Dass es aber so schnell geht, hat uns überrascht. Ist der Einsatz der Bundeswehr damit geschei- tert? Über 20 Jahre hinweg ist aus Afghanistan kein Terror mehr exportiert worden. Und wir haben einer Generation von Afghanen die Chance auf ein besseres Leben gegeben. Der Einsatz war insgesamt nicht umsonst. Wir hätten uns aber natürlich gewünscht, dass die Erfolge nachhaltiger sind und der Frieden länger anhält. Sie stecken jetzt mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs. Wie sieht ein Wahlkampf während Corona aus? Es gibt natürlich keine Großveran- staltungen, wie wir sie bisher kannten. Es findet also viel unter freiemHimmel statt: Spazieren, Radlfahren, Infostände. Zusätzlich habe ich in fast allen Gemeinden auch kleine Videos aufgenom- men. Wenn man an einemmeinerWahlplakate vorbeigeht, kann man den QR-Code auf demPlakat scannen und so sieht man dann das Video, das vor Ort aufgenommen wurde. Über 35 Videos haben wir in den letztenWochen gedreht. Und für jeden Ort eigene Plakate gemacht. Dann steht der Wiederwahl ja nichts mehr im Wege. Herr Brandl, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg am 26. September. An der Schuldenbremse wollen Sie also auf jeden Fall festhalten? Genau für solche Situationen wie jetzt haben wir die Schuldenbremse ins Grund- gesetz eingeführt. Wir werden nicht innerhalb von einem Jahr die Neuverschuldung auf Null herunterschrauben können, aber es muss unser Ziel sein in den nächsten Jahren, dass der Staat mit demGeld auskommt, das er einnimmt. Nur so können wir der Herausforderung des demogra- fischenWandels begegnen. Die Anzahl derer, die imArbeitsleben stehen, wird deutlich sinken, die Anzahl der Menschen imRuhestand wird steigen. Wir müssen der Generation in 10 und in 20 Jahren auch noch die Möglichkeit geben, politisch zu gestalten. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Deswegen ist es im Sinne der Nachhal- tigkeit, dass der Staat mit demGeld auskommt, das er einnimmt. Markus Söder hat kürzlich öffentlich erklärt, dass man die Schuldenbremse mit dem Klimaschutz in Einklang bringen müsse. Wie stehen Sie dazu? Schuldenbremse um jeden Preis oder gibt es Ausnahmen? Ich habe sehr viel mit Anhängern von Fridays for Future diskutiert. Sie haben recht mit ih- rer Forderung, dass wir mehr und entschlossener in den Klimaschutz investieren müssen. Aber für ihre Zukunft ist es auch wichtig, und das versuche ich den jungenMenschen immer wieder zu vermitteln, dass sie in 10 bis 15 Jahren einen Arbeitsplatz haben, mit dem sie eine Familie ernähren und sich ihre eigenen vierWände leisten können. Mir ist wichtig, dass der Klimaschutz nicht zu einer De-Industri- alisierung in Deutschland führt. Wenn wir etwas in Deutschland können, dann ist es innovative Technologien und Produkte zu entwickeln. Auch klimafreundliche Produkte, die wir in dieWelt exportieren können. Das Programm der Union zeigt keine konkreten Ideen auf, wie man den Klimawandel bekämpfen wird. Können Sie uns verraten, wie die Union den Klimaschutz aktiv angehen wird? Das zentrale Instrument ist die CO2-Bepreisung. Über die nächsten Jahre hinweg wird das Verbrennen von fossilen Brennstoffen teurer werden. Gleichzeitig muss dann aber auch als Ausgleich der Strompreis günstiger werden. Außerdem brauchen wir mehr Technologien imBereich der Mobilität, die auf die Verbrennung von CO2 verzichten und müssen weiter die erneuerbaren Energien ausbauen – was bereits passiert. Es gibt seit längerem immer wieder Streitigkeiten zwischen CSU und CDU. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren CDU-Kollegen im Bundestag? Wir sind eben zwei unterschiedliche Parteien, die unterschiedliche Akzente setzen. Wir sind kein Landesverband der CDU, sondern eine eigenstän- dige Partei mit einem bundespolitischen Anspruch. Die Situation in Afghanistan ist ein Versagen der gesamten westlichenWelt “ Als außenpoliti- scher Sprecher der CSU-Landesgruppe hängen Reinhard Brandl die Belange der Bundeswehr be- sonders am Herzen. 49 POLITIK
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