espresso - September 2021

51 F rau Meier, in Ihrer Kindheit haben Sie Ihrem Opa beim Schafehüten geholfen. Blicken Sie in stressigen Zeiten wehmütig auf diese Jah- re zurück? Ich denke gerne an meine Kindheit zurück, da braucht es keine besonderen Anlässe. Das sind in vielerlei Beziehungen meine Prägejahre. Daraus resultiert auch mein Bewusstsein für die Umwelt und eine gesunde Ernährung. Erst Ende 2019 – da waren Sie schon über 30 - haben Sie die politische Bühne betreten, um in ihrem Heimatdorf Denkendorf als Bürgermeis- terin zu kandidieren. Was gab den Ausschlag, sich neben Ihrer beruflichen Selbständigkeit auch noch in der Politik engagieren zu wollen? Besonders zwei Punkte waren ausschlaggebend, dass ich mich selbst engagieren wollte und nicht nur zusehen zu müssen, wie manches so schlep- pend voran geht. Das war zum einen die nicht optimale Busverbindung von Denkendorf in alle Richtungen, die absolut verbesserungswürdig ist. Ich sehe hier in den letzten 25 Jahren keine große Verbesserung. Zum anderen war, dass ich nach meiner Rückkehr vom Studium am eigenen Leib erfahren musste, wie schwierig es ist, an ein geeignetes Baugrundstück oder an Wohnraum hier zu kommen. Diese Punkte haben mich dazu gebracht, mich für meine Heimatgemeinde zu en- gagieren, damit sich etwas bewegt. Kommen wir zur anstehenden Bundestagswahl. Welche Themen liegen Ihnen dabei besonders am Herzen? Bezahlbarer Wohnraum sollte ein Grundrecht sein. Gesundheit für alle, weil sie lebenswichtig ist. Aktiver Klimaschutz, damit unsere Kinder und Enkel eine Zukunft haben. „Wohnen ist ein Menschenrecht!“, schreiben Sie auch auf Ihrer Webseite. Die Berliner*in- nen dürfen am Tag der Bundestagswahl per Volksentscheid darüber abstimmen, ob größe- re Immobilienfirmen vergesellschaftet werden sollen. „Mit der Vergesellschaftung wollen wir zwölf Prozent der Berliner Mietwohnungen der Spekulation entziehen und dauerhaft bezahlba- re Mieten ermöglichen“, erklären die Initiatoren dazu. Halten Sie Vergesellschaftungen für ein probates Mittel zur Stabilisierung von Mietprei- sen? Wie sähe Ihr Vorschlag aus? Nein, ich bin gegen Vergesellschaftung, aber auch gegen Monopole auf dem Wohnungsmarkt. Ich denke, wir müssen mehr Wohnraum schaffen durch Neubau, Bauen im Bestand und Umstruk- turierung von nicht benötigten Büroräumen zum Wohnen. Das kann zum Beispiel mit einfache- ren Genehmigungsverfahren und Förderungen geschehen. Allerdings müssen Mieterinnen und Mieter auch geschützt werden, um nicht von heu- te auf morgen Wohnraum zu verlieren, weil er nicht mehr bezahlbar ist. Gerade am Wohnungs- markt gilt das Gebot des Grundgesetzes: „Eigen- tum verpflichtet.“ Auf Ihrer Webseite schreiben Sie zudem: „Das Gesundheitswesen in Deutschland funktioniert im Großen und Ganzen recht zufriedenstel- lend.“ Viele Pflegekräfte hätten Ihnen dabei wohl schon vor Corona widersprochen. Wäh- rend der Pandemie ist deren Arbeitsbelastung nochmal deutlich gestiegen. Um es mal etwas polemisch zu formulieren: Funktioniert das Ge- sundheitswesen auch deshalb so gut, weil man es auf dem Rücken der Pflegekräfte austrägt? Das Gesundheitswesen funktioniert, weil die nö- tige Infrastruktur vorhanden ist und es im Laufe HINWEIS espresso interviewt in dieser Ausgabe drei Direktkandidat*innen der Bundestags- wahl 2021. Unsere Redaktion legt viel Wert darauf, diese Interviews von Ange- sicht zu Angesicht zu führen. Für Jessica Meier war das aus privaten Gründen nicht möglich. Die Fragen wurden schriftlich beantwortet. ES WÄRE ZU EINFACH ZU SAGEN, DASS ALLES AUF DEM RÜCKEN DER PFLEGER*INNEN AUSGETRAGEN WIRD. POLITIK ÜBER JESSICA MEIER Geboren wurde Jessica Meier in Ingolstadt, aufgewachsen ist sie in Denkendorf. Ihre Schul- und Studienzeit verbrachte sie in Den- kendorf, Ingolstadt, München, Regensburg und Nürnberg. Die 35-jährige SPD-Direkt- kandidatin ist staatlich geprüfte Sozialbetreu- erin. Während ihrer Ausbildungszeit arbeitete sie vor allem in Krankenhäusern und Alters- heimen. Im Anschluss folgte für die damals junge Mutter ein Studium der Architektur, das sie mit dem Schwerpunkt Städtebau und Dorfentwicklung abschloss. Jessica Meier ar- beitet jetzt als selbständige Architektin. Bei der letzten Kommunalwahl kandidierte sie als Bürgermeisterin für Denkendorf. Bür- germeisterin wurde sie nicht, dafür Gemein- derätin. Aktuell ist sie zudem Teil der Doppel- spitze des SPD Unterbezirks Eichstätt.

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