espresso - September 2021

56 POLITIK kommen. Oft geht es vom Förderzentrum direkt in Werk- stätten für Menschen mit Behinderung. In Südtirol wurde das System vor langer Zeit aufgebrochen. Da gibt es überhaupt kein Parallelsystem an Schu- len. Es ist eine hoheHerausforderung, aber da ist es selbstverständlich, dass Kinder mit Behinderung in der Regelschule sind und dass dort der Förderbe- darf geschaffen wird. Natürlich gibt es dabei auch Schwierigkeiten. Gesellschaftlich macht es Sinn, um Berührungs- ängste abzubauen. Das ist einer der wichtigen Punkte. Bei den Pla- nungen zur neuen Nepomuk-Schule und der neu- en Mittelschule Mitte-West hat man es zumindest schonmal geschafft, dass man sie räumlich in eine Nähe bringt. Jetzt geht es darum, auch den Aus- tausch zu verbessern. Das ist ein wichtiger Schritt. Eine Frage ist dabei aber auch das Thema Pau- senhof. Auf der einen Seite das Schutzbedürfnis, das zweifelsfrei vorhanden ist, auf der anderen Seite blockiert man über eine Separierung wieder den natürlichen Kontakt. Man sollte vielleicht die Angst überwinden und Vertrauen in die Kinder ha- ben, dass sie Rücksicht nehmen. „Dringend brauchen wir vor Ort einen grünen Bundestagsabgeordneten als Gegengewicht zur industriellen Monokultur und für den Klima- und Umweltschutz!“, schreiben Sie auf Ihrer Websei- te. Quasi eine Kampfansage an die Automobil- industrie? Ist das die richtige Strategie in einer Region, in der viele davon abhängig sind? Es geht keinesfalls um eine Kampfansage. Den Be- griff der industriellen Monokultur habe nicht ich geprägt, der stammt von einem Wissenschaftler, der die Region betrachtet hat und das feststellte. Gerade beim Thema der Transformation müssen wir den Blick öffnen und weitere Bereiche in den Blick ziehen. Als Bezirksrat bin ich auch im Klini- kumals Aufsichtrat, dort geht es gerade umdieAus- richtung der Laborschule. Medinzintechnik wäre ein weites Feld, wo man sich festigen könnte. Was direkt mit grüner Politik zusammenhängt: Der Kli- mawandel muss auch technisch bewerkstelligtwer- den, sei es mit Photovoltaik-Anlagen, Regeltechnik und dergleichen. Da sind wir Ideengeber für die Wirtschaft. Es geht einfach darum, sich breiter auf- zustellen. Sie haben schon die Transformation hin zur E-Mobilität angesprochen. Bis 2025 sollen z.B. bei Audi bereits alle Standorte bilanziell CO2-neutral produzieren. Da kommen wir zu dem Begriff, den ich als Claim für mein Wahlplakat verwende. (Herr Siebler rollt ein mitgebrachtesWahlplakat aus, Anm.) Fürs Protokoll: Auf dem Wahlplakat steht „Für Technologie-Klarheit“ Geprägt hat den Begriff Herr Duesmann aus der Audi – zumindest habe ich ihn dort das erste Mal so vernommen. Was ja oft propagiert wird, v.a. von den politischen Mitbewerbern FW und CSU, ist der Begriff der Technologie offenheit . Der hört sich ja erstmal gut an, weil Offenheit etwas Positives ist - man ist offen für Visionen. Und für Innovationen. Aber in diesem Zusammenhang wird der Be- griff eher als Verhinderungsbegriff verwendet – man soll sich ja nicht festlegen. Gemeint ist mit der „Offenheit“ ein Widerstand gegen die Elek- tromobilität – und da kommt immer der Begriff Wasserstoff mit ins Spiel. Herr Diess (Vorstands- vorsitzender VW, Anm.) hat sich eindeutig gegen die Wasserstoff-Technologie positioniert. Wenn angefeindet. Im Sinne von: Ihr macht uns kaputt. Damals gab es noch keine klare Ausrichtung. Der Widerstand in der Belegeschaft – sowohl bei Ar- beitern als auch im Entwicklungsbereich – war sehr weit verbreitet. Jetzt braucht es natürlich auch intern bei Audi einen Prozess, um die Leute mitzu- nehmen und zu überzeugen. Das könnte schneller gehen, als man annehmen möchte. Audi ist ja auch beim Thema gendersensible Spra- che vorangegangen. Das ist nochmal ein Thema, wo wir ganz eng beieinander sind. In den Sozialen Medien wurde heftig darüber hergezogen, was Audi sich erlaubt und dass das hier nichts zu suchen hätte. Für Audi ist ein Engagement in diese Rich- tung aber insgesamt imagefördernd, wie eine inter- nationale Untersuchung ergab. Es braucht aber viel Überzeugsarbeit, Audi leistet dabei viel mit Semi- naren und Leitfäden. Bei der Transformation zur E-Mobilität ist es das Gleiche. Hier müssen auch die Gewerkschaften mitgehen – natürlich mit dem wichtigen Blick auf die Arbeitsplätze. Deswegen wollte man lange am Verbrenner festhalten. Aber es hilft nichts, wenn wir am Verbrenner festhal- ten, wenn wir nicht mehr zu vernünftigen Preisen produzieren können und damit die Arbeitsplätze verlieren. Die Töne verstummen mittlerweile, auch aus Gewerkschaftsreihen. Aber die Angst muss ja noch da sein. Weniger ist weniger. Aber wenn man es mit der ganzen industriellen Entwicklung vergleicht - gerade jetzt in modernen Zeiten mit der Robotertechnik -, da wurden die übelsten Szenarien an die Wand gemalt. Aber nur durch den Fortschritt hat man das Auto überhaupt bezahlbar gehalten. Es hilft nichts, auf eine Tech- nologie zu setzen, die mehr Arbeitskraft braucht, wenn es amEnde nicht mehr bezahlt werden kann. Die Arbeitsplätze entstehen ja dann, wenn der Ab- satz passt und nicht dann, wennmanmöglichst viel Arbeitskraft für ein Produkt verwendet. A UDI, E-MOBILITÄT, GENDERN W AHLKAMPFROLLE man jetzt aber mehrgleisig fährt und "offen" bleibt, fehlen die Rahmenbedingungen der Politik. Und auf was kann sich die Wirtschaft dann verlassen? Es geht also darum, wirklich klare Linien zu schaf- fen. Wenn man mehrgleisig fährt, heißt das für die Politik auch, die Förderung aufdröseln zu müssen. Es ist nicht zu leisten, sowohl E-Mobilität als auch Wasserstofftechnik zu fördern und dabei sowohl Ladeinfrastuktur als auch Wasserstoffnetz aufzu- bauen. Man muss sich entscheiden, in welche Rich- tung man geht. Im grünen Wahl-Programm 2017 stand, die letzten Verbrenner sollen 2030 zugelas- senwerden. Damals gab es einen großen Aufschrei. Jetzt hat Audi für 2033 das Ziel, den letzten Ver- brenner vom Band rollen zu lassen. Da gibt es ja so eine Partei – ich will jetzt den Namen nicht nennen (lacht) -, die irgendeinen Kraftstoff für besonders gut hält und das in der Welt plakatiert. Also dieses Plakat umAudi herum können sie sich jetzt sparen. (gemeint ist das AfD-Plakat „Diesel ist super“, Anm.) Bisher war der Widerstand zur E-Mobilität noch recht hoch - auch unter Audianern. Diese identi- fizieren sich aber sehr stark mit dem Unterneh- men. Die Richtung ist jetzt klar vorgegeben, was nochmal enorm zum gesellschaftlichen Wandel beitragen könnte. Da muss Audi noch viel leisten. Zum Bundestags- wahlkampf 2017 wurde man teilweise persönlich Themenwechsel: Ihr Einzug in den Bundestag ist eher unwahrscheinlich. Das Direktmandat liegt seit jeher fest in CSU-Hand, auf dem Listenplatz Ihrer Partei sind Sie nur auf Platz 42. Wo sehen Sie ihre Rolle im Bundestagswahlkampf? Für die grüne Sache zu werben. Natürlich wäre es schöner, einen aussichtsreichen Platz zu haben. Eine grüne Interessensvertretung aus der Region in Berlin wäre längst überfällig, aber das sind ande- re Hintergründe, die es zu bewältigen gilt, um das in Zukunft wieder zu ermöglichen (zuletzt: Agnes Krumwiede, MdB 2009-2013, Anm.) . Wie das Wahl- AUFSCHREI DAMALS GAB ES EINENGROSSEN

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