espresso - November 2021
Rupert Ebner war von 2014 bis 2020 Referent für Umwelt und Gesundheit in Ingolstadt. Er arbeitet als Tierarzt und setzt sich für bessere Haltungs- bedingungen in der Landwirtschaft ein. Nebenbei engagiert er sich bei der Organisa- tion Slow Food Deutschland, für die er über 10 Jahre lang im Vorstand aktiv war. 34 PEOPLE ntibiotika als Futterzusatz gehören in der Massentierhaltung zur Tagesord- nung. Viele Tiere würden die schlechten Haltungsbedingungen ohne Medikamente nicht überleben, also verabreicht man ihnen pro- phylaktischMedizin. Für uns Menschen hat das zur Folge, dass wir durch den Verzehr tierischer Lebensmittel zunehmend Antibiotika-Resisten- zen aufbauen – immer mehr Antibiotika zeigen keineWirkung mehr. Im Interview spricht Rupert Ebner darüber, wie es so weit kommen konnte, was die Folgen dieser Entwicklung sind und was ihm trotzdemHoffnung macht. Herr Ebner, wie ist die Idee zu Ihrem Buch entstanden? Entscheidend für meine Sicht der Dinge war der Schweinemastskandal im Jahr 2000, der eigentlich ein extremer Fall von Antibioti- ka-Missbrauch war, verbunden mit demNamen des Straubinger Tierarztes Roland Fechter. Seit dieser Zeit war öffentlich bekannt, wie fahr- lässig mit Antibiotika in der Nutztierhaltung um- gegangen wird. In das Buch sind nun Sachverhalte, Erkenntnisse und Beobachtungen eingeflossen, die ich über die Jahre in meiner täglichen Arbeit als praktizierender Tierarzt und tierärztlicher Be- rufsvertreter gesammelt habe. Die Recherche des wissenschaftlichen Hintergrundes hat in weiten Teilen meine Coautorin Eva Rosenkranz geleistet. WARUM schämen WIR uns so WENIG? Sie warnen in Ihrem Buch vor einer drohenden Antibiotika-Katastrophe. Welche Folgen hätte sie für uns? Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es immer mehr unwirksame Antibiotika und multiresistente Bakterien geben. Simple bakterielle Infektionen würden dann wieder zumTod der betroffenenMenschen führen. Außerdemwären große Teile der modernenMedizin, zumBeispiel Gelenkprothesen, Organtransplantationen und die Kathetermedizin mit einem ungleich höheren Risiko verbunden, als dies mit gut wirksamen oder gut verträglichen Antibiotika der Fall ist. Wie konnte es so weit kommen? Seit den siebziger Jahren sind Antibiotika in der Tiermedizin in großem Umfang verfügbar, dazu sind sie ausgesprochen preis- wert. Neben demEffekt, dass man damit bakterielle Erkrankungen heilen kann, haben Antibiotika bei- spielsweise imFutter auch einen wachstumsfördern- den Effekt, sprich die täglichen Zunahmen vonMast- schweinen undMastgeflügel erhöhen sich deutlich. Der nicht sachgerechte Einsatz von Antibiotika ist GEWINNSP I EL Wir verlosen 3 Ex- emplare des Buchs. Die Teilnahmebe- dingungen finden Sie auf Seite 82. seit Jahrzehnten ohne großes Risiko für Tierärz- te und Landwirte möglich. Die Verantwortung dafür trägt der Gesetzgeber, der trotz zahlreicher Novellen des Arzneimittelgesetzes nie die wirkli- chen Schwachstellen aufgegriffen hat. Dazu gehört, dass Antibiotika keiner Preisbindung unterliegen, sondern mit großen Rabatten für Großabnehmer von der Pharmaindustrie vertrieben werden. Die staatlichen Veterinärämter sind mit viel zu wenig Personal ausgestattet und das Justizsystem ist mit der Problematik kaum vertraut. Weder Staatsanwaltschaften noch Gerichte verfügen über die Spezialkenntnisse, die für eine effektive Beurteilung der Sachverhalte notwendig wären. Können Sie sich erklären, warum dieses Thema immer noch vergleichsweise wenig Aufmerksam- keit bekommt? Mein Buch soll ein kleiner Beitrag dazu sein, dass diesem existenziellen Thema mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wie dramatisch das fehlende Interesse der Politik an diesemThema ist, zeigt sich daran, dass das gerade beschlossene Tierarzneimittelgesetz es nicht einmal in eine mündliche Debatte des Deutschen Bundestages geschafft hat, sondern imEilverfahren ohne Aus- sprache beschlossen wurde. Es gibt keine Zweifel, dass extremmächtige Lobbyisten dieses Gesetz noch vor einemmöglichen Regierungswechsel in „trockene Tücher“ bringen wollten. Man kann nur Seit 10 Jahren kämpft Rupert Ebner gegen den Antibiotika- Missbrauch in der Massentier- haltung. Jetzt hat er aus seinen Erfahrungen ein Buch gemacht, das als Weckruf zu verstehen ist. Denn es steht einiges auf dem Spiel: Das Wohl der Tiere, unsere Gesundheit und die Zukunft der Landwirtschaft Foto: © Rupert Ebner A “ Der Konsument sieht nur den schönen Schein
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