espresso - November 2021

39 KULTUR DIE CHARTA VON VENEDIG ...legt die zentralen Werte und Vorgehens- weisen bei der Konservierung und Restauri- erung von Denkmalen fest. Sie wurde 1964 unterzeichnet und gilt mit ihrer Präambel und ihren 16 Artikeln als zentrale und inter- national anerkannte Richtlinie in der Denk- malpflege. Im Interview bezieht sich Julia Steves an mehreren Stellen auf Artikel 9, wir wollen ihn daher hier einmal vollständig zitieren: Die Restaurierung ist eine Maßnahme, die Aus- nahmecharakter behalten sollte. Ihr Ziel ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu erschließen. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Hypothese beginnt. Wenn es aus ästheti- schen oder technischen Gründen notwendig ist, etwas wiederherzustellen, von dem man nicht weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das ergänzende Werk vom baulichen Kontext abheben und den Stempel unserer Zeit tragen. Zu einer Restaurierung gehören vorbereitende und begleitende archäologische, kunst- und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen. TICKETS UNTER WWW ARGO-KONZERTE DE SOWIE BEI ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN M $ &% (& &(&& INGOLSTADT SATURN ARENA Zahnarzt. Die kunsttechnologischen Untersu- chungen wie z.B. Röntgen machen wenige Häuser selbst. Ein paar große Zentren verfügen über eine große Ausstattung, etwa das Doerner Institut in München oder auch das Konvervierungszentrum vomGermanischen Nationalmuseum. Letzteres hat auch eine Stickstoffkammer für schädlingsbe- lasteteWerke. Auf welche Herausforderungen stößt du bei deiner Arbeit immer wieder? Zeit ist ein sehr großer Faktor. Eigentlich sollte gar kein Stress entstehen, weil unter Druck zu arbeiten das Risiko für die Kunst erhöht. Man braucht eine sehr ruhige Grundhaltung, um risikofrei zu arbeiten. Sowohl beimAusstellungsaufbau als auch im allgemeinenMuseumsbetrieb ist alles sehr knapp kalkuliert, weil Steuergeld darin steckt. Fast alle Häuser sind latent unterbesetzt, wodurch man oft einen sehr hohen Zeitdruck hat und der eigent- lichen Ethik unseres Berufs nicht zu 100 Prozent nachkommen kann. Man muss immer einen Kompromiss finden zwischen dem eigentlich op- timalenWeg und dem, was leistbar ist. Der zweite Punkt ist die Ausstattung. ImMKK sind wir hier in den letzten Jahren sehr gut weitergekommen. Aber auch da ist finanziell oft eine Grenze gesetzt, z.B. bei der Lagerung. Eine fachgerechte Lagerung kostet viel Geld. Vor 3 Jahren brannte ein Nachbargebäude eines MKK-Depots. Bei den eingelagerten Werken kam es zu Rußablagerungen. Ein Jahr nach dem Brand bist du als Restauratorin zum Museum gekommen. War da schon alles beseitigt? Nein, aber die wichtigsten Schritte waren schon eingeleitet. Externe Restauratorenteams waren organisiert und Angebote eingeholt. Als ich ange- fangen habe, ging die Nacharbeit los. DieWerke wurden ausgepackt, gesichtet, gereinigt und neu verpackt. Die Teams haben die komplette Samm- lung einmal in die Hand genommen. Wie schädlich ist der Ruß denn für die Werke? Das Problem bei Ruß ist, dass er in alle Ritzen dringt. Eine Restauratorin stellte fest, dass in ge- schlossenen Schubläden in den hintersten Ecken fast die meiste Rußablagerung zu finden war. Als Laie könnte man annehmen, dass man alles von außen reinigt und es sich damit erledigt hat. Ruß ist ein Schadstoff, der schlimme Schäden anrichten kann. Außerdem verklebt er und bindet andere Schadstoffe, es ist nicht einfach nur aufliegender Staub. Was war das aufregendste Projekt, bei dem du mitwirken durftest? Das war definitiv die documenta 13, direkt nach Ende meines Studiums. Eine documenta mitzu- betreuen war wirklich spannend. Sehr zeit- und arbeitsintensiv, aber man sieht natürlich auch ext- rem viel Kunst und ist extrem gefordert. Auch dort war die Kompromissfindung definitiv ein Faktor, weil alles sehr schnell gehen und man sehr vielen Positionen gerecht werden musste. Man arbeitet aber auch sehr eng mit den Künstlern zusammen. Das ist etwas, was mich an der Moderne sehr reizt, der Künstler lebt in den meisten Fällen noch und man kann mit ihm in Austausch treten. Und imMKK? Der Alltag ist allgemein spannend. Ich freue mich Dafür braucht man eine große Vorausbildung, auch wenn die Konsequenz etwas Banales ist “ Wir schauen zuerst an die Decke, ob dort Wasserleitungen verlaufen “

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