Landshuter Stadtmagazin

Die Krim, 1475: Das Ende der letzten Goten Das christliche Abendland erwartete den Sturm der Türken, die bereits weite Teile des Balkans annektiert hatten. 1453 hatten die Türken Konstantinopel erobert, das heutige Istanbul: Die Metropole war der letzte Pfeiler des Byzantinischen Reichs gewesen, das fast ein Jahrtausend lang eine Art von christlichem Sperrriegel gegen die Expansion des Islam gebildet hatte. Im Hochgefühl seines welthistorischen Triumphs wollte der Osmanen-Herrscher Mehmet (Beiname: der Eroberer) auf der Stelle ins Herz Europas vor- stoßen, nach Ungarn und ins Reich der Deutschen. Ein großer Kurden-Aufstand – selbst den meisten Historikern vollends unbekannt und unbeachtet – rettete Mitteleuropa vor dem Vorhaben. Überall war das Osmanische Reich auf dem Vormarsch. Beim Wort Istrien etwa dachten die Zeitgenossen Herzog Georgs des Reichen und seiner Frau Hedwig von Polen nicht an Sonne und Urlaub – sondern an ein Land vor der Haustür, das zigfach unter Kriegs- und Plünderungszügen der Türken zu leiden hatte. Dazu ein schillerndes Detail aus einem Landstrich, der in unseren Tagen erneut im Brennpunkt der Geopolitik steht: Exakt im Jahr der Landshuter Hochzeit löschten die Türken im Süden der Halbinsel Krim ein kleines Reich aus. Das Fürstentum Theodoro, auch Gothia genannt, wo sich ein kleiner Rest des germanischen Stammes derOstgoten seit denTagender Völkerwanderung, das heißt: über ein Jahrtausend lang, ein gewisses Maß an Selbständigkeit erhalten hatte. Spuren eines untergegangenen „Zwischenreichs“ Zurück an den Hof der Reichen Herzöge: Der 110 Jahre überspannende Zeitbogen der Herrschaftsperioden der drei Reichen Herzöge von Landshut umfasst Epochen, die fast so unterschiedlich waren wie die Zeitläufe der von heute aus, dem Jahr 2022, zurückliegenden 110 Jahre (eine solche Zeitreise führte zurück bis in die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg). Als Heinrich, Herzog von Bayern-Landshut, im Jahr 1392 die Herrschaft übernahm, machte ein gewisser Philipp der Kühne von Burgund Furore – Herrscher über eine Art von Zwischenreich zwischen Frankreich und Deutschland, das noch vor Anbruch der Neuzeit sang- und klanglos untergegangen ist. Aber seinerzeit war Burgund führend und stilprägend auf Gebieten wie Mode, Schmuck, Möbel, Kunst und Kultur in einem weiten Sinn. Besonders die Gewandung der sogenannten besseren Kreise unter den Gästen der Fürstenhochzeit 1475 war Haute Couture nach dem Vorbild des Hofes von Burgund. Und die städtische Mittelschicht, Handwerker und Händler, orientierten sich am Geschmack der Eliten. Die in der Ausstellung auf der Trausnitz gezeigten Kostüme sind buchstäblich anziehende Zeugnisse des Geschmacks jener Zeit. Am Vorabend der Europäisierung der Welt Als Heinrichs Enkel Georg der Reiche, vormals Bräutigam der Landshuter Hochzeit, im Jahr 1503 das Zeitliche segnete, hatte Kolumbus längst Amerika entdeckt, rasant nahm die Europäisierung Wie im richtigen Leben kommen auch bei Inszenierungen der Landshuter Hochzeit die „kleinen Leute“ zu kurz. Im Bild „Gesinde“ aus dem Heer der dienstbaren Geister, die den Fürstenhof am Laufen hielten. Hedwig, Königstochter von Polen: Ihre Ver- mählung mit dem Landshuter Herzog Georg war eine hoch- politische Verbindung. 56 | Stadtgeschichte

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