Spitzenmedizin in unserer Region

7 Spitzenmedizin in unserer Region Eine Narbe im Gehirn gegen das Zittern Wie der MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschall Tremorpatienten helfen kann Wenn alltägliche Dinge, wie einen Reißverschluss zumachen oder sich etwas zu Trinken einschütten, nicht mehr problemlos klappen, ist das in vielerlei Hinsicht belastend. Zum einen gibt es einem das Gefühl, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren und zum anderen die Angst, irgendwann nicht mehr ohne Hilfe zurechtzukommen. Liegt es an einem Tremor, erleichtern Medikamente oder in ausgeprägteren Fällen ein Hirnschrittmacher das Leben. Eine dritte Möglichkeit ist der „MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschall“, kurz MRgFUS. Lutz Morisse liegt vor dem Bogen eines MRT-Geräts. Er hat einen Essenziellen Tremor. Für ihn wird das Zähneputzen zur täglichen Herausforderung, weil er vor lauter Zittern die Zahnpasta nicht auf die Bürste bringt. Heute soll sich das ändern. Auf Höhe seiner Nase ist der Rahmen eines sonderbaren Helmes fixiert, welcher mit der Maschine hinter ihm verbunden ist. Lutz Morisse ist wach. Gleich werden Ultraschallwellen auf einen kleinen Punkt in seinem Gehirn gerichtet. Dr. Steffen Paschen ist Oberarzt der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Er überwacht seinen Patienten und führt den MRgFUS durch. Der MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschall stellt eine Alternative zur Tiefen Hirnstimulation, dem sogenannten Hirnschrittmacher, dar. Beide Verfahren kommen bei schweren, beeinträchtigenden Zittererkrankungen – vor allem bei Essenziellem Tremor oder Tremordominantem Morbus Parkinson – infrage, sofern eine medikamentöse Therapie nicht mehr ausreicht, um das Zittern in Dennoch ist der „Hirnschrittmacher“ ein langjährig etabliertes Verfahren, das seit 1987 angewendet wird. Er wirkt beidseitig, das heißt, man kann beide Körperhälften gleichermaßen ruhiger stellen, während der MRgFUS nur eine Körperseite behandelt. Studien, inwieweit eine Therapie beider Seiten gleichzeitig sinnvoll und möglich ist, laufen jedoch bereits. Dennoch sei der MRgFUS gerade für Patienten mit Parkinsontremor gut geeignet, da das Zittern hier meist einseitig stark ausgeprägt und die andere Körperseite weniger stark betroffen ist, sagt Paschen. Andererseits bietet die Tiefe Hirnstimulation gerade jüngeren Patienten bei Zunahme der Tremorerkrankung über die Jahre und Jahrzehnte die Möglichkeit, den Strom entsprechend zu erhöhen und so auf das Fortschreiten der Erkrankung zu reagieren. Bei MRgFUS müsste nachbehandelt werden. „Das geht auch“, sagt Paschen. „Aber idealerweise wird nur einmal behandelt.“ Zwei Kliniken bieten die Methode an In Deutschland wird der MRgFUS bisher nur am Universitätsklinik Bonn und am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, angeboten. Paschen ist sich aber sicher, dass weitere Kliniken das Verfahren anbieten werden, sobald der Prozess der Kostenerstattung abgeschlossen ist. Marina Jung i Weitere Informationen: www.uksh.de muss man zwei Löcher bohren und Elektroden in die Tiefen beider Gehirnhälften schieben. Da gibt es ein Blutungsund Infektionsrisiko.“ führen, Kreise und Spiralen zeichnen – der Effekt wird fortlaufend überprüft, bis der richtige Zielpunkt gefunden ist. Erst dann erfolgt die Erhitzung. „Die dauert so 20, 25 Sekunden“, sagt Paschen, die gesamte Behandlung etwa drei bis vier Stunden. „Der Effekt ist da, unmittelbar wenn die Narbe gesetzt ist.“ Lutz Morisse steht von der Liege auf, das Zittern der linken Hand ist fast weg. Er ist glücklich. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Erfolg sofort da ist“, sagt er. „Ich war der Annahme, das dauert 14 Tage, drei Wochen bis die Wirkung eintritt.“ MRgFUS und Tiefe Hirnstimulation im Vergleich Für den MRgFUS kommen im Grunde alle Patienten mit einem Essenziellen Tremor beziehungsweise Parkinsontremor infrage, die trotz medikamentöser Therapie in ihrem täglichen Leben beeinträchtigt sind. Dennoch hat das Verfahren gegenüber der Tiefen Hirnstimulation Vor- und Nachteile. „Der große Vorteil ist, dass man den Schädel nicht eröffnen muss“, sagt Paschen. „Bei der Tiefen Hirnstimulation Schach zu halten, oder ein Patient die Medikamente nicht verträgt. 1024 Ultraschallquellen zielen auf einen Punkt „Mittels gebündelter Ultraschallwellen wird durch Hitze eine Läsion, also eine Verödung in der Tiefe des Gehirns, an einem definierten Zielpunkt gesetzt“, sagt Paschen. Dafür wird dem Patienten ein helmförmiger Ultraschallwandler mit 1024 Ultraschallwellen aufgesetzt. Zwischen Kopf und Helm zirkuliert zur Kühlung 14 Grad kaltes Wasser. Kontrolliert wird die Behandlung im Kernspintomografen (MRT). Über bildgebende Verfahren wird der exakte Punkt für die zu setzende Narbe im Gehirn ermittelt. Doch wird nicht sofort scharf geschossen. „Das ist das Schöne an dem Verfahren“, sagt Paschen. „Dass man erst mal eine Testerwärmung machen kann, bei der es noch nicht zur Verödung kommt.“ Der Patient ist die gesamte Zeit über wach und kann entsprechend Rückmeldung geben, ob es zu Gefühlsstörungen oder Schwächen in Armen oder Beinen kommt. Außerdem wird er immer wieder untersucht. Den Finger auf die Nasenspitze legen, einen Becher zum Mund Die Methode „MRgFUS“ basiert auf hochenergetischen Ultraschallwellen, die im Magnetresonanztomografen (MRT) präzise ausgerichtet werden. Dafür wird dem Patienten ein helmförmiger Ultraschallwandler mit über 1000 einzelnen Ultraschallquellen auf dem Kopf platziert. Der Patient ist während der Behandlung wach, um direkt Feedback zu geben. Fotos: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Dr. Steffen Paschen, Klinik für Neurologie, Campus Kiel ESSENZIELLER TREMOR, MORBUS PARKINSON UND MRGFUS Tremor bezeichnet ein Zittern, meistens der Arme. Es können aber auch Kopf, Beine, Rumpf oder Stimme betroffen sein. Der Essenzielle Tremor ist ein Problem des Nervensystems im Gehirn. Patienten mit einem Essenziellen Tremor haben Probleme bei Ziel- und Haltebewegungen, beispielsweise beim Benutzen eines Schraubendrehers, bei handwerklichen Tätigkeiten oder feinmotorischen Arbeiten. Er äußert sich beidseitig. Ein tremordominanter Morbus Parkinsonäußert sich durch einen Ruhe- und Haltetremor. Hier zittert die Hand also, während man sich nicht bewegt. Der Parkinsontremor ist einseitig betont und geht oft mit weiteren Symptomen wie Bewegungsverlangsamung oder Steifheit einher. Mit einemMTR-gesteuerten fokussierten Ultraschall können beide TremorVarianten behandelt werden, jedoch nur einseitig. Derzeit wird in Studien untersucht, inwieweit das Verfahren auch für die Therapie beider Seiten des Gehirns geeignet ist. Außerdem lieferten 2020 weitere Studien zuMRgFUS und der Behandlung von Morbus Parkinson mit Wirkfluktuationvielversprechende Ergebnisse. Für die Wiedererlangung des Geruchssinns bei Parkinson gibt es derzeit noch keine spezifische Therapie, so Steffen Paschen. (mcj) Wissenschaftlich basiert zur Traumfigur Der Fernseharzt Carsten Lekutat teilt seinen Weg zum Wunschgewicht Auch schon mal unvorteilhaft fotografiert worden? Die Erkenntnis trifft einen wie ein Schlag: „Oh mein Gott! Ich bin fett!“ So erging es dem „Gesundmacher“ Dr. med. Carsten Lekutat. Ein adipöser Arzt spricht zur besten Sendezeit im Fernsehen über gesunde Ernährung? Zu peinlich. Also: Das Fett muss weg! Wie jeder es schaffen kann, hat er in seinem Buch „Schlank für Faule“ festgehalten. 89,5 Kilogramm bei 1,71 Metern Körpergröße entspricht einem Body-Mass-Index von 31. Da spricht man nicht mehr von gut genährt oder vollschlank, das ist schon eine Krankheit mit Namen Adipositas Grad 1, sagt Carsten Lekutat über sein Ausgangsgewicht. Er hat sich eine Waage gekauft. Sie ist unverzichtbar für eine Gewichtsreduktion, denn sie lügt nicht. Das Ergebnis täglich notiert, am Monatsende die Verlaufskurve: „Wenn die Kurve nach oben geht, hast du zu viel gefressen. Wenn sie nach unten geht, machst du alles richtig.“ Klar, einmal zu zweit eine große Familienplatte Schnitzel verdrückt, kann nicht der Auslöser für das Übergewicht gewesen sein. Daher hat er beschlossen, das „Fettproblem“ wissenschaftlich basiert anzugehen. Dafür hat er sich mit WisLekutat hält nie den Zeigefinger hoch und sagt: „Du musst das und das“ oder „Du darfst nicht..., dann nimmst Du ab“. Sein Rat für den Leser: „Was dem einen Menschen beim Abnehmen hilft, kann bei einem anderen Menschen sinnlos sein. Lassen Sie sich hiervon nicht entmutigen, sondern versuchen Sie herauszufinden, was Ihnen persönlich guttut.“ Jeder soll aus Lekutats Erfahrungen das abschöpfen, was den Weg zum eigenen Wunschgewicht ebnet. Marina Jung zeitig dessen hemmende Wirkung auf den Fettabbau. Vegane Minimahlzeiten Doch können Käse oder eiweißhaltige Produkte an sich nicht die Lösung sein. Besser ist es, schon vorher zu wissen, wie aktiv der Stoffwechsel ist und was den Blutzucker in die Höhe treibt. Mit Smartwatch und einem aufklebbaren Messchip für Diabetiker wollte er seinen Blutzuckerspiegel überwachen. Auch hier wieder Überraschungen am laufenden Band: Nicht nur, dass ein veganer Döner den Blutzucker höher schießen ließ, als es ein Glukoseblutzuckertest beim Arzt getan hätte, auch Stress ist ein Treiber. Fehlt dann noch die Bewegung, und zwar zur richtigen Zeit, beispielsweise ein Spaziergang direkt nach dem Essen, heißt es „Hallo Hüftgold“. Eine neue innere Einstellung Auf 186 Seiten teilt Carsten Lekutat seine teils überraschenden Erkenntnisse. Das Buch enthält außerdem einen Rezeptteil, in dem die Vorzüge verschiedener Lebensmittel wie Hühnchen, Linsen, Kartoffeln, Nüsse, Spargel oder Fisch vorgestellt werden. senschaftlern und Arztkollegen verschiedener Fachrichtungen unterhalten. Wenn Salat dick macht Eine wichtige und überraschende Erkenntnis war, warum manche Menschen einfach nicht abnehmen, auch wenn sie sich beispielsweise hauptsächlich von Salat ernähren. „Stille Allergie“, hat ihm ein Laborvertreter gesagt. Manche Menschen reagieren allergisch auf Lebensmittel, ohne es zu bemerken. Mit schwerwiegenden Folgen, die Kurve geht nämlich nach oben, statt nach unten. Es gilt also, Lebensmittel zu vermeiden, die man nicht verträgt. Welche das sind, lässt sich etwa anhand von Bluttests ermitteln. Käse vor Gummibärchen Ebenso erstaunlich: Der Anstieg des Blutzuckerspiegels lässt sich mit eiweißhaltigen Milchprodukten beeinflussen – ein Hinweis, den Lekutat von einem Diabetologen erhalten hat. Entscheidend sei die Reihenfolge: erst die Käsestulle, dann die Gummibärchen. Der Käse bremst den Anstieg des Blutzuckers und damit die Ausschüttung von Insulin. Damit vermindert man gleichDr. med. Carsten Lekutat: „Schlank für Faule“, Droemer Knaur Verlag, 2021, 190 Seiten, €20 EHRLICHE ANALYSE HILFT BEI UMGANG MIT STRESS Um einen guten Umgang mit Stress zu finden, braucht es eine simple Einsicht: Man sollte zugeben, dass man gestresst ist, sagt die Stressforscherin Prof. Birgit Derntl vom Uniklinikum Tübingen. Dann könne man eine Stressanalyse machen, also sich fragen, was genau einen stresst. „Die Antwort ‘Alles’ ist nicht hilfreich“, sagt sie. Hat man die Stressoren ausgemacht, ordnet man sie ein: Was davon wird sich in absehbarer Zeit ändern? Eine Abgabefrist einhalten zu müssen, sei zwar zum Beispiel stressig, muss aber nicht negativ sein. „Wenn der Stress nicht über mehrere Monate bestehen bleibt, kann er sogar förderlich für die Leistung sein“, sagt Derntl. „Ist ein Ende absehbar, hilft Stress, Kräfte zu mobilisieren.“ Problematisch sind hingegen Stressoren, bei denen kein Ende absehbar ist. „Gerade Frauen neigen zum Grübeln, machen sich Sorgen und geraten in Gedankenschleifen“, sagt Derntl. „Das ist nicht effektiv, es stresst noch mehr.“ In manchen Fällen hilft nur die Akzeptanz der Situation: „Manche Sachen, die man nicht ändern kann, muss man einfach hinnehmen. Sich selbst zum Beispiel.“ (dpa/tmn)

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