Das Handwerk: innovativ. kreativ. persönlich

4 Das Handwerk Viele Herausforderungen HWK-Präsident Dr. Georg Haber im Interview Herr Dr. Haber, wie ist es ganz allgemein um das ostbayerische Handwerk bestellt? Dr. Georg Haber: Wir haben zwei Jahre voller Auf und Abs hinter uns, teilweise mit existenziellen Belastungen für einige Unternehmen. Trotzdem ist das Handwerk insgesamt und im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen. Aber es war kein Selbstläufer. Unsere Handwerkerinnen und Handwerker haben großen Kampfgeist gezeigt und alles unternommen, um die Betriebe am Laufen zu halten und ihre Mitarbeiter zu halten. Deshalb bin ich bei zukünftigen Herausforderungen optimistisch. Denn das Naturell der Handwerker ist in Krisenzeiten vom großen Vorteil: Sie haben Kampfgeist, sind pragmatisch, flexible Allrounder, arbeiten regional und nachhaltig – und setzen auf Teamgeist und Zusammenhalt. Welche Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben in den vergangenen zwei Jahren unser Handwerk besonders getroffen? Haber: Je nach Branche und Geschäftsmodell war die Betroffenheit sehr unterschiedlich, teilweise sogar innerhalb eines Gewerks. So hatten Schreiner, die sich auf privaten Innenausbau spezialisiert haben, weniger Probleme als Messebauer. Durch die Lockdowns und die Einschränkungen mussten viele Betriebe schwere Umsatzeinbrüche verkraften, unter anderem die Handwerke für körpernahe Dienstleistungen wie Kosmetiker und Friseure. Auch die Grenzschließungen haben zu massiven Belastungen bei unseren ostbayerischen Handwerksbetrieben geführt, die Grenzpendler beschäftigen oder Aufträge in den Nachbarländern ausführen. Nichtsdestotrotz hat das Handwerk pragmatisch, flexibel und lösungsorientiert reagiert. Unsere Betriebe haben die Nahversorgung der Bevölkerung gesichert, an ihren Mitarbeiten festgehalten und weiter ausgebildet. Inzwischen sind neue Probleme hinzugekommen: gestörte Lieferketten, Material- und Rohstoffengpässe und die Preisexplosionen bei Material und Energie. Das macht unseren Betrieben zu schaffen. Konnten die Pandemie-Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung – wie der Schutzschirm – da effektiv gegensteuern? Haber: Die Bewältigung einer Pandemie ist kein leichter Job. Die Politik hat viele Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, das verdient Anerkennung. Gerade die staatlichen Hilfen zu Beginn der Pandemie waren wichtig und wurden auch von zahlreichen Handwerksbetrieben in Anspruch genommen. Die Ausgestaltung der weiteren Corona-Hilfen ging jedoch zunehmend an der Realität des Handwerks vorbei. Viele Handwerksbetriebe fielen dabei durchs Raster und konnten die Hilfen nicht in Anspruch nehmen. Insgesamt sind die Wirtschaftshilfen viel zu komplex, die Anträge zu bürokratisch. Es gab Regelungslücken oder unpräzise formulierte Vorschriften. Der Krieg in der Ukraine hat vielfältige soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Wie ist hier speziell das ostbayerische Handwerk von den Folgen betroffen? Haber: Die Folgen sind momentan nur ansatzweise zu erahnen, sie werden uns aber Jahre beschäftigen. Schon zuvor waren bestimmte Rohstoffe und Materialien nur mit Verzögerungen und zu erhöhten Preisen zu bekommen. Seit Kriegsbeginn belastet die Frage der Versorgungssicherheit und die massiven Preissteigerungen das Handwerk zunehmend: Es geht um Rohstoffe, Materialien, Energie und Sprit. Der Bäcker zum Beispiel braucht Strom und Benzin, wenn er backen und die Semmeln ausliefern soll. Gerade im ländlichen Raum sind Handwerker auf das Auto angewiesen, um ihre Kunden zu versorgen. Sie können den Heizkessel schlecht mit dem Bus bringen oder Homeoffice auf der Baustelle umsetzen. Der Anstieg der Energiepreise kann nicht beliebig an Kunden weitergegeben werden. Die Folge ist, dass bei steigenden Preisen die Schattenwirtschaft ansteigt, Aufträge nicht oder nur in gekürzter Form vergeben werden. Auch die Rohstoffknappheit spielt eine Rolle: Zum Beispiel werden im Nahrungsmittelbereich Vorprodukte aus der Ukraine verwendet. Der Wegfall dieser Produkte führt zu Produktionsausfällen und zu höheren Kosten für alternative Rohstoffen. Was wären Ihrer Meinung nach geeignete Lösungsstrategien für diese Probleme? Haber: Die effektivste Lösung wäre natürlich, dass der Krieg aufhört. Wir sollten uns auch so schnell und so weit wie möglich energetisch unabhängig machen. Bis dahin können deutliche Steuersenkungen mit Blick auf Gas, Strom und Spritpreise ansatzweise eine Entlastung bedeuten, auch wenn es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre. Manche Handwerker kommen wohl nicht umhin, ihre Zulieferer mittelfristig zu diversifizieren und neue Beschaffungs- und Absatzmärkte zu suchen. Der „Bachelor Professional“ und der „Master Professional“ wurden 2020 eingeführt. Damit wurde Engagement in einer handwerklichen Ausbildung einem akademischen Studienabschluss gleichgestellt. Welche neuen Möglichkeiten haben dadurch junge Menschen, die in einem Handwerksberuf Karriere machen möchten? Haber: Damit wird die in der Praxis etablierte Stufensystematik mit international anschlussfähigen, attraktiven Begriffen sichtbar. Der Zusatz „Professional“ vermeidet Verwechslungen mit akademischen Graden. Uns ist dabei wichtig, dass die etablierte und international mit hoher Wertschätzung belegte Qualifikationsbezeichnung „Meister im Handwerk“ durch die Stufe „Bachelor Professional“ ergänzt und keinesfalls verdrängt wird. Der Meistertitel steht in der deutschsprachigen Gesellschaft für Qualität und Können, diese gelernte Verankerung wollen wir nicht lösen. Dennoch erhöhen die neuen BezeichDr. Georg Haber. Foto: Foto Graggo Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz steht mit Rat und Tat zur Seite. Foto: Sebastian Pieknik

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