50 Jahre Landkreis Landshut

50 JAHRE LANDKREIS LANDSHUT 3 „Wir sind gut gerüstet für das, was kommt“ Landrat Peter Dreier (FW) über „seinen“ Landkreis – Gebietsreform ein „Meilenstein“ für die Entwicklung Herr Dreier, was zeichnet denn Ihrer Meinung nach den Landkreis Landshut aus? Peter Dreier: Ich denke, das ist vor allem die Vielfältigkeit unserer Region – wir vereinen nicht nur die Hallertau, das Isartal und das tertiäre Hügelland des Vilstals, sondern auch die Menschen, die sich mit ihrer Heimat identifizieren und den Landkreis Landshut mit seinen Besonderheiten ausmachen. Noch dazu pflegen wir eine sehr gute Partnerschaft mit der kreisfreien Stadt Landshut, die ja quasi den geografischen Mittelpunkt unserer Region bildet. Der Landkreis Landshut hat mit seiner Nähe zum Flughafen, zur Landeshauptstadt und der vorhandenen Infrastruktur beste Möglichkeiten, die wir in jedem Fall auch nutzen. Ich denke, der seit Jahren anhaltende Zuzug und dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben wollen, ist der beste Beweis dafür, dass wir sowohl wirtschaftliche Interessen, als auch das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Heimat und Beständigkeit vereinen. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht, 50 Jahre danach, die Gebietsreform? War Sie wirklich notwendig? Was hat sie dem Landkreis Landshut und seinen Bürgern gebracht? Dreier: Mit einer Gebietsreform sind natürlich Änderungen und Umstellungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden: Allein schon aufgrund längerer Wege, die sie zurücklegen mussten, weil einige Aufgaben nun zentral in Landshut zu erledigen sind. Aber seien wir ehrlich: Diese kleingliedrige Einteilung der Gemeinden und Altlandkreise war auf Dauer einfach nicht mehr zeitgemäß und sinnvoll. Damals wie heute muss es unser Ziel sein, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen – das Nutzen von Synergieeffekten war auch schon damals ein entscheidendes Anliegen, was bis heute nichts an seiner Wertigkeit verloren hat. Wir sehen es auch an unseren Landkreisgemeinden, die vielfach verstärkt zusammenarbeiten wollen und so genannte „ILE“-Gemeinschaften gründen; eben um die Ressourcen zu bündeln und den vielfältigen Aufgaben gerecht werden zu können: Sei es im Standesamt oder im Bauhof. Viele der 35 Gemeinden des Landkreises Landshut sind durch Zusammenlegungen alter Gemeinden erst neu entstanden. Haben die Bürger diese Reform akzeptiert? Ist so etwas wie ein „Wir-Gefühl“ entstanden? Dreier: Davon bin ich überzeugt. Die Gebietsreform war natürlich ein großer und heftig diskutierter Schritt, der letztlich von Erfolg gekrönt wurde: Jede Gemeinde ist einzigartig und in sich besonders. Doch sie sind mittlerweile zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, in der sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen und von ihrem Zusammenhalt nur profitieren können. Die Gebietsreform war ein Meilenstein in der kommunalen Entwicklung unserer Region. Denn: Ohne Verändern gibt es kein Erhalten; etwas bewahren können die Menschen nur, wenn sie sich an das Erneuern wagen. Und das ist dem Landkreis gelungen. Die Zusammengehörigkeit des Landkreises Landshut wurde jahrzehntelang durch das Autokennzeichen „LA“ dokumentiert. Sie haben sich dafür starkgemacht, dass auch die alten Kennzeichen VIB und ROL wieder eingeführt wurden. Was hat das rückblickend gebracht? Wurde damit nicht die Unterteilung in nördlichen und südlichen Landkreis zementiert? Dreier: Als Flächenlandkreis ist es natürlich immer eine Herausforderung, alle zusammenzubringen. Aber ich denke, es ist uns trotzdem sehr gut gelungen. Die Regionalkennzeichen sind eine schöne Möglichkeit, die Zugehörigkeit zu den einzelnen Gebieten in unserem Landkreis ausdrücken zu können, sagen aber nichts über ein allgemeines Lebensgefühl aus. Der Landkreis Landshut boomt seit Jahren. Die Einwohnerzahlen steigen, die kommunale Infrastruktur versucht mit dem anhaltenden Wachstum einigermaßen Schritt zu halten, ohne übermäßig Schulden machen zu müssen. Kann und soll das so weitergehen? Dreier: Ich würde auf jeden Fall unterschreiben, dass wir stolz sein können auf die Entwicklung unseres Landkreises. Wir sind eine Boom-Region, es herrscht seit langem quasi Vollbeschäftigung. Die Menschen ziehen zu uns oder bleiben bei uns, weil sie hier eine Perspektive sehen, ihr Leben verbringen und eine Familie gründen wollen. Weil sie den Landkreis Landshut als ihre Heimat ansehen. So erfreulich das auch ist, mache ich mir natürlich Gedanken, wie lange diese Entwicklung noch weitergehen kann und wird – denn auch bei uns wird Bauland knapp, die Verkehrsinfrastruktur ist ausgelastet. Deshalb braucht es beispielsweise innovative Konzepte, um den ÖPNV voranzubringen – nicht nur in der klassischen Taktung, mit der wir womöglich leere Busse durch die Gegend fahren lassen müssen. Sondern intelligente Bedarfsverkehre, die die Bürger in ihrem Alltag unterstützen und auch sinnvoll sind. Die Zusammenarbeit mit der Stadt Landshut gestaltete sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht immer ganz reibungslos. Seit Ihrem Amtsantritt wurden gleich mehrere Gemeinschaftsprojekte wie der LAVV, das Regionalmanagement oder die Gesundheitsregion initiiert und umgesetzt. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus? Dreier: Insgesamt ziemlich gut. Schon zu Beginn meiner Amtszeit war es mir ein großes Anliegen, die früher doch deutlicher ausgeprägte „KirchturmPolitik“ abzulegen, um gemeinsam das Beste für unsere Region, für unsere Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Hier komme ich wieder auf die Synergieeffekte zu sprechen – denn es gibt viele Punkte, bei denen wir voneinander profitieren können und auch müssen. Denn es hätte nur wenig Sinn, zwei unterschiedliche Verkehrsverbünde zu etablieren, wenn man sich die gegenseitigen Schüler- und Pendlerströme ansieht: In weiten Bereichen sind die offiziellen Grenzen zwischen Stadt und Landkreis fließend, beispielsweise in Ergolding, Altdorf oder Kumhausen: Da merkt man es oftmals erst auf den zweiten Blick, auf welcher „Seite“ man sich gerade befindet. Die Zusammenarbeit mit der Stadt Landshut und Oberbürgermeister Alexander Putz ist, wie auch mit seinem Amtsvorgänger Hans Rampf, in vielen Bereichen sehr partnerschaftlich und kooperativ – das Regionalmanagement und die Gesundheitsregion plus, die Sie angesprochen haben, sind hervorragende Beispiele. Langfristig wird es hier aber noch weitere Felder geben, bei denen wir die Zusammenarbeit intensiveren wollen. Ich denke da an die medizinische Versorgung und das Kinderkrankenhaus. Was wäre aus Ihrer Sicht wichtig, um die Lebensqualität bei uns zu erhalten? Dreier: Unsere Gesellschaft und der Alltag der Menschen sind so komplex geworden, die Fahnen schreiben – vielmehr möchte ich eine Lanze für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Landratsamt und unsere Kreisrätinnen und Kreisräte brechen, die tagtäglich ihr Bestes geben, damit wir unseren Landkreis Landshut in eine gute Zukunft führen können. Was wollen Sie in der laufenden Amtsperiode bis 2026 (und darüber hinaus) noch bewegen? Was sind die aktuellen Themen des Landkreises? Dreier: Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben gezeigt, wie schnell unsere Welt „Kopf stehen“ kann, wie sehr die Dinge im Wandel sind. Eine Prognose für die Zukunft zu treffen, ist schwierig. Ich hoffe aber, dass wir unsere laufenden Projekte gut zu Ende führen können. Natürlich wollen wir noch einiges bewegen: So werden wir die angespannte Turnhallen-Situation in Ergolding bald angehen und auch die Generalsanierung des Sonderpädagogischen Förderzentrums Bonbruck und der Realschule Vilsbiburg sind bereits beschlossen. Wir können uns sicher sein – die Arbeit und auch die Herausforderungen werden uns nicht ausgehen. Aber wir können etwas bewegen – und das ist meine größte Motivation. Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wird der Landkreis in zehn Jahren zum 60. Geburtstag im Jahr 2032 aussehen? Welche Herausforderungen sehen Sie für das kommende Jahrzehnt? Dreier: Der Klimawandel und das allgemeine Bevölkerungswachstum werden sicherlich auch Auswirkungen auf den Landkreis Landshut haben. Auch die Digitalisierung wird noch eine Herausforderung, auch wenn sie uns enorm viele Chancen bietet. Ich bin mir sicher: Wir sind gut gerüstet, für das was kommt. Und wir können uns auf unsere Verwaltung, aber auch die vielen ehrenamtlichen und engagierten Bürgerinnen und Bürger verlassen. Ich denke, dass 2032 noch mehr Menschen den Landkreis Landshut als ihre Heimat ansehen werden – und ich hoffe, dass wir bis dahin auch den Brückenschlag über die Isar mit der B15neu geschaffen haben. Interview: Horst Müller auch durch eine steigende Mobilität und höheremWohlstand. Genau diesen Wohlstand wollen wir halten können, auch wenn die Wirtschaft wohl nicht immer so florieren wird. Ich denke, wir müssen unbedingt die Möglichkeiten nutzen, die uns die Digitalisierung bietet. Und wir müssen uns auf das besinnen, was unsere Gesellschaft so besonders macht: Solidarität, Gemeinschaft, Ehrenamt, Hilfsbereitschaft. Das ist für mich auch Lebensqualität, die uns niemand nehmen kann, wenn wir sie weiter so leben. Sie bestimmen seit acht Jahren die Geschicke des Landkreises Landshut. Welche Bilanz ziehen Sie? Dreier: 2014 haben mich die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Landshut zu ihrem Landrat gewählt und mich 2020 im Amt bestätigt, wofür ich immer noch sehr dankbar bin. In dieser Zeit haben wir einiges auf den Weg gebracht, andere Projekte durften wir bereits abschließen. Ich denke da beispielsweise an die Generalsanierung und Erweiterung des Maximilian von MontgelasGymnasiums in Vilsbiburg, den Bau zwei neuer Turnhallen in Vilsbiburg und Neufahrn und die Erweiterung des Sonderpädagogischen Förderzentrums in Bonbruck. Wir haben auch die Generalsanierung mit Erweiterung der Realschule Rottenburg auf den Weg gebracht, die Integrierte Leitstelle Landshut steht ebenfalls kurz vor der Fertigstellung, die Reststoffdeponie in Spitzlberg wird erweitert. Mit dem Beginn des Neubaus des neuen Landratsamtes in Essenbach haben wir einen Meilenstein in der Entwicklung unserer Verwaltung beschritten. Aber das sind nur einige Punkte aus dem Baubereich, die in diesen acht Jahren umgesetzt oder auf den Weg gebracht wurden: Mit der Gründung des Landshuter Verkehrsverbundes, der Einführung des Regionalmanagements, der Etablierung eines LEADER-Managements, die Einführung der Gesundheitsregion plus und die Gründung eines sehr erfolgreichen Ausbildungsverbundes in der Pflege sind viele Einrichtungen entstanden, von denen die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region profitieren können. Doch all diese Erfolge kann ich mir als Landrat nicht alleine auf Landrat Peter Dreier ist seit 2014 im Amt. Foto: Landratsamt Fünf Landräte in fünf Jahrzehnten Hans Geiselbrechtinger war der Vater des „Großlandkreises Landshut“ mit der bislang längsten Amtszeit 1972 bis 1985: Der „Vater des Großlandkreises Landshut“ war Hans Geiselbrechtinger (CSU). Der Landkreis neuen Zuschnitts war zwar nicht sein „Kind“, doch als erster Mann an der Spitze von Kreistag und Kreisverwaltung hat Geiselbrechtinger während seiner Amtszeit vom 1. Juli 1972 bis zu seinem plötzlichen Tod am 27. Juli 1985 grundlegende Entscheidungen getroffen, die maßgeblich zum Zusammenwachsen des neuen Landkreises beitrugen. Bereits in der ersten Amtsperiode wurden zahlreiche Projekte verwirklicht, die den Landkreis nachhaltig geprägt haben. In einem gemeinsamen Kraftakt wurde ein imposantes Bauprogramm gestemmt mit sechs Schulneubauten, dem Neubau des Kreiskrankenhauses Achdorf, der Errichtung der TÜV-Außenstellen in Rottenburg und Vilsbiburg und dem Umbau des alten Krankenhauses zum Landratsamt, das 20 verschiedene Dienststellen vereint hat. 1985 bis 1991: Geiselbrechtingers Nachfolger wurde der am 11. Mai 1925 geborene Ludwig Meyer (CSU). Er wurde im Jahr 1966 zum Bürgermeister von Prinkofen und zum stellvertretenden Landrat von Mallersdorf gewählt, ehe er 1970 hauptamtlicher Landrat wurde. Nach der Gebietsreform war er zunächst stellvertretender Landrat in Landshut. 1978 zog Ludwig Meyer in den Landtag ein, dem er bis zum 31. Dezember 1985 angehörte. Meyer starb am 3. August 1991. 1991 bis 2002: Vom 26. September 1991 bis 30. April 2002 stand Josef Neumeier (CSU; 1935 bis 2020) an der Spitze des Landkreises. Bevor er auf Kreisebene Karriere machte, hatte er sich viele Jahre in sei2002 bis 2014: Vom Landtag ins Landratsamt wechselte 2002 Josef Eppeneder. Der Vilsbiburger CSU-Politiker gehörte seit 1984 dem Kreistag an. Von 1990 bis zur vorzeitigen Mandatsabgabe 2002 hatte er Sitz und Stimme im Maximilianeum. Er zog zweimal über die Liste in den Landtag ein, 1998 gewann er das Direktmandat. 2002 wurde Eppeneder erstmals zum Landrat gewählt und 2008 im Amt bestätigt. Seit 2014: Mit Peter Dreier nahm erstmals ein Politiker der Freien Wähler auf dem Chefsessel im Landratsamt Platz. Der frühere Bürgermeister von Hohenthann (2002 bis 2014) setzte sich auch bei seiner Wiederwahl im ersten Wahlgang klar gegen ein halbes Dutzend Mitbewerber durch. (mü) ner Heimatgemeinde engagiert. 1966 wurde er in den Gemeinderat und zum zweiten Bürgermeister Altheims gewählt. Nach dem Zusammenschluss zur Gemeinde Essenbach wurde Josef Neumeier 1971 mit 36 Jahren Bürgermeister. 20 Jahre amtierte er als Gemeindeoberhaupt, ehe er Landrat wurde. Hans Geiselbrechtinger Ludwig Meyer Josef Neumeier Josef Eppeneder

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