43 42 Was sie dabei erlebten, kann sich meine Generation in Deutschland kaum vorstellen. Wir kennen das Leid vielleicht noch aus den Erzählungen unserer Großeltern. Doch diese Geschichten scheinen lange vergangen zu sein. Dachte ich. Seit einigen Wochen habe ich engeren Kontakt zu einer Flüchtlingsfamilie. Olha (43) und Pavlo (45) sind in Mariupol geboren, lebten in Kiew. Ihr Sohn Artem ist Autist, die kleine Asiia gehbehindert. Sie zu retten war der Grund für die Flucht. Pavlo durfte seine Familie nur wegen der besonderen Bedürfnisse seiner Kinder begleiten. Geschichte einer Flucht Am 24. Februar hängt die ganze Ukraine an ihren Handys, um die Nachrichten im Auge zu behalten. Die Anspannung ist groß. Pavlo will morgens seinen Wagen volltanken, bis 13 Uhr steht er in der Schlange. In Kiew warten viele Menschen vor Lebensmittelgeschäften, hoffen auf die Möglichkeit, sich zu versorgen. Sie können es noch immer nicht fassen, dass es im 21. Jahrhundert einen solchen Angriffskrieg geben kann. „Wir saßen mit dem Handy in der Wohnung und merkten, dass der Krieg immer gefährlicher wird“, erzählt Pavlo in seiner neuen Wohnung in Neuhofen. Er spricht teils englisch, teils deutsch. „Es war eine Nachrichtenflut, die über uns hereinbrach. Die russischen Truppen seien schon nahe“, berichtet er. Olha schaut ihn mit wachen Augen an und nickt immer wieder. Sie scheint das Erlebte selbst noch kaum glauben zu können. „Alle Ausgangsstraßen waren dicht.“ Pavlo wirkt aufgewühlt. Immer wieder R E D A K T I O N P A S S A U FOKUS müssen wir auch einen Online-Übersetzungsdienst bemühen, weil die Kommunikation nicht gelingt. Ob sich die Aufregung auch hier auswirkt? „Am 25. gab es dann den ersten Fliegeralarm.“ Pavlo lebte mit seiner Familie im 15. Stockwerk eines Hochhauses mitten in Kiew. Schnell eilten sie in den Keller. Der Bunker des Ortsteils war zu weit entfernt. „Dann schrieben unsere Verwandten aus Mariupol, dass wir im Bad oder im Flur bleiben sollten. Dort sei man sicherer falls eine Rakete das Haus trifft und die Scheiben gesprengt werden oder die Decke einstürzt.“ In Mariupol kennt man sich mit Kriegen aus. Am Abend des 25. Februar beschließen Olha und Pavlo, Kiew zu verlassen. Nachts können sie nicht fahren, weil Pavlo schlechte Augen hat. Wenn er am Handy einen Text zur Übersetzung eintippt, hält er sich das Gerät nahe vors Gesicht. „Alle sagten uns, wir müssten unbedingt in der Nacht fahren. Nur dann sind die Straßen frei“, seufzt Pavlo. „Es gab überall Staus.“ Dennoch entscheiden sie sich, bis zum Morgen zu warten. Die erste Nachricht, die sie am 26. Februar dann bekommen ist schockierend: Die Straße, die sie nutzen wollten, wurde in der Nacht bombardiert. Viele Flüchtlinge sind in dieser Nacht dort gestorben, wo auch sie beinahe gewesen wären. „Wir packten unsere Sachen, das Kaninchen und die Kinder“, lacht Olha. „Und dann fuhren wir los.“ Nach zehn Stunden Stop-and-Go kommen sie bei Freunden in Chmelnyzkyj in der Westukraine an. Unterwegs haben sie noch einen Unfall, können aber weiterfahren. Immer wieder donnern russische Kampfjets über sie hinweg. Sie müssen Umwege in Kauf nehmen, weil Brücken zerbombt sind. Bei den Freunden bleiben sie nur einen Tag, reparieren die Schäden am Wagen notdürftig und fahren dann weiter Richtung Rumänien. Eineinhalb Tage verbringen sie im Stau. „Viele Freiwillige halfen uns, brachten Essen, Getränke und Decken“, erzählt Pavlo weiter. Als sie es schließlich nach Rumänien in ein Hotel geschafft haben, das als Erstauffanglager dient, kommen sie erstmals zur Ruhe. „Wir waren schon als Urlauber in Europa. Aber jetzt waren wir nichts, hatten nichts, nur was wir am Leib trugen.“ Die Erzählung nimmt die beiden sichtlich mit. Auf dem Weg nach Deutschland Über mehrere Ecken bekommen sie dann Kontakt zu einer Familie in Thanndorf, die sie aufnehmen wollte. Sie kennen sie selbst nicht. Aber sie haAls russische Invasionstruppen das Nachbarland Ukraine überfielen, stand die Welt geschockt still. Viele Menschen in dem mittlerweile arg vom Krieg gebeutelten Land konnten sich diesen Stillstand jedoch nicht leisten. Sie flohen gerade noch rechtzeitig vor der russischen Übermacht. © Andreas Reichelt VON DER FLUCHT AUS DEM KRIEGSGEBIET 360˚ happy Die Werbe- und Digitalagentur idowapro macht rundum den Unterschied in der Region: Corporate Design, Webseiten, Onlineshops, Printwerbung, Fotografie, Video und SocialMedia – Alles aus einer Hand. Maßgeschneiderte Lösungen für einzigartige Ergebnisse, für das gewisse Etwas. Look at idowapro.de idowapro Agentur GmbH & Co. KG Landshut · Straubing · Cham info@idowapro.de
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