Kliniken und Fachärzte - August 2022

4 Kliniken & Fachärzte Einfach nur da sein und zuhören Krankenhausseelsorger begleiten Kranke, Sterbende und ihre Angehörigen – stiller Halt in persönlichen Krisenzeiten Viele von uns versuchen täglich, ihr Leben zu meistern. Sie dümpeln so vor sich hin, immer im Spagat zwischen Familie, Arbeit und Haushalt. Finanzielle Sorgen plagen uns, die Gesundheit wird oft ausgeblendet, Erholungsinseln sind selten geworden. Reißt uns dann ein Herzinfarkt, Krebs oder ein schwerer Unfall aus dem Alltäglichen, zwingt uns ein Aufenthalt in der Klinik, die Gedanken schweifen zu lassen und unser Leben zu reflektieren. Klinikseelsorger sind dann für uns da, damit wir nicht verzweifeln. Tränen des Glücks sind ein wunderbarer Ausdruck der Freude – manchmal auch der Erleichterung, weil etwas Schlimmes gut ausgegangen ist. Auch nach Jahren bewegt die Erinnerung an solche Momente unser Innerstes. Eben ein solcher ereignete sich 2008 am Klinikum rechts der Isar in München auf der orthopädischen Privatstation von Professor Gradinger. Er hatte eine neuartige Methode entwickelt, Knochentumore zu entfernen, ohne Gliedmaßen amputieren zu müssen. Dem Patienten am Nachbarbett wurde eben ein solcher entfernt. Er konnte sein Bein behalten und nach der Genesung weiter selbst am Steuer mit seiner Gattin im Camper in den Urlaub fahren. Als ihn der dortige Klinikseelsorger besucht hat, ist er in Tränen ausgebrochen, weil ihm die Ärzte einer anderen Klinik das Bein amputieren wollten. Der Geistliche saß an seinem Bett und hörte ihm zu. „Ich bin einfach da“ Den Patienten besuchen und einfach da sein, das sind die großen Aufgaben eines Klinikseelsorgers, sagt Pfarrer Herrmann Berger. Er bietet Patienten seit neun Jahren seine Dienste am Klinikum Sankt Elisabeth in Straubing an und beannehmen kann, kann ich unmöglich Gott und den Nächsten lieben.“ Angehörigen beistehen Doch nicht nur in der persönlichen Krise entflammt so manche Spiritualität neu. Auch bei der Sterbebegleitung spielt der religiöse Beistand eine wichtige Rolle – vor allem für die Angehörigen. Gemeinsam beten, segnen. Inmitten der Apparaturen, wenn das Beatmungsgerät abgeschaltet werden soll, das zählt bei Bergers Arbeit zu den intensivsten Erfahrungen. Wie wichtig der Beistand der Klinikseelsorge ist, zeigt sich auch im Nachhinein. „Danke, dass Sie damals da waren“, das hört Berger oft – von ehemaligen Patienten, Angehörigen und auch den Ärzten, Schwestern und Pflegern des Krankenhauses. Auch mit ihnen hat er zuweilen Begegnungen, auf der Station, am Gang oder beim Gottesdienst in der Kapelle. Auch für sie ist er immer ansprechbar. Der Klinikträger, die Barmherzigen Brüder, unterstützt die Arbeit der Seelsorge nach Kräften. Es gibt Handschmeichlerkreuze zum Festhalten für die Patienten, der Zutritt zur Kapelle ist barrierefrei, über einen Schalter lässt sich die schwere Kapellentür öffnen. „Das alles ist nicht selbstverständlich“, sagt Berger. Ein christlicher Träger sei offener für die Belange der Seelsorge, der christliche Geist im Haus sei ein anderer. „Dafür bin ich dankbar.“ Eine Hochzeit auf Palliativ Statt Taufen und Kommunion hat Berger es in seiner täglichen Arbeit meist mit Krankheit, Leiden und Tod zu tun. Trotzdem hat er den Schritt vom Gemeindepfarrer zum Klinikseelsorger nicht bereut. „Es sind andere Herausforderungen“, sagt er. „Und es macht nachdenklicher. Manches nimmt man mit.“ Psychohygiene ist wichtig. Dafür wird er aber auch mit besonderen Momenten belohnt. Besonders bewegend war für Pfarrer Berger eine Hochzeit auf der Palliativstation. Diese sollte eigentlich erst nach dem Aufenthalt der Patientin in der Klinik stattfinden, wenn sie medikamentös eingestellt ist. Ein mit dem Paar befreundeter indischer Priester hat die beiden kurzerhand in der Kapelle getraut, Berger durfte der Trauzeuge sein. Anschließend wurde mit Messwein auf der Palliativstation angestoßen. „Da bin ich sehr beschenkt worden“, sagt er und lacht. Berger lacht überhaupt sehr viel. Mit den Patienten, mit den Angehörigen, mit den Menschen. „Das ist ganz wichtig. Humor ist lebensbejahend. Und das Leben wird einem nicht immer leicht gemacht.“ Marina Jung elle Fragen auftauchen. Sinnfragen, Fragen nach Gott. Der Klassiker sei ein Patient in gehobener Leitungsposition mit viel Verantwortung und hohem Arbeitspensum. Dann der Herzinfarkt. „So aus heiterem Himmel werde ich mit meiner Begrenztheit, meiner Endlichkeit konfrontiert. Das ganze Fundament wird erschüttert, auf dem ich mein Leben aufgebaut habe“, sagt Berger. Was folgt, sei eine totale existenzielle Krise: „Wie geht es weiter? Ich muss mein Leben neu ordnen. Und wie war das? Habe ich meine Familie vernachlässigt?“ An dieser Stelle kann sich dann auch die Frage nach dem Glauben stellen. „Das sind keine zwei getrennten Welten. Wir müssen uns selbst annehmen mit unseren Begrenzungen in Bezug auf Alter, Krankheit und so weiter. Das spielt ins Religiöse mit hinein. Wenn ich mich selbst nicht und aufwärts, in der die Kirche noch sehr viel Macht hatte. Wo der Pfarrer sehr viel Macht hatte und als Autorität aufgetreten ist. Da gab es auch Verletzungen. Es ist wichtig, dass die Patienten auch davon erzählen dürfen.“ Er hört ihnen zu. Die Sehnsucht nach Sinn Bei Pfarrer Berger steht nicht immer der Glaube oder die Bibel im Vordergrund. Er „begegnet“ auch Nichtgläubigen oder Menschen, bei denen der Glaube etwa „durch Verletzungen verdeckt“ ist. Es gehe um das Menschsein, um seelische Bedürfnisse, um Sehnsucht und Sinnfragen: Das kann doch nicht alles sein? „Unser Hunger nach Leben ist größer als das, was uns das Leben bieten kann“, sagt Berger. In einer Krise öffnet sich ein Horizont, wo religiöse oder spiritutreut dort hauptsächlich die Palliativstation, die Intensivstation, die Onkologie, Urologie und Kardiologie. Keiner muss mit ihm sprechen. „Es ist ein Angebot“, sagt Berger. „Ich klopfe einfach an, stelle mich vor und schau, was passiert.“ Wie eine „Begegnung“, so nennt es Berger, verläuft, weiß er vorher nicht. Ebenso wenig informiert er sich vorab über die Krankengeschichte oder das Schicksal eines Patienten. „Nichtwissen ist mein Kapital. Ich schenke da Offenheit.“ Manche erzählen von ihrer Krankheit, davon, wie es derzeit konkret geht. Manche von ihrem Leben. „Besonders ältere Menschen schauen einfach zurück“, sagt Berger. Innere, seelische Verletzungen treten zutage, die zeitlebens unterdrückt wurden. „Es geht jetzt eine Generation von uns, so 80 Jahre Pfarrer Hermann Berger ist Krankenhausseelsorger am Klinikum Sankt Elisabeth in Straubing. Die Klinikkapelle ist Raum für ein Gebet. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Kerze für Kranke, Sterbende oder Verstorbene anzuzünden. Fotos: Marina Jung Die Ursachen für Magen-Darm-Probleme finden Hilfreicher Ratgeber und Diagnose-Wegweiser von Dr. med. Maximilian Ledochowski Immer wieder bekommt die Gesundheitsredaktion von den Verlagen Rezensionsexemplare diverser Gesundheitsratgeber zugesandt. „Ist es wirklich Reizdarm?“ von Dr. med. Maximilian Ledochowski ist der beste, den ich in den letzten Jahren gelesen habe. Im Untertitel heißt es „Der DiagnoseWegweiser: die verdeckten Ursachen für Ihre Beschwerde finden.“ Verdeckt heißt in diesem Fall meist auch „unbeachtet“, denn für den Autor bedeutet die Diagnose Reizdarm eigentlich nur das Eingeständnis des Arztes, die eigentliche Ursache der Probleme nicht zu kennen – und damit natürlich auch nicht gezielt zu behandeln: „In meinen Augen gibt es kein Reizdarmsyndrom, sondern nur unzureichend abgeklärte Darmbeschwerden.“ Bei der Diagnose „Reizdarm“ immer genauer nachforschen Dieser Ratgeber soll ein Leitfaden sein, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, mögliche Ursachen zu erkennen, die schen „Diagnostischen Ablauf“ anfangen. Die Liste schlägt eine aufeinander aufbauende Reihe von Maßnahmen vor, die man gemeinsam mit dem betreuenden Arzt bei „Reizdarmproblemen“ in Angriff nehmen sollte. Hat eine keine Klarheit gebracht, folgt die nächste Stufe. Am Ende der Maßnahmenkette steht die „Überweisung an spezialisierte Klinik oder Ambulanz für seltene Erkrankungen“. Zum Abschluss bietet der Arzt einen Überblick über mögliche medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapiemethoden. Darunter eine Maßnahmenliste, die man zunächst daheim selbst ausprobieren kann, bevor man mit seinen Problemen zum Arzt geht. Da das Thema sehr komplex ist und Ledochowski durchaus auch mal in die Tiefe geht, kann man sich die Lektüre in Häppchen aufteilen. Danach ist man auf jeden Fall gut gerüstet für den Besuch beim Gastroenterologen oder Hausarzt, wenn die Magen-Darm-Probleme nicht schon durch die „Maßnahmen zum selbst Ausprobieren“ verschwunden sind. Ulrike Kühne telindustrie und der Politik ins Gericht. Auch die vorherrschenden Leitlinien gesunder Ernährung bekommen ihr Fett weg: „Wer sich mit vielen Hülsenfrüchten, Kohl, Schnittlauch, Zwiebeln und Knoblauch ernährt, dazu noch nach den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 5-mal täglich Obst und Gemüse und 30 g Ballaststoffe isst, darf sich nicht wundern, wenn früher oder später die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt wird. So eine Ernährung hält auf Dauer fast kein Verdauungstrakt aus.“ Ganz konkret wird Ledochowski im Kapitel „Typische Symptome und ihre Deutung“. Er beschreibt zum Beispiel – sogar mit Grafik – wie gesunder Stuhl aussehen sollte, was es bedeuten kann, wenn es nach dem Toilettengang extrem stinkt und warum der Darm hinter Schlafstörungen stecken kann. Der Mediziner stellt verschiedene Untersuchungsmethoden vor und erklärt jeweils, warum sie sinnvoll sind oder eher nicht weiterhelfen. Wer keine Zeit oder Lust hat, das gesamte Buch zu lesen, kann es auch auf S. 65 aufschlagen und mit einem exemplarichische Probleme. Dabei geht der Universitätsdozent hart mit der Lebensmitrichtigen Ärzte zu finden und bei ihnen gezielt die richtigen Untersuchungen einzufordern. Trotzdem, betont der Internist und Ernährungsmediziner, „sollten Sie sich nie alleine therapieren“, sondern „immer gemeinsam mit dem Arzt ihres Vertrauens“. Als Grundlage werden im ersten Teil die Funktion des Verdauungssystems gut erklärt und mögliche Störungen erläutert. Er beschreibt anschaulich und bietet etliche „Aha-Effekte“. Wussten Sie etwa, dass sich die Darmschleimhaut innerhalb von drei bis fünf Tagen vollständig erneuert? Oder dass man aus gastroenterologischer Sicht die Zähne VOR dem Essen putzen sollte? Ursachen beheben statt Symptome bekämpfen In zehn Kapiteln widmet sich Ledochowski anschließend ausführlich möglichen Ursachen von Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen und Blähungen. Das sind zum Beispiel Allergien, Unverträglichkeiten, Infekte, Zyklusstörungen bei Frauen, Medikamente oder psyDr. Maximilian Ledochowski: Ist es wirklich Reizdarm? Trias-Verlag, 2022 / 19,99 Euro

RkJQdWJsaXNoZXIy MTYzMjU=