Wandern 09.09.2022

4 Wander-Special Wandern auf den Pfaden der Schmuggler Auf der Ruta del Contraban im Tramuntana-Gebirge entdecken Reisende das ursprüngliche Mallorca Zwei Mönchsgeier ziehen am schleierverhangenen Himmel ihre Kreise. Es ist früher Morgen im Torrent de Pareis. Ein Sturzbach, der das ganze Jahr über Wasser führt, hat über Jahrtausende diese Felsschlucht ins TramuntanaGebirge an der Nordwestküste Mallorcas gegraben. Über 3,3 Kilometer hat sich das Wasser seinen Weg durch die Karstfelsen gesucht. Sein Ziel: die Bucht von Sa Calobra und damit der Weg ins Mittelmeer. Spricht man heute mit Mallorquinern, bezeichnen die meisten die Tour durch den Torrent de Pareis als die außergewöhnlichste Wanderung Mallorcas. Der gebürtige Sachse Henrik Uhlemann lebt seit 2005 auf der Baleareninsel und hat als Wanderguide schon viele Einheimische und Touristen durch die Schlucht geführt – allerdings dann in entgegengesetzter Richtung vom Meer ins Landesinnere. Schmuggler trugen bis zu 70 Kilo schwere Pakete 2020 haben Uhlemann und sein Kollege Egon Kohler die 65 Kilometer lange Trekkingroute „Ruta del Contraban“ entlang der Nordküste kartographiert und erschlossen. Ihre Intension: Wanderer begehen heute dieselben versteckten Pfade, die Mallorcas Schmuggler ab dem 17. Jahrhundert nutzten, um ihre Waren auf der Insel zu verteilen. Tabak, Kaffee, Alkohol, Seide, Nylonstrümpfe, Penizillin – die Bandbreite der Schmuggelware war riesig. „Der Schmuggel ist inzwischen passé. Geblieben sind die verklärten Geschichten von Abenteuer und Romantik, die man sich heute noch erzählt“, sagt Uhlemann. „Und die zugewucherten Pfade, die wir für die Ruta del Contraban wieder begehbar gemacht haben.“ Sobald auf der Insel bekannt wurde, dass ein Schiff mit Schmuggelware anlandete, hörte man bis in die 1960er Jahre in den Dörfern das Raunen: „Heute gibt es wieder eine Party, Jungs!“ Nachts machten sich die sogenannten Träger zu Buchten wie der Sa Calobra auf, in der die Boote erwartet wurden. Mit Paketen von bis zu 70 Kilogramm auf dem Rücken schwankten sie im Schutz der Dunkelheit fernab der Zivilisation durch die kargen Berge. Das Schmuggelgut versteckten sie in Höhlen, Felsspalten und tiefen Löchern, die sie zum Teil selbst in den harten Stein schlugen. Später holten sie ihre Waren wieder ab und brachten sie zum Weiterverkauf in die Läden und Bars im Landesinneren. Schmuggler missachteten Regeln, überschritten Grenzen und hatten scheinbar alle Freiheiten dieser Welt. Und so war es tatsächlich: Der Schwarzmarkthandel wurde auf Mallorca lange Zeit totgeschwiegen und damit toleriert. Auch angesehene Mallorquiner beteiligten sich an diesem illegalen Broterwerb. Besonders in der Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg und dem Zweiten Weltkrieg als selbst Grundnahrungsmittel wie Öl, Zucker, Reis und Brot auf der Insel knapp wurden, florierte der Schwarzmarkt. An diesem Spätsommermorgen im Torrent de Pareis ist die Vergangenheit der Mallorquiner weit weg. Uhlemann führt seine Reisegruppe auf sandigem Boden entlang der bis zu 200 Meter hoch aufragenden Felswände. Drei ZieWanderguide Henrik Uhlemann folgt dem Schmugglerpfad entlang der Küste zur Halbinsel Sa Foradada - früher eine beliebte Anlegestelle der Schmuggler. Fotos: ASI Reisen Im Torrent de Pareis versperren riesige Felsblöcke den Weg.

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