weit entfernt war von dem, was man von jeher und erst recht heute mit Recht und Gerechtigkeit verbindet. Mit den Worten des Rechtshistorikers Uwe Wesel: Römisches Recht „war das Recht der Besitzenden untereinander. Mit den anderen machte man kurzen Prozess, außerhalb des Rechts“. Es war ein unglaublich hartes „Recht“. Die Sprache verrät es. Der juristische Begriff Obligation (Verpflichtung eines Schuldners) leitet sich ab von lateinisch „ligare“, binden/festbinden. Das war einst wörtlich gemeint. Konnte ein Schuldner nicht zahlen, wurde er in Fesseln gelegt und nach gewissen Fristen „über den Tiber“ in die Sklaverei verkauft. Es ist bezeichnend, dass diese Schuldknechtschaft genannte Vollstreckungsmethode in Athen schon um 600 vor Christus abgeschafft worden ist. In Rom gab es sie bis ins erste Jahrhundert vor Christus. Viele Juristen des 19. Jahrhunderts, an dessen Ende in Deutschland der Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stand, begeisterten sich ungeachtet solcher Irrwege der Geschichte, aus denen man hätte lernen können, so sehr für das römische Recht, dass sie auch die unsozialsten Vorschriften übernehmen wollten. Auch der in vieler Hinsicht sicher verdienstvolle Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny (1779 bis 1861), ein Aristokrat, war da keine Ausnahme. Es war Savigny, in den Jahren 1808/1809 Professor für römisches Zivilrecht an der Universität Landshut (1800 bis 1826), der dem römischen Recht in Deutschland zum vollen Durchbruch verhalf. Kauf eines Hauses machte alle Mietverträge nichtig Nur ein paar „Tropfen socialen Öls“ (der Rechtshistoriker Otto von Gierke) flossen im Jahr 1900 ins BGB. Die Väter des BGB wollten – im 19. Jahrhundert mit seinem ganzen sozialen Elend (!) – eigentlich den römischen Grundsatz „Kauf bricht Miete“ übernehmen, der den völlig unsozialen Charakter des römischen Rechts widerspiegelt: Kaufte ein alter Römer eine „Insula“, einen Wohnblock, waren alle Mietverträge nichtig, alle Mieter schutzlos. Nach heftigen Protesten wurde wenigstens hier der aus altem deutschem Recht stammende Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ aufgenommen. Die Unmenschlichkeit des römischen Rechts wird besonders bei der juristischen Behandlung der Sklaven deutlich, die einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung des Römerreichs ausmachten. Waren in Rechtssystemen des Alten Orients und Griechenlands Sklaven juristisch wenigstens noch „als halbe Menschen“ (Uwe Wesel) qualifiziert worden, wurden Sklaven bei den Römern dem Vieh gleichgestellt, juristisch als Sachen definiert, eine Verletzung eines Sklaven somit als Sachbeschädigung behandelt. 56 | Stadtgeschichte Das heutige Hauptgebäude der Regierung von Niederbayern war von 1800 bis 1826 Sitz der juristischen Fakultät der Universität Landshut, an der Friedrich Carl von Savigny römisches Zivilrecht lehrte. Beim Römerkastell von Künzing (Kreis Deggendorf) sind die Relikte des einzigen Amphitheaters in Niederbayern entdeckt worden; im Bild eine Rekonstruktion der Arena. Fotos: © Elmar Stöttner
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