Perspektiven September 2022

Ausbildungsheld mit Migrationsgeschichte Fares Mahmoud kam vor sieben Jahren von Syrien nach Deutschland und wurde nun für seinen hervorragenden Abschluss der Berufsschule ausgezeichnet. Zettisch. Er ist 33, kam vor sieben Jahren von Syrien nach Deutschland und wurde nun vom niederbayerischen Regierungspräsidenten Rainer Haselbeck für seinen hervorragenden Berufsschulabschluss ausgezeichnet: Die Rede ist von Fares Mahmoud, bis vor Kurzem noch Hotelfach-Azubi im Baby & Kinder Bio-Resort ULRICHSHOF. „Es war einer der schönsten und emotionalsten Momente in meinem Leben, als mir inmitten des Publikums das Zeugnis vom Schuldirektor Xaver Dietrich überreicht wurde und ich merkte, dass ich mich nicht geirrt habe und dass ich alles erreichen kann, was ich will“, berichtet Fares sichtlich gerührt. Wagemut und Wissensdurst Nach dem Abitur in seinem Heimatland und einem dreijährigen Studium der englischen Literatur kam Fares im September 2015 nach Deutschland. „Der in Syrien herrschende Krieg war natürlich Ursache zur Flucht“, erklärt er, „aber der wahre Beweggrund für dieses Abenteuer war mein Glaube. Denn ich glaube, dass das Leben eine Reise ist und man auch reisen muss. Unterwegs gibt es viele Stationen, wo man leben, lieben, lernen und arbeiten kann. Ich habe mir Deutschland als erste Station ausgesucht, wegen des Glaubens an den Menschen und die menschlichen Werte – und natürlich wegen des leckeren Bieres“, grinst Fares breit. Nach verschiedenen Deutschkursen und einem Integrationskurs begann er im September 2019 eine Berufsausbildung als Hotelfachmann im Baby & Kinder Bio-Resort ULRICHSHOF. Julia Zitzelsberger von der Personalabteilung war sofort von Fares begeistert: „Mir ist gleich seine aufgeschlossene, zuvorkommende und fröhliche Art aufgefallen. Wegen der Sprachbarriere hatte ich überhaupt keine Bedenken, da Fares schon gute Deutschkenntnisse hatte und auch sehr lernwillig war.“ Denn auf eins legt die erfahrene Personalerin bei Neueinstellungen ganz besonderen Wert: „Jeder sollte sich für den Beruf entscheiden, für den er brennt. Um das rauszufinden ist es hilfreich, vorher ein Praktikum zu machen. Und dann sollte man einfach nur auf sich hören und die Ausbildung machen – egal wie alt man ist.“ Für Fares spielte sein Alter nahezu keine Rolle. „An meinem ersten Schultag habe ich mich nach der Vorstellungsrunde kurz als Außenseiter gefühlt, denn ich war damals 30 und die andern waren teilweise nur halb so alt. Da ist mir bewusst geworden, dass ich zusätzlich zum normalen Lernen für die Schule auch noch lernen muss, eine Verbindung zwischen mir und den Mitschülern aus einer anderen Generation, Sprache und Kultur herzustellen. Zum Glück ist es mir gelungen, und nach einer Weile haben sich tiefe Freundschaften entwickelt. Wir haben zusammen gelernt und gefeiert. Und wenn mal jemand einen Erwachsenen brauchte, um über ein wichtiges Thema zu sprechen, dann sprachen sie mit mir. Ich glaube, ich war nicht nur der älteste Schüler der Klasse, sondern der gesamten Schule“, lacht Fares. In den drei Jahren der Ausbildung durchlief Fares alle Abteilungen im ULRICHSHOF: „Ich habe am Empfang, im Restaurant und im Housekeeping gearbeitet und nicht nur sehr viel gelernt, sondern jeder Bereich hat mir auch richtig viel Spaß gemacht. Das Hotel bietet eine hervorragende Möglichkeit, mit verschiedenen Gästen aus unterschiedlichen Kulturen zu arbeiten. Es kommt garantiert keine Langeweile auf, weil jeder Tag und jeder Gast etwas Neues und Besonderes ist. Meiner Meinung nach ist ein Beruf in der Hotelbranche die beste Wahl, wenn man später mal im Ausland arbeiten möchte.“ Erfolgreicher Abschluss aller vier ULRICHSHOF-Azubis Dieser Meinung sind auch die drei weiteren ULRICHSHO F - Ho t e l f a c h - A z u b i s Rebekka Haller, Christian Rem und Marco Alfano, die zusammen mit Fares ebenfalls ihre Ausbildung erfolgreich bestanden haben. ULRICHSHOF-Juniorchef und DEHOGA Bayern Ausbildungsbotschafter Nikolaus Brandl ist stolz auf seine Schützlinge: „Wir sind sehr zufrieden mit den Zeugnissen unserer Azubis, sodass wir jedem ein Angebot zur Übernahme gemacht haben. Erfreulicherweise haben es alle vier angenommen“, so Nikolaus Brandl. „Wir haben gesehen, dass wir immer mehr Bedarf an wirklich kompetenten Fachkräften haben. Als Ausbildungsbetrieb ist man natürlich froh, wenn man die Möglichkeit hat, alle Azubis zu übernehmen.“ Für einen Ausbildungsbeginn in 2023 sind im ULRICHSHOF aktuell noch Plätze verfügbar. „Ich möchte zukünftigen Azubis mit auf den Weg geben, dass mit der Neuerung der Ausbildungsordnung in der Gastronomie und Hotellerie die Ausbildungsberufe noch mal stark an Attraktivität zugenommen haben. Mit der überarbeiteten Ausbildung der „Kaufleute für Hotelmanagement“ haben wir jetzt einen Ausbildungsberuf im Portfolio, der auch für das mittlere Management wichtige Inhalte vermittelt. Und auch die anderen Berufe haben in Sachen Digitalisierung und Nachhaltigkeit stark an Qualität gewonnen.“ Drei Hotelfachmänner und eine Hotelfachfrau haben im Juli ihre Ausbildung erfolgreich beendet (v. l.): Christian Rem, Fares Mahmoud, Rebekka Haller und Marco Alfano (Bilder: © Baby & Kinder Bio-Resort ULRICHSHOF) Freude am Lernen: Parallel zur Ausbildung hat Fares am Kurs „Internationales Hotelmanagement“ der IHK Passau in Kooperation mit der Hotelberufsschule Viechtach teilgenommen. ANZE I GE „Das ist die Zukunft“ Seit einem Jahr bietet die Berufsschule 1 in Landshut die Ausbildung zum Eisenbahner an Einmal eine Lok steuern, ist für viele ein Wunsch, der auch nach der Kindheit noch lange anhält. Der Wunsch könnte leicht Wirklichkeit werden. Denn die Bahn sucht nicht erst seit dem 9-EuroTicket dringend nach Nachwuchs. Aber nicht nur für den Beruf Lokführer bietet sie Ausbildungsplätze an, sondern auch für den „Eisenbahner in der Zugsteuerung“, besser bekannt als Fahrdienstleiter. Seit letztem Jahr können Azubis aus der Region dazu die Berufsschule 1 in Landshut besuchen. Azubis und Lehrer sind begeistert. Mathias Staniczek (22) aus Plattling zum Beispiel macht die Ausbildung zum Eisenbahner in der Zugsteuerung und war froh, dass er nicht in die Berufsschule nach Nürnberg musste. Da hätte er nämlich dann eine Wohnung finden oder in ein Wohnheim gehen müssen. Jetzt, da es die Ausbildung in Landshut gibt, kann er pendeln. Sein Stammstellwerk für die praktische Ausbildung ist in Dingolfing, aber er kommt auch zu anderen Stellwerken. „Jeden Tag kann etwas anderes passieren“ Staniczek kam nach dem Abitur auf dem Umweg über die Universität, wo er zunächst den Studiengang Deutsch-Polnische Studien absolvierte, zu seinem Ausbildungsplatz. „Ich wollte dann doch einen zukunftssicheren Beruf“, erzählt er. Und da sein Vater Lokführer war, interessierte er sich dann für eine Ausbildung bei der Bahn. Eine Entscheidung, die er nach dem ersten Lehrjahr alles andere als bereut hat: „Es ist überhaupt nicht eintönig“, schwärmt er. „Jeden Tag kann etwas anderes passieren.“ Fahrdienstleiter stellen Weichen und Signale ein, sichern Bahnübergänge, regeln Zugfolgen und legen Fahrwege fest. Da heißt es, den Überblick bewahren und immer in Kontakt zu den Lokführern stehen. Besonders gefällt Staniczek das triale Ausbildungssystem: die Praxis im Stellwerk, der Blockunterricht in der Berufsschule und die Seminare bei „DB Training“. Da sei man immer gemeinsam mit dem ganzen Trupp aus der Berufsschule, im ersten Schuljahr noch gemeinsam mit den Lokführern. „Wir verstehen uns alle sehr gut“, sagt er. Von der kollegialen Atmosphäre bei der Bahn ist auch Christina Dalhof begeisVierer-Gruppe die ganze Ausbildung gemeinsam machen: im Ausbildungszentrum, in der Berufsschule und in den Seminaren. „Wir sind alle auch privat miteinander befreundet“. Sie durften auch schon mal selber eine Diesellok fahren, in Begleitung der Ausbilder natürlich. „Das hat schon was“, meint er. Auf jeden Fall könne er sich für sich „keine bessere Ausbildung vorstellen“. Intensives Fahrtraining ab dem zweiten Lehrjahr Ab dem zweiten Ausbildungsjahr geht es jetzt richtig los: Da wird das Steuern der Lok mit intensivem Fahrtraining geübt. Am Ende der Ausbildung steht dann der Führerschein für den bestimmten Typ der Lok. Denn eine Diesellok funktioniert natürlich anders als eine E-Lok. Und bald will die Bahn auch Wasserstoff-Loks einsetzen, weiß Christina Dalhof. Wie überhaupt alles bei der Bahn ausgebaut werden soll, schon würden alte Gleise reaktiviert. Deshalb, so ihr Urteil, sollten sich junge Schulabgänger einfach trauen, bei der Bahn nachzufragen. Denn nicht nur ein Job bei der Bahn habe Zukunft, glaubt sie: „Die Bahn ist die Zukunft.“ Petra Scheiblich i Informieren und bewerben kann man sich bei der Deutschen Bahn unter karriere.deutschebahn.com. sei auch, dass Fahrdienstleiter und Lokführer in ständigem Kontakt miteinander stünden. Insofern sei es gut, dass sie in Klasse 10 der Berufsschule noch gemeinsam unterrichtet werden. Das sieht auch Marcel Beer (20) so, der gerade das erste Ausbildungsjahr als Lokführer abgeschlossen hat. „Es ist gut, dass man auch die andere Seite sieht“, sagt er. Er wohnt in Hart an der Alz und fährt über Mühldorf in die Berufsschule. „Nach München, das wäre kompliziert gewesen“, meint er. So sei es aber ganz praktisch, denn sein Ausbildungszentrum ist in Mühldorf, der Bahnhof davon nur zwei Straßen entfernt. Beer hat sich „aus dem Nichts“ für die Ausbildung entschieden. Als er nach dem Realschulabschluss noch nicht wusste, wohin es gehen soll, hat ihm eine Nachbarin, selbst Lokführerin, von der Arbeit bei der Bahn erzählt, „und das fand ich eigentlich recht cool“. Vor allem gefällt es ihm, dass sie als kleine bahn. Man sei in ständigem Austausch und werde von den Fachleuten auch im Unterricht unterstützt. So stand im letzten Schuljahr ein Fahrdienstleiter an zwei Tagen in der Woche zur Verfügung, im nächsten Jahr, wo gleich zwei neue Klassen beginnen, werden ein weiterer Fahrdienstleiter und ein Lokführer ihr Wissen aus der Praxis in Landshut vermitteln. Was braucht man nun, wenn man im Dienste der Eisenbahn arbeiten will? „Auf jeden Fall Konzentration und Verantwortung“, sagt Christina Dalhof. Natürlich litten auch die Mitarbeiter der Bahn darunter, wenn ständig über die Verspätungen und andere Störungen gelästert würde. „Aber Sicherheit geht immer vor“, sagt sie. Das müsse auch den jungen Lokführern schon bewusst sein. „Natürlich fahren die, was geht, wenn nötig. Aber immer auf Nummer sicher.“ Und dazu auch noch möglichst umweltschonend und energiesparend. Wichtig tert. Als Lehrerin in der Berufsschule musste sie mit ihren Kollegen nämlich selbst erstmal an diversen Schulungen bei der Deutschen Bahn teilnehmen, als die Eisenbahner vergangenes Jahr nach Landshut kamen. Denn was sie hier für den Unterricht brauchen, „das lernt man nicht an der Uni“. Auch jetzt in den Sommerferien hat sie wieder ein Seminar gemacht. Einmal durfte sie auch schon in einer Lok mitfahren, erzählt sie. Was sie nicht vergessen wird: „Wenn so eine Diesellok anfährt, kann man sich als technikinteressierter Mensch ein Lächeln nicht verkneifen.“ Neue Klassen, neue Lehrer „Wir sind positiv überrascht gewesen, wie gut die Ausbildungsbetriebe mit uns kooperieren“, sagt Dalhof. Die Ausbildungsbetriebe, die da wären: DB Cargo, DB Netz und DB Regio SüdostbayernEine Diesellok vermittelt ein ganz eigenes Fahrgefühl. Meist wird sie im Güterverkehr eingesetzt. Foto: Soeren Stache/dpa Mathias Staniczek Foto: privat 13 PERSPEKTIVEN

RkJQdWJsaXNoZXIy MTYzMjU=