Perspektiven September 2022

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Olivia Voit (24) aus Dingolfing belegte schon in der Realschule den Wirtschaftszweig und entschied sich dann zunächst dafür, internationale Wirtschaft an der Fachoberschule zu lernen. Spätestens beim Praktikum in einem großen Konzern, wo sie sieben Stunden am Tag im Lager am Computer saß, stellte sich ihr die Sinnfrage: Wollte sie wirklich einen Job, bei dem der Kontakt zu Menschen eher rar ist? Denn eigentlich hatte sie doch auch eine soziale Ader und liebte den Kontakt zu Menschen. Da bekam sie den Tipp, etwas ganz anderes zu probieren: eine Ausbildung zur Förderlehrerin am Staatsinstitut in Freising. Das war durchaus eine gewichtige Entscheidung, denn die Schule allein dauert drei Jahre, immer wieder durch Praktika unterbrochen, danach folgt eine Abschlussprüfung. Wenn man die besteht, macht man zwei Jahre an einer Schule ein Referendariat, bei dem man schon richtig arbeitet, begleitet von einem Seminar. Und ganz am Ende folgt die Förderlehrerprüfung II. Also fünf Jahre insgesamt. „Man weiß aber schon nach dem ersten Praktikum im ersten Halbjahr, ob man bleibe lieber länger in der Schule und erledige dort alles. Die ganze Anstrengung aber ist es für sie ohnehin wert: „Die Kinder geben einem viel mehr zurück, als man an Arbeit reinsteckt“, sagt sie. Es gebe unzählige Momente, die sie richtig glücklich machten. „Da komme ich morgens in die Schule, und die Kinder begrüßen einen total herzlich“, erzählt sie. Oder wenn die Lehrerin im regulären Unterricht fragt, wer Schwierigkeiten hat, und dann alle die Hand heben, weil sie unbedingt in ihre Fördergruppe kommen wollen. All das zeige ihr jeden Tag, wie sinnvoll ihre Arbeit ist: „Die Kinder brauchen einen.“ Nicht alle kann Kinder man retten Aber es gibt Grenzen, fügt sie nachdenklich hinzu. Viele Schüler, gerade in der Mittelschule, hätten schon einiges an Schicksalsschlägen erlebt oder kämen aus schwierigen Verhältnissen. Trotzdem oder gerade deswegen möchte sie lieber an einer Schule in einem sozialen Brennpunkt arbeiten, als in einer kleinen Landschule. Und bedenkt dabei aber auch die Kehrseite: So wichtig die Lehrer auch sind, sagt sie, und soviel sie ausrichten könnten – „es muss einem auch immer klar sein, dass man nicht alle Kinder retten kann“. Petra Scheiblich i Beim Staatsinstitut in Freising kann man sich bis zum 15. Dezember bewerben, der Eignungstest findet dann im Januar oder Februar für das nächste Schuljahr statt. Um angenommen zu werden, muss man mindestens 16 Jahre alt sein und einen mittleren Schulabschluss haben. Weitere Infos unter www.foerderlehrer-freising.de pro Woche Seminar und die Vorbereitung. Außerdem hospitiert sie viel in verschiedenen Klassen. Das Anstrengendste aber, sagt sie, ist die ganze Dokumentation im Referendariat. Die angehenden Lehrerinnen müssen nämlich jede kleine Unterrichtssequenz und jede Stunde, die sie unterrichten, verschriftlichen und das im Seminar präsentieren. So würden sie lernen, bei der Unterrichtsvorbereitung schneller und routinierter zu werden. Durchaus sinnvoll, wenn nach der Ausbildung in der Woche 28 Stunden Unterricht gegeben werden müssen. Apropos Vorbereitung: „Da gibt es eigentlich kein Maß. Man kann jede Stunde endlos vorbereiten“, sagt Olivia. Deshalb sei auch „Selfcare“ wichtig. Sie habe zum Beispiel Probleme damit, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Sie „Um nichts in der Welt würde ich diesen Beruf wieder aufgeben“. Und sie ist auch lieber Förderlehrerin als eine reguläre Lehrkraft. Der Grund: Man unterrichtet in kleinen Gruppen und kann denen helfen, die es wirklich brauchen. „Es gibt Kinder“, erzählt sie, „die funktionieren in der Klasse überhaupt nicht mehr. Aber bei mir sind sie dann plötzlich super.“ Bei der Arbeit in Gruppen – im Schnitt unterrichtet sie etwa sechs Schüler zusammen – „kann man eine echte Bezugsperson werden und wirklich etwas erreichen“. Den Schülern werde bald klar, „dass es bei mir nicht um Noten geht, sondern nur darum, ihnen zu helfen“. Im ersten Jahr hatte Olivia zehn Wochenstunden eigenverantwortlichen Unterricht, im zweiten Jahr werden es 14 Stunden sein. Dazu kommt ein Tag für den Job geschaffen ist oder nicht“, meint Olivia. Ein Vorteil bei der langen Ausbildungszeit, wobei es für die ersten drei Jahre, die man in der Schule verbringt, so gut wie keine Unterstützung – außer etwas Schülerbafög – gibt. Und da dafür in Bayern nur zwei Schulen existieren, eben eine in Freising und eine weitere in Bayreuth, haben viele weite Wege oder müssen sogar umziehen. Dazu kommen die zahlreichen Praktika an Schulen, die wiederum in anderen Städten sein können. „Eigentlich kann man das ohne Unterstützung durch die Eltern gar nicht machen“, sagt Olivia. Sie pendelte, zunächst nach Freising, jetzt zu ihrer Referendariatsschule nach Eggenfelden. Erst im Referendariat bekommt man dann ein reguläres Ausbildungsgehalt von gut 1300 Euro monatlich. Sie fühlte sich am Staatsinstitut aber sofort wohl. Schon beim Vorstellungsgespräch, das zu einer Eignungsprüfung gehört, empfand sie die Atmosphäre als familiär. „Ich hatte nicht das Gefühl, ich müsste die Beste sein oder super Schulnoten haben“, erzählt sie. „Die wollten einfach nur die richtigen Leute für unser Schulsystem finden.“ In Praktika lernt man viel über das Schulleben Aber am schönsten fand sie, dass man bereits in den ersten drei Jahren so viele Praktika macht: „Da lernst du das Schulleben richtig kennen.“ Und mit diesen Praxiserfahrungen ist es dann auch viel leichter, sich den theoretischen Stoff im Unterricht anzueignen. „Ich habe schon immer viel gelernt“, erzählt sie, „aber Pädagogik und Psychologie sind halt auch interessant.“ Inzwischen hat sie ein Jahr ihres Referendariats bereits hinter sich. Ihr Fazit: Ihren Job als Förderlehrerin möchte sie gegen keinen anderen eintauschen: Olivia Voit. Foto: Petra Scheiblich 5 PERSPEKTIVEN

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