12 ABENDZEITUNG SAMSTAG/SONNTAG, 29./30. 10. 2022 WWW.ABENDZEITUNG.DE POLITIK Der Zeitplan der EU gegenAbgaseauf den Straßen POLITIK kompakt ● ▲ Moskau: Cherson ist geräumt MOSKAURussland hat nach Angaben eines von Moskau eingesetzten Beamten die Region Cherson in der Ukraine geräumt und alle Zivilisten in russisch kontrolliertes Gebiet gebracht. Die Arbeit, die Bewohner von der rechten Seite des Flusses Dnipro wegzubringen, sei „abgeschlossen“, schrieb der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der Halbinsel Krim, Sergej Aksjonow, imOnlinedienst Telegram. Die ukrainische Armee erklärte am Freitag hingegen, Moskaus „sogenannte Evakuierung“ gehe weiter. Die pro-russischen Behörden hatten kürzlich die Bewohner der Region Cherson aufgefordert, auf die linke Seite des Flusses Dnipro überzusetzen. ● ▲ Italiens Rückkehr zur Normalität ROMIn Italien könnten bald die letzten noch verbliebenen Corona-Maßnahmen aufgehoben werden. Der neue Gesundheitsminister Orazio Schillaci kündigte am Freitag Maßnahmen „zur schrittweisen Rückkehr zur Normalität“ an, wie es in einer Mitteilung hieß. Der parteilose Ressortchef will demnach Ärzte und andere Mitarbeiter im Sanitätswesen, die sich nicht impfen lassen und deshalb noch suspendiert sind, wieder zur Arbeit kommen lassen. Eigentlich hätten die aktuellen Regelungen und das Arbeitsverbot für Impfverweigerer bis Ende Dezember gegolten. ● ▲ Paul Pelosi mit Hammer verletzt SAN FRANCISODer Ehemann der prominenten US-Politikerin Nancy Pelosi ist imWohnhaus des Paares überfallen und mit Hammerschlägen verletzt worden. US-Medienberichten zufolge war es eine gezielte Attacke. Der Angreifer habe in der Nacht zum Freitag mehrfach „Wo ist Nancy?“ gerufen, schrieben New York Times und Washington Post. Paul Pelosi (82) sei imKrankenhaus und werde sich voraussichtlich vollständig erholen, teilte ein Sprecher mit. Die von Leibwächtern geschützte Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses war zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in der Stadt. ● ▲ Dürre in Äthiopien spitzt sich zu GENF/ADDIS ABEBADie Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einer humanitärenKrise in Äthiopien. Mittlerweile seien mehr als 13 Millionen Menschen im Norden des Landes am Horn von Afrika auf Hilfe angewiesen, sagte Altaf Musani, Direktor für Interventionen bei gesundheitlichen Notfällen der WHO am Freitag. Neben akuter Unterernährung beobachtet die UN-Organisation die Verbreitung von Krankheiten wie Cholera und Malaria mit großer Sorge. Auch die Zahl der Masernfälle sei massiv gestiegen. Äthiopien leidet wie weitere Staaten in Ostafrika unter der schwersten Dürre seit 40 Jahren (AZ berichtete). Äthiopiens Militär kämpft zudem im Norden seit 2020 mit eritreischen Streitkräften gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray. Eine Mutter mit ihrem unterernährten Baby in Äthiopien. Foto: Zerihun Sewunet/UNICEF/AP/dpa Abgase aus einem Auspuff – in Zukunft ein seltenes Bild?Marijan Murat//dpa Europa bremst Verbrenner aus Kommen die Einschränkungen auf jeden Fall? Wenn sich die Unterhändler der beiden EU-Institutionen auf einen Kompromiss geeinigt haben, muss der Ministerrat beziehungsweise das Parlament zwar noch formell zustimmen. Theoretisch könnte ein solcher Kompromiss auch wieder gekippt werden, wenn sich Regierungen oder Fraktionen quer stellen. Da die roten Linien der Verhandlungsteilnehmenden jedoch vorher bekannt sind, findet sich für die Kompromisse – sobald einer gefunden ist – auch in der Regel eine Mehrheit. Ist der nächste Schritt ein Fahrverbot für Verbrenner? Davon ist nicht auszugehen. Pläne, Autos mit Verbrennungsmotor komplett von Straßen zu verbannen, sind bislang nicht im Gespräch. Realistisch ist, dass durch ein Verkaufsverbot klassische Benziner und Diesel automatisch immer seltener werden. Gilt das Verbot nur für Autos? Nein, auch kleinere Transporter sind betroffen. Wie sieht es generell mit der Ladeinfrastruktur in Deutschland aus? Der Bundesnetzagentur wurden zum 1. September knapp 70 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektroautos in Deutschland gemeldet. Anfang des Jahres 2021 gab es knapp 41600. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schätzte das Vorankommen beim Ladesäulenausbau zuletzt als gut ein. Der Verband der Automobilindustrie hatte jedoch immer wieder Zweifel, ob der Ausbau tatsächlich schnell genug vorangeht. Marek Majewsky Was passiert mit meinem alten Verbrenner? Bereits zugelassene Fahrzeuge sind von dem Vorhaben nicht betroffen. Wie sich eine Entscheidung auf die Preise für gebrauchte Verbrenner auswirkt, hängt von vielen Faktoren ab. Ein generelles Verkaufsverbot für gebrauchte Autos mit Verbrennungsmotor ist nicht vorgesehen. Wie sich die neuen Regeln auf andere Bereiche wie den Ausbau von Ladeinfrastruktur oder die Tankstellenabdeckung auswirken – offen. achtern als unwahrscheinlich, dass das Verbot noch mal gekippt wird. Theoretisch könnten die Klimaziele auch nachgeschärft werden. Welches Ergebnis diese Überprüfung der EU-Kommission haben wird, ist aber offen. Kann ich nach 2035 noch mit meinem Benziner oder Diesel fahren? Ja. Eingeschränkt würde bei Inkrafttreten des Gesetzesvorhabens nur der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor. Zwar geht es bei den Flottengrenzwerten um den Ausstoß von Klimagasen, während das Auto gefahren wird, die Null-Emissionsvorgabe würde aber nur für Verkäufer von neuen Autos gelten. In gut zwölf Jahren sollen alle Neuwagen in der EU emissionsfrei sein. Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich am Donnerstagabend in Brüssel für diesen Schritt ausgesprochen. Was bedeutet die Entscheidung für Autofahrerinnen und Autofahrer? Was wurde beschlossen?Die EU einigte sich darauf, dass die Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null sinken sollen. Diese geben Autoherstellern vor, wie viel CO2 ihre produzierten Fahrzeuge im Betrieb ausstoßen dürfen. Neue Benzin- und Diesel-Autos, die Klimagase ausstoßen, dürfen also ab 2035 nicht mehr verkauft werden. Im Jahr 2026 soll die Entscheidung aber erneut überprüft werden können. Zudem ist im Kompromiss eine Bitte an die EU-Kommission festgehalten, zu überprüfen, ob der Einsatz von E-Fuels für Autos künftig in Frage kommen könnte. Ist das jetzt das endgültige Verbrenner-Aus? Das kommt auf die Interpretation an. Der liberale Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen schreibt: „Die Europäische Kommission muss den Weiterbetrieb des Verbrennungsmotors auch nach 2035 mit alternativen Kraftstoffen ermöglichen.“ Der Verhandlungsführer des Europaparlaments, Jan Huitema, sagte am Freitag, die Kommission könne nun entscheiden, wie sie damit umgehen wolle. Grüne und Umweltorganisationen interpretieren das Verhandlungsergebnis anders als FDP-Politiker. Der Grünen-Verhandlungsführer Bas Eickhout sprach davon, dass das Ziel, nur noch emissionsfreie Wagen zuzulassen beibehalten worden sei, bis der Markt vollständig elektrisch sei. Greenpeace geht davon aus, dass E-Fuels künftig höchstens in Sonderfahrzeugen wie Feuerwehr- oder Krankenwagen eingesetzt werden dürften. Auch bei der Überprüfung im Jahr 2026 gilt es vielen BeobIm Jahr 2035 sollen nur noch Autos ohne Emissionen verkauft werden. Was das für alte Wagen bedeutet und ob damit das endgültige Ende für Benziner und Diesel eingeleitet ist 54,7 57,1 74,8 91,2 98,2 % 2022* 21 20 19 18 17 16 2015 Weniger neue Verbrenner Anteil der mit Benzin oder Diesel betriebenen Autos an Neuzulassungen 104850 Quelle: Kraftfahrtbundesamt *Januar bis September 0 50 100 Schüsse in Sahedan Im Südosten Irans sind Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Protestierende vorgegangen. In weiten Teilen der Großstadt Sahedan sollen nach dem Freitagsgebet Schüsse zu hören gewesen sein, sagten Augenzeugen. Zuvor war der Polizeichef Sahedans nach Kritik entlassen worden. Medien berichteten, die Entlassung sei Ergebnis einer Untersuchung nach den Protesten vom 30. September in der Stadt. Nach dem Freitagsgebet vor vier Wochen sollen in Sahedan Dutzende Menschen von Sicherheitskräften getötet worden sein. Die ungewöhnliche Entlassung hat Spekulationen ausgelöst, dass die Polizeiführung den harten Kurs abgelehnt haben könnte. Unterdessen demonstrierten Regierungsanhänger bei staatlich organisierten Protesten nach dem Anschlag vom Mittwoch in der Millionenstadt Schiras. Bei dem Anschlag, den die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) für sich reklamierte, wurden 13 Menschen getötet (AZ berichtete). Und: Spaniens Außenministerium äußerte sich am Freitag zu dem Fall eines vermissten Fußballfans, der von seiner Heimat aus zu Fuß auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Katar war und vermutlich im Iran verschwunden ist. Santiago Sánchez Cogedor (40) hatte sich zuletzt am 1. Oktober aus demNordirak an der Grenze zum Iran gemeldet. Man wisse nicht, wo der Spanier sei, hieß es. Demonstranten inmitten von brennenden Gegenständen. Foto: AP/dpa Katrin Pribyl Die AZ-Korrespondentin über die Verbrenner-Entscheidung. politik@abendzeitung.de Endlich Klarheit Das Aus des klassischen Verbrennungsmotors war im Juni bereits so gut wie besiegelt. Dann sorgte federführend die FDP dafür, dass im Kreis der 27 Mitgliedstaaten plötzlich wieder über das Thema gestritten wurde. Dass der Verbrenner nun zum Auslaufmodell deklariert wurde, ist nicht nur richtig, sondern längst überfällig. Immerhin machen Autos und leichte Nutzfahrzeuge wie Kleintransporter in der EU die Hälfte der Verkehrsemissionen und 15 Prozent der gesamten TreibhausgasEmissionen aus. Die Zwischenrufe der Liberalen und ihrer Nacheiferer waren ein Ärgernis und anstrengend noch dazu. Sie stellten bei einem entscheidenden Gesetzesvorhaben vermeintlicheWirtschaftsinteressen über wichtige Klimaziele. Der Branche nochmehr Zeit für die Transformation zu geben oder weiche Kompromisslösungen in das Gesetz einzubauen, hätte kaum einen Unterschied gemacht. Vielmehr ist es gut, dass die Wirtschaft nun Gewissheit hat. Das Auto der nahen Zukunft ist nicht nur leise, es stößt vor allem kein Kohlenstoffdioxid mehr in die Umwelt aus. MEINUNG
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