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14 ABENDZEITUNG SAMSTAG/SONNTAG, 29./30. 10. 2022 WWW.ABENDZEITUNG.DE WIRTSCHAFT Karten aus Maisstärke Die Münchner Bank verzeichnet ein größeres Interesse an grünen Geldanlagen: „In den letzten zwei Jahren ist die Nachfrage unserer Kunden nach Produkten mit Nachhaltigkeitsaspekten gestiegen“, teilt Sprecherin Stefanie Faghani auf AZ-Anfrage mit. Konkrete Angaben dazu, welche Anlageprodukte gefragt sind und was Kunden besonders wichtig ist, macht die Bank aber nicht. Es lasse sich „kein Muster erkennen“, da Anlageprodukte immer in die Lebenssituation der Menschen passen müssen. Auf der Webseite der Münchner Bank kann man sich über verschiedene nachhaltige Anlageformen informieren und wird über die Vor- und Nachteile dieser Investitionsmöglichkeit aufgeklärt. Ein weiteres „Gimmick“: Die Münchner Bank bietet „Naturliebe“ Kredit- und Debitkarten an, die aus Maisstärke beziehungsweise recyceltem Plastik hergestellt werden. mas „Hoch sensibilisiert“ Bei der Stadtsparkasse München seien die Kunden „hoch sensibilisiert“ für das Thema Nachhaltigkeit, sagt Sprecher Sebastian Sippel der AZ. Entsprechende Anlagemöglichkeiten würden immer stärker nachgefragt. Die Verpflichtung von Banken, seit August 2022 Kunden nach ihren Präferenzen zu fragen, hat die Stadtsparkasse bereits im Oktober 2020 umgesetzt. Angeboten wird etwa der SSKM Nachhaltigkeit Invest. Dafür seien bislang mehr als 100 Millionen Euro an Kundengeldern gesammelt worden. „Im Moment verbinden noch die meisten Kundinnen und Kunden mit einer nachhaltigen Geldanlage vor allem das Thema Klimaschutz und fragen nach Investmentmöglichkeiten rund um die Themen Erneuerbare Energien und Umwelttechnologien“, sagt Sippel. Im Beratungsgespräch erläutere man, dass Nachhaltigkeit etwa auch die Themen Menschenrechte oder Unternehmensführung beinhalte. mas Vermögen aufbauen und Gutes tun: Wie Sie nachhaltig investieren– und wo das geht Anleger investieren immer mehr in nachhaltige Geldanlagen. Der Marktanteil entsprechender Fonds ist 2021 gestiegen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn Grünes Geld Schon bei der Windkraft ist das so eine Sache mit der Nachhaltigkeit der Geldanlage. Erneuerbare Energien sind gut, aber die riesigen Windräder schreddern auch bedrohte Tierarten. Soll man nun im Sinne des Klimaschutzes in Windkraft investieren oder lieber im Sinne der Biodiversität die Finger davon lassen? „Das sind Themen, wo ein europäisches Gütesiegel schwer jeden Wert einfangen kann“, sagt Alexandra Bolena, Autorin des Buches „Nachhaltig investieren für Dummies“. Die Österreicherin betreut seit mehr als 20 Jahren institutionelle Anleger zum Thema „Alternative Investments“. Was ist gut, was schlecht geeignet als grüne Geldanlage? Schon bei den wichtigsten Ausschlusskriterien scheiden sich die Geister, sagt Bolena der AZ. Alkohol etwa sei in Deutschland auf der schwarzen Liste, in Österreich dagegen nicht. Gentechnik dagegen schließen unsere Nachbarn aus. Dabei, gibt die Investmentberaterin zu bedenken, kann man damit etwa krankheitsresistentere Getreidesorten züchten und so den Hunger in der Welt lindern helfen. Was aber Anfängern im Bereich der grünen Geldanlagen als Richtschnur gelten kann, seien Gütesiegel. Die seien zumindest ein Indiz für die richtige Richtung. Wie kann man sich sonst schlaumachen? Bücher lesen, rät Bolena, und Nachrichten verfolgen. Bankberater? „Die haben einen Auftrag“, sagt Bolena, und sollten eigene Fonds verkaufen. „Es gibt keine Bank mit Beratung“, drückt es Merten Larisch noch drastischer aus. Er ist Teamleiter Altersvorsorge-, Geldanlageund Immobilienfinanzierungsberatung bei der Verbraucherzentrale Bayern. „Das sind alles Verkaufsgespräche.“ Er rät zu einem Honoraranlageberater. Der gebe einem auch Tipps, wie man es vermeidet, auf Greenwashing hereinzufallen, also Unternehmen, die nur vermeintlich nachhaltig agieren. Es sei zwar mühsam, anhand der 200 vorhandenen Kriterien ein eigenes Profil zu erarbeiten. „Es muss aber sein.“ Dürfen etwa auch fossile Brennstoffe dabei sein, akzeptiert man einen kleinen Anteil nicht nachhaltiger Unternehmen von etwa fünf Prozent, was ist mit Waffen? Dann müssten die einzelnen Produkte untersucht werden, sagt Larisch der AZ. „Ob es sich dann um Greenwashing handelt, lässt sich gut an der Transparenz feststellen.“ Sei die nicht gegeben, sollte man lieber nicht investieren. Auch mit den eigenen Ansprüchen sollte man sich nach Larischs Ansicht einmal auseinandersetzen. Aus seiner Beratungspraxis kennt er Differenzen zwischen Ansprüchen an Geldanlagen und dem eigenen Lebensstil. „Da wird es zu Kompromissen kommen müssen.“ Larisch erwartet langfristig bei nachhaltigen Anlagen eine etwas bessere Rendite, getrieben auch durch eine entsprechende Gesetzgebung, etwa zu Elektromobilität und Tabak. Bei kurzfristigen Geldanlagen rät der Experte zu einem Tagesgeldkonto bei einer nachhaltigen Bank, mittelfristig zu Festgeldkonten oder Sparbriefen. „Von Genussrechten, Solaranlagen und Windrädern auf kommunaler Basis und Crowdinvesting ist wegen des hohen Risikos abzuraten.“ Gibt es nachhaltige Branchen, mit denen man renditemäßig ganz gut fährt? Mit Erneuerbaren Energien und Energiespeicherung mache man nichts falsch, sagt Bolena. „Das ist ein Thema, das uns lange nicht verlassen wird.“ Risiko streuen, das sei auch hier wichtig, zumal auch das Risiko einer Blasenbildung bestehe. Möglich sei auch ein Investment in spezifische Fonds oder ETF. Den MSCI World ETF etwa, so Larisch, gebe es auch als SRI-Variante („Socially Responsible Investing“, sozial verantwortliches Investieren), die etwa Tabak ausschließt. Martina Scheffler Etwas Gutes für Umwelt und Menschheit tun und dann noch Geld damit verdienen: Nachhaltiges Investieren ist im Trend, aber nicht ohne Risiken Larisch. Verbraucherzentrale Bayern Bolena. Foto: Suzy Stöckl GLS Bank am fairsten In Deutschland gibt es derzeit laut Verbraucherzentrale Bundesverband 14 Banken mit Nachhaltigkeitsstandards. Wendet man allerdings die von der Verbraucherzentrale Bremen untersuchten Ausschlusskriterien an, werden diese nur von fünf Banken erfüllt. So schließen den Bremer Angaben zufolge nicht alle kirchlichen Banken Investitionen etwa in Atomenergie oder industrielle Tierhaltung aus. Alle nachhaltigen Banken aber verzichten auf Investitionen in Waffen- oder Rüstungsunternehmen sowie solche, die Arbeits- und Menschenrechte verletzen und Kinderarbeit dulden. Eine Untersuchung des Fair Finance Guide Deutschland vom Februar kürte die GLS Bank aus Bochum zur fairsten Bank, gefolgt von der Thüringer EthikBank und der niederländischen Triodos Bank. mas Kinderarbeit: Ausschlusskriterium für nachhaltige Banken. imago Nachfrage wächst stark Laut dem Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2022 des gleichnamigen Forums, in dem etwa Banken, Ratingagenturen und NGOs vertreten sind, beträgt der Anteil nachhaltiger Publikumsfonds am Gesamtmarkt in Deutschland 16,7 Prozent, mit einem Volumen von 246 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 wurden demnach 454 nachhaltige Publikumsfonds angeboten. 79 davon trugen ein entsprechendes Qualitätssiegel – das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 65 Prozent. Insgesamt betrug das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland im vergangenen Jahr etwa eine halbe Billion Euro, eine Steigerung im Vergleich zu 2020 um 50 Prozent. Werden von Anlegern Ausschlusskriterien verwendet, dann stehen Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Bestechung sowie Arbeitsrechtsverletzungen ganz oben. mas Gehört zu den nachhaltigen Branchen: Windkraft. dpa WICHTIG AUCH FÜR BANKEN Was ist eigentlich Taxonomie? ten fragenmüssen, ob sie an nachhaltigen Investments interessiert sind. Diese Präferenz kommt zu den bisherigen Anlagezielen „Anlagezweck“, „Anlagedauer“ und „Risikotoleranz“ hinzu. Wie dies konkret gestaltet werden soll, ist gesetzlich (noch) nicht vorgegeben, wie die Finanzaufsicht BaFin erläutert. mas Mit der Taxonomie sollen Unternehmen entsprechend ihrer Nachhaltigkeit bewertet werden. Für Aufsehen sorgte die Entscheidung der EU, in diesem Sinne Atomkraft als nachhaltig zu bewerten. Zu den EU-Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit gehört auch, dass Banken seit dem 1. August Anlageinteressen-

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