50 REISE ABENDZEITUNG SAMSTAG/SONNTAG, 29./30. 10. 2022 WWW.ABENDZEITUNG.DE TELEFON089 23 77-3100 E-MAIL REDAKTION@ABENDZEITUNG.DE BALANCE Atmen Sie sich gesund! Unser Immunsystem ist unser inneres Abwehrsystem. Es schützt uns vor krankmachenden Bakterien, Viren, Pilzen, Parasiten und Krankheitserregern. Und vor Erschöpfung, Stressreaktionen und Müdigkeit. Die Leistungsfähigkeit und Komplexität des Immunsystems sind sehr beeindruckend, weil es sich nicht nur auf eine rein mechanische Funktion reduziert. Der Darm spielt eine zentrale Rolle, weil er weitaus mehr ist als ein reines Verdauungsorgan. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass der Großteil unseres Immunsystems im Darm angesiedelt ist und er darüber hinaus über ein eigenes Nervensystem verfügt. Bezeichnet wird es als enterisches Nervensystem (ENS) und durchzieht den gesamten Verdauungstrakt. Es besteht aus gut 100 bis 150 Millionen Nervenzellen und ist funktional und strukturell dem Gehirn sehr ähnlich. Deshalb wird es auch als Bauchgehirn bezeichnet. Ein gutes Team: Bauch- und Kopfhirn Zwischen unserem Darm und unserem Gehirn besteht ein reger Austausch. In seinem Buch „Das Immunbooster Handbuch“ bestätigt Dr. Thomas Rampp, was östliche Traditionen schon lange wissen: Psychische Faktoren wie Stress, Ärger und Angst können uns auf den Magen schlagen und zu Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Durchfall führen. Dauerstress führt zu Verstopfung und Magengeschwüren. Kommt unser Geist nicht zur Ruhe, dann sendet unser Kopfhirn entsprechende Signale in den Bauch, die zur Schwächung des Immunsystems und zur Entstehung von Krankheiten führen. Ein Teufelskreis beginnt. Der Darm ist aber nicht nur Befehlsempfänger, sondern er schickt auch Signale Richtung Kopf. Dem Vagusnerv kommt hierbei eine tragende Rolle zu, da er die Funktion fast aller Organe steuert. Er wird auch gerne als die Datenautobahn zwischen Kopf und Bauch bezeichnet. Die Nervenverbindungen zwischen Darm und Hirn machen hier 90 Prozent der aufsteigenden Nervenfasern aus. Nur 10 Prozent der Nervenverbindungen gehen in die andere Richtung. Neben der Kommunikation auf dieser nervlichen Schnellstraße spielen noch andere Botenstoffe eine zentrale Rolle. Zum Beispiel das Glückshormon Serotonin. 90 Prozent davon werden im Darm gebildet. Deshalb spielt Entspannung eine genauso wichtige Rolle wie eine gesunde Darmflora. Die Befindlichkeit unseres Darms wirkt sich also direkt auf unser seelisches Wohlbefinden aus. In Asien wird der Darm immer schon als „Hara“, Sitz der Seele, bezeichnet. Im Hara siedelt man unsere psychische Kraft an. Kein Wunder, dass der Darm so empfindlich auf Dauerstress reagiert und man ihm sowohl im Yoga als auch im Ayurveda eine derartig zentrale Rolle beimisst. Dauerstress schädigt die Darmflora und ermöglicht es somit schlechten Keimen, sich ungehindert auszubreiten und dem Darm zu schädigen. Einfache-Anti-StressAtemübungen Neben einer gesunden Ernährung, Yoga, Wandern und Entspannung unterstützen besonders Atemübungen Sie darin, Kopfhirn und Darmhirn in eine Balance zu bringen. Regelmäßig ausgeübt, ●versorgen sie alle Zellen des Körpers mit Sauerstoff ●senken den Blutdruck ●bewegen die Lymphflüssigkeit durch die Atembewegung ●stimulieren das Darmhirn ●regen den Stoffwechsel an ●regulieren das vegetative Nervensystem. IMMUNBOOSTER-ÜBUNGEN Die Übungen können Sie gut vor dem Schlafen gehen machen. Achten Sie darauf, dass Sie eine Stunde vor Durchführung der Übung am besten nichts mehr oder nichts Schweres mehr gegessen haben. Dadurch entlasten Sie Ihren Darm, der während der Nacht ebenfalls gerne ruhen möchte. Genauso wie Sie selbst. DAS GLAS FÜLLEN UND LEEREN Kommen Sie in einen Schneidersitz oder setzen Sie sich an den Rand Ihres Stuhls. Stellen Sie sich nun vor, dass Ihr Oberkörper ein leeres Glas ist. Mit einer sanften Einatmung füllen Sie das ganze Glas mit frischem, klarem Sauerstoff. Auch Ihr Darm wird dabei mit frischer, klarer und reiner Energie erfüllt. Mit einer langen Ausatmung leeren Sie das Glas. Auf diese Weise transportieren Sie alte Schlackenstoffe aus dem Darm über den Atem ab. Bewegen Sie am Ende der Ausatmung Ihre Bauchdecke bewusst Richtung Wirbelsäule. Atmen Sie so einige Male. Atmen Sie ein und atmen Sie dann ein Drittel der Luft aus. Halten Sie danach kurz inne, bevor Sie ein weiteres Drittel ausatmen. Halten Sie wieder kurz inne und atmen Sie den Rest aus. Atmen Sie wieder entspannt ein und das erste Drittel aus. Danach halten Sie für einige Sekunden inne. Fahren Sie so auch mit dem zweiten und dritten Drittel fort. Machen Sie dann zwischen Aus- und Einatmung eine Pause. Warten Sie, bis ein Impuls des Körpers kommt, wieder einzuatmen. Fahren Sie so mit dieser Übung ein paar Minuten fort. Atmen Sie abschließend entspannt weiter. KATZE-KIND-ATMUNG Sie befinden sich im Vierfüßlerstand. Die Hände sind unter den Schultern, die Knie unter den Hüften. Bewegen Sie sich hier erst einmal so wie eine Katze, die sich räkelt und streckt. Bringen Sie Ihre Hände dann eine oder zwei Handbreit weiter nach vorne. Atmen Sie zwei Sekunden ein. Ausatmend lassen Sie Ihr Gesäß langsam auf die Fersen sinken. Atmen Sie hier ebenfalls erst einmal zwei Sekunden aus. Einatmend – zwei Sekunden lang – kommen Sie wieder zurück in den Vierfüßlerstand. Ausatmend lassen Sie sich wieder zurück auf Ihre Fersen sinken, während Sie drei Sekunden lang ausatmen. Einatmend – alle weiteren Male zwei Sekunden lang – kommen Sie wieder zurück in den Vierfüßlerstand. Ausatmend lassen Sie sich wieder nieder und verlängern das Ausatmen jetzt eine weitere Sekunde. Fahren Sie so in Ihrem Rhythmus fort. Mit jedem Ausatmen verlängern Sie eine Sekunde, während die Einatmung immer gleichbleibt. Wenn Sie bei acht oder zehn Sekunden für die Ausatmung angekommen sind, beenden Sie die Übung. Kommen Sie den Fersensitz und spüren Sie der Übung nach. LÖWEN-ATMUNG Sie sitzen bequem und aufrecht auf einem Meditationskissen oder Stuhl. Einatmend stellen Sie sich vor, dass Sie frischen, klaren Sauerstoff aufnehmen. Ausatmend strecken Sie die Zunge so weit wie möglich heraus, pressen die Bauchdecke Richtung Wirbelsäule. Atmen Sie so lange aus, bis Sie das Gefühl haben, dass die Lunge leer ist. Bei jeder Ausatmung stellen Sie sich vor, wie Sie Schlacken über die Atmung ausscheiden und Sie Ihrem Darm und natürlich Ihrem ganzen Sein etwas Gutes tun. Warten Sie mit der nächsten Einatmung, bis von Ihrem Körper der Impuls kommt, wieder einzuatmen. Fahren Sie mit dieser Übung so in Ihrem eigenen Tempo und in Ihrer eigenen Länge fort. Bleiben Sie danach noch eine Weile sitzen und spüren Sie der reinigenden Wirkung dieser Atmung nach. YOGISCHE MONDATMUNG Unser Immunsystem stärken wir nicht nur durch eine gesunde Darmflora, sondern auch durch einen entspannten und tiefen Schlaf. Im Yoga hat man hierzu eine wirksame Übung entwickelt: Chandra Bedhana. Sie versorgt Ihren ganzen Körper mit frischem Sauerstoff. Als eine gute Gewohnheit vor dem Schlafengehen kann Sie Ihren Stress reduzieren und Ihr Nervensystem stärken. Wenn möglich, machen Sie diese Übung bei einem offenen Fenster. Kommen Sie hierzu in eine aufrechte Sitzhaltung. Schließen Sie dann mit IhremDaumen das rechte Nasenloch. Atmen Sie sanft und gleichmäßig über das linke Nasenloch vier Sekunden ein und vier, sechs oder acht Sekunden aus. Stellen Sie sich dabei vor, dass Sie allen Stress des Tages, Ihre Ängste und Sorgen über die Ausatmung loslassen. Machen Sie diese Übung in Ihrem Rhythmus und in Ihrer Länge. Spüren Sie nach der Übung noch ein paar Augenblicke nach. Integrieren Sie eine oder mehrere dieser Übungen so in Ihren Alltag, wie Sie das Zähneputzen zu einer Routinehandlung gemacht haben. Je regelmäßiger wir solch kleine Praktiken in unseren Alltag integrieren, desto eher gelingt es uns, unser eigener Immunbooster zu sein. Zum Weiterlesen: Dr. med. Thomas Rampp: Das Immun-Booster-Handbuch. Die besten Strategien für ein starkes Immunsystem. Knaur Menssana. 2022, 18 Euro Ein gut funktionierendes Immunsystem ist die Basis für unsere Gesundheit. Nehmen Sie’s selbst in die Hand und stärken Sie Körper und Geist mit einfachen, wirksamen Übungen Zwei Beispielbilder für die Katze-Kind-Atmung. Oben die Haltung mit dem Katzenbuckel, unten die Kindhaltung. Fotos: Dmitry Rukhlenko/imago VON AZ-AUTORIN DORIS IDING redaktion@abendzeitung.de
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