45 espresso Ein Interview mit Designerin Lisa von Ortenberg aus Pfaffenhofen über Fast Fashion als Klimakiller und die Bedeutung von bewusstem Modekonsum Hi Lisa, du hast vor kurzemdeinen Laden amHauptplatz in Pfaffenhofen eröffnet. Das ist nicht dein erster Store.Wo warst du vorher? Meine Laufbahn alsMode-Macherin begann inHongkong, wo ich nach vielen Jahren als Journalistin 2018 angefangen habe, Mode zu entwerfen und von einemkleinenAtelier fertigen zu lassen. JedenMonat habe ich dann einen PopUp Store organisiert, wo ich für acht bis zehnTage meine neuestenKreationen ‚an die Frauen‘ gebracht habe. Ichwar dort immer Vollzeit präsent, habe die Kundinnen live erlebt, und konnte genau auf ihreWünsche eingehen. Es war eine anstrengende, aber unglaublich kreative Zeit –wir haben sogar Brautkleider gemacht… bis Corona kam. Damit war das Geschäft tot und ich binwieder inmeine Heimat Pfaffenhofen gezogen. Hier habe ich das Label nun erst mal neu aufgestellt und nebenbei imvergangenen Jahr einen beliebtenMode-Flohmarkt in der Stocker-Halle etabliert.Wer mitmachenmöchte, darf sich gernemelden, der nächste ist am29. April. Deine Kleider unterscheiden sich von denen andererMode-Boutiquen. Was ist deinKonzept?Mein Laden im200 Jahre alten Bergmeister-Anwesen ist wirklich keine ganz ‚normale‘ Boutique, sondern eher ein interaktiverModesalon. Ich glaube, das merkt man schon beim Reinkommen. Ich habe keine Stapelware inRegalen, sondern da hängen viele Unikate undTeile, die ich in kleinsten Stückzahlen herstellen lasse. Wenn es nicht genau passt, kannmeine Schneiderin vor Ort die Sachen auch enger, kleiner oder weiter machen. Außerdemkönnenwir auch persönliche Lieblingskleider für die Kundinnen herstellen. Inmeinem antikenHochzeitsschrank aus Hongkong verstecken sich dafür besondere Stoffe, und falls da nichts dabei ist, gehe ich auf die Suche nach den Lieblingsfarben. Jede Frau kennt ja ihrenKörper ambesten undweiß, was ihr steht. Das berücksichtige ich gerne. Somit könnenwir jede Größe bedienen undmüssen niemanden ausschließen. Außerdemgibt es neben der aktuellen LvO-Kollektion einige Stangen voller bestens erhaltener Second-Hand-Mode – pre-lovedwieman heute so schön sagt, aber immer noch sehr cool. Änderungen und Upcycling-Sachenmachenwir auch gerne. ImSinne der Nachhaltigkeit ist es natürlich das Beste, gar nichts Neues zu kaufen, sondernmit den vorhandenenRessourcen zu arbeiten. So habe ich kürzlich aus einem leicht kitschigen, aber hervorragend erhaltenenAbendkleid aus den 80er Jahren einenweiten, langen Statement-Rock gemacht. DasMuster war einfach zu schön. Ist deine gesamte Produktionskette fair oder wo siehst du nochMöglichkeiten, deine Idee zu verbessern? MeineHerkunftsketten sind absolut fair und transparent. Genauwie früher entsteht meine Kollektion zumTeil auch heutewieder imUmkreis von 50Kilometern bei befreundeten Schneiderinnen in bayerischenAteliers, also lokal. Ferner arbeitet meineHongkongerMeisterschneiderin immer noch für mich – das ist das einzigeManko, das ich sehe, dass wir ihreModeteile noch einfliegenmüssen. Aber mit dieser Frau bin ich einfach so vertraut und über sie komme ich auch noch an unglaublich tolle Seidenstoffe aus China. Natürlich sind allemeineMaterialien fair, wobei ich Seide,Wolle und Viskose am liebstenmag. Für die in Bayern gefertigte Kollektion beziehe ich sie gerne aus Frankreich, wo ich besondere Stoffe aus denVorsaisonen der großenHaute-Couture-Häuser aufkaufe (sogenannte ‚Dead Stock‘- Materialien, die andererseits verbrannt oder entsorgt würden). Und die für mich produzierte Viskose kommt von einem200 Jahre alten, mehrfach ausgezeichneten Familienbetrieb hinter Lyon. Man darf sich ja nichts vormachen: Nachhaltig bedeutet nicht immer nachhaltig.WennmanKlamotten aus alten Plastikflaschen produziert, klingt das erst mal toll, aber man kann die Produkte trotzdemnicht abbauen. Also eigentlich ist das Quatsch. 2020 habe ichmal mit recyceltemPolyester gearbeitet, aber da es auch nicht wirklich abbaubar ist, Eine faire Produktionskette wünschen sich viele Menschen beim Mode-Einkauf. Nur wer gut informiert ist, lässt sich sich dabei nicht täuschen von den billigen Maschen der Fast-Fashion-Industrie, die gekonnt mit Worten jonglieren, um nachhaltig zu wirken. Aber mal ehrlich: Wie soll auch ein Top für 4,99 Euro nachhaltig sein? Slow Fashion, zu deutsch langsame Mode, ist das Gegenteil von Fast Fashion und meint, den Einsatz von Primärrohstoffen durch Recycling statt Entsorgung zu reduzieren, den Lebenszyklus von Kleidung durch längeres Tragen, umnähen, weitergeben zu verlängern, sowie die Produktionsbedingungen für Mensch und Umwelt zu verbessern. Ziel ist es, die Natur in Rohstoffabbaugebieten zu entlasten, Menschen einen fairen Arbeitslohn zu bieten und sie weniger mit Chemikalien und Rauch zu gefährden. dS o lowwn
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