Bundesliga

22 3. LIGA 2023/2024 „Die Liga ist sehr besonders“ In neuer Rolle: Achim Beierlorzer will den SSV Jahn als Sport-Geschäftsführer voranbringen. Ein Interview über einen außergewöhnlichen Sommer, Triggerpunkte und den 38-Spiele-Marathon Mit Achim Beierlorzers Rückkehr nach Regensburg verknüpfen sich Erinnerungen an zwei erfolgreiche Jahre, in denen er als Trainer den SSV Jahn von 2017 bis 2019 auf die Plätze fünf und acht in der 2. Liga führte. Damit empfahl sich der heute 55-Jährige für den Sprung in die Bundesliga, wo er in der Folge beim 1. FC Köln und Mainz 05 als Chefcoach sowie bei RB Leipzig als Cound Interimstrainer arbeitete. In Leipzig wurde er Ende 2021 für 18 Monate freigestellt, ehe er zum 1. Juli 2023 als Geschäftsführer Sport erneut beim Jahn anheuerte, um nach dem Abstieg den Neuaufbau in der 3. Liga zu gestalten. Als Spieler absolvierte der gebürtige Erlanger eine solide Karriere in fränkischen Gefilden (Nürnberg, Forchheim, Fürth, Schwabach). Beruflich war er rund 15 Jahre als Gymnasiallehrer für Mathematik und Sport in Eckental tätig. Als sich ihm zusehends interessante Perspektiven als Trainer boten, ließ Beierlorzer den Lehrer-Job ab 2013 zunächst praktisch und ab 2018 dann auch formal hinter sich. Herr Beierlorzer, man kannte Sie bisher als leidenschaftlichen Trainer am Spielfeldrand. Sind Sie tatsächlich auch der Mann fürs Büro – einer, der klassisch am Schreibtisch sitzt und Geschäftsführer-Arbeit erledigt? Wie groß ist der Unterschied zwischen beiden Jobs? Be i er lorzer : Es ist definitiv etwas anderes. Jetzt habe ich beispielsweise nicht mehr die inhaltliche Detailarbeit auf dem Platz – was man wann, wo, wie im Training durchführt. Dafür gibt es sehr viele andere neue Aufgaben, mit Organisieren, Strukturieren, administrativen Fragen und vielem mehr. Diese Mischung ist sehr interessant. Vorher war’s für mich vielfältig im Fußballbereich, jetzt ist es übergeordnet vielfältig. Was mir immer Spaß macht, ist natürlich trotzdem, die Spiele und auch die Trainingseinheiten zu beobachten: Und im Anschluss nach Absprache mit dem Trainerteam auch direkt mit Spielern über bestimmte Situationen zu sprechen, um sie ebenfalls weiterzuentwickeln. Sie haben im Vorfeld der Saison davon gesprochen, dass der Jahn mit Ihnen und Trainer Joe Enochs nun „zwei Fußballlehrer“ habe, die künftig die Spieler entwickeln könnten. Be i er lorzer : Ja, und das war ein Riesenvorteil in der Akquirierung von Spielern. Weil wir das auch aktiv kommuniziert haben: Dass nicht nur Joe die Spieler weiterentwickeln wird, sondern dass auch ich immer mal wieder dabei bin und Gespräche führe – sei es psychologisch-pädagogischer Art oder auch fußballspezifisch, stets im Sinne des Trainers und vor dem Hintergrund der Philosophie des Vereins. Von Beginn an haben Sie betont, dass Sie ganz nah am Team dran sein wollen. Sie sitzen bei den Spielen auf der Trainerbank und hatten schon einige Szenen, in denen Sie emotional reagierten – wie ein Coach halt. Werden Sie das beibehalten und bleiben Sie authentisch oder sagen Sie, ich möchte neben dem Trainer keine bestimmte Außenwirkung erzeugen und nehme mich in Sachen Temperament deutlich zurück? Be i er lorzer : So wie Sie das am Schluss gesagt haben, muss es eigentlich sein: Dass man sich schon eher zurücknimmt. Es gibt den Cheftrainer, der hat sein Trainerteam, und sie coachen. Am Anfang war das für mich noch ein bisschen schwieriger, da habe ich schon etwas mehr reingerufen (schmunzelt). Das wird immer weniger jetzt. Ich werde ruhiger, was auch daran liegt, dass sich die Dinge positiv entwickeln. Dass Sie künftig auf der Bank komplett verstummen, ist aber nicht zu befürchten, oder? Be i er lorzer : Na ja, ein paar Triggerpunkte habe ich schon. Zum Beispiel, wenn jemand gefoult wird. Da kann ich dann für nichts garantieren (schmunzelt), da bin ich ja auch in meinem letzten Spiel beim SSV Jahn 2019 des Platzes verwiesen worden, als ich plötzlich bei meinem gefoulten Spieler stand und der Schiri mich gleich rausgestellt und gesagt hat, dass ich da gar nicht stehen darf. Sie betonen die enge Zusammenarbeit mit Joe Enochs. Die war im Sommer vom ersten Moment an gefordert, als es darum ging, einen fast völlig neuen Kader aus dem Hut zu zaubern. Am Ende haben Sie 16 Neuzugänge eingesammelt. Sind Sie selbst überrascht, wie schnell das alles ging? Es war eine quasi unvergleichliche Situation. Be i er lorzer : Ich muss schon sagen, ganz am Anfang hatte ich schon die eine oder andere schlaflose Nacht. Zumal uns ein paar Spieler weggebrochen sind, die eigentlich schon zugesagt hatten. Es gab ein paar Absagen, viele Spieler wollten erst mal abwarten, aber wir haben immer weiter unsere Arbeit gemacht und Kontakte geknüpft. Die Verpflichtung von Andi Geipl war sicher ein wichtiges Signal, um nach außen zu zeigen: Es passiert etwas beim Jahn, der Neuanfang kann starten. Dass so viele neue Spieler in so kurzer Zeit unterschreiben würden, war also ehrlicherweise nicht zu erwarten? Be i er lorzer : Nein. Am Schluss war’s wirklich außergewöhnlich, wie viele Verpflichtungen da parallel gelaufen sind. Insgesamt war das schon eine sehr große Aufgabe, ein echter Berg. Mit wie vielen Spielern hatten Sie alles in allem Kontakt? Be i er lorzer : Ich habe noch gar keine Zeit gehabt, das Revue passieren zu lassen. Eine ordentliche dreistellige Zahl war’s bestimmt, oder? Be i er lorzer : Ja, klar. Auf jeden Fall dreistellig. Reden wir über die Fans. Die Art und Weise, wie die Jahn-Anhänger den Abstieg hinter sich gelassen haben, war bemerkenswert – und genauso die positive Grundhaltung, mit der sie sofort dem neu formierten Team begegnet sind. Die Zuschauerzahl von 11 000 beim Start gegen Unterhaching war ein Statement. Wenn’s das Wort gäbe, könnte man fast von einer „Abstiegseuphorie“ sprechen ... Be i er lorzer : Die Fans sind wirklich einzigartig, man weiß von anderen Klubs in vergleichbaren Situationen, dass das nicht selbstverständlich ist. Natürlich hoffe ich, dass wir uns in der neuen Liga schnell akklimatisieren, deshalb haben wir einige drittligaerfahrene Spieler und auch einen Trainer, der sich da sehr gut auskennt. Somit wollen wir den Fans auch in der 3. Liga einen tollen Fußball bieten. Die 3. Liga ist mit vielen Traditionsklubs sehr attraktiv, aber finanziell ein heißes Eisen wegen der enormen finanziellen Kluft zur 2. Liga. Wie sehen Sie diese Ambivalenz? Be i er lorzer : Die Liga ist sehr besonders. Sie ist wirtschaftlich auf lange Sicht schwierig zu leisten. Man bekommt über die Medienrechtevermarktung 1,5 Millionen Euro, aber der Durchschnittsetat in der 3. Liga liegt mindestens bei fünf Millionen. Diese Lücke mit Ticketing, Merchandising und anderen Faktoren aufzufangen, ist eine riesige Aufgabe für alle kaufmännischen Geschäftsführer. Und auch sportlich ist es eine große Herausforderung. Mir fallen mindestens sieben Teams ein, die sicher mit einem Aufstieg liebäugeln. Sandhausen, Bielefeld, dann Dresden, 1860 München, Ingolstadt, Saarbrücken oder auch Waldhof Mannheim. Was werden die entscheidenden Zutaten sein, um eine erfolgreiche Saison zu spielen? Be i er lorzer : Es wird ein Marathon mit 38 Spielen, bei dem es darauf ankommt, dass du als Mannschaft auch in der Breite eine gewisse Qualität hast. Ganz wichtig werden eine stabile Defensive, ein guter Teamspirit und die mannschaftliche Geschlossenheit sein. Interview: Michael Stolzenberg „Ich hatte die eine oder andere schlaflose Nacht“ „Ich habe große Lust auf diese Aufgabe beim Jahn. Wir wollen hier richtig was bewegen“, betont Achim Beierlorzer. Foto: Photo-Studio Büttner

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