Espresso November

56 espresso ARBEITGEBER DER ZUKUNFT Wirtschaftspsychologin Nola Bergner spricht mit uns im Interview über die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt aus Arbeitgebersicht Wie beschreibst du als Dipl. Wirschafts- psychologin die aktuelle Situation in der Arbeitnehmersuche? Die Arbeitnehmersuche ist in den letzten Jahren noch anspruchsvoller geworden. Fachkräftemangel kannten wir, die Veränderung der Arbeitswelt hat seit Corona wie ein Brennglas gewirkt. Hybrides Arbeiten, wo es möglich ist, ist mittlerweile Standard. Nola Bergner 37 J. Dipl. Wirtschaftspsychologin, bevor sie die elterliche Parfümerie übernahm, war sie Ausbildungschefin der Parfümerie Douglas für Deutschland Normale Bürojobs finden selbstverständlich auch imHomeoffice statt. Während früher Arbeitgeber aus einer Vielzahl von Bewerbungen die vielversprechenden heraussuchen konnten, erleben wir heute eine Umkehr. In vielen Branchen kann der Bewerber aus mehreren Jobangeboten auswählen. Du warst vor Kurzem auf einer Tagung der Top 20 der deutschen Parfümerien. Was berichten andere Arbeitgeber aus der gleichen Branche? Tatsächlich ist es auch bei uns im Luxussegment des Einzelhandels das Top-Thema. Unsere Ware hat eine hohe Begehrlichkeit. Das hat uns viele Jahre geholfen. Heute ist die Mitarbeitergewinnung, das Ringen um die besten Köpfe, so groß wie nie. Welche Gründe siehst du als verantwortlich für den Fachkräftemangel? Wenn ich als Beispiel auf unsere Branche schaue, ist ein Grund sicherlich, dass Mitarbeiter heutzutage für den gleichen Job wie früher ein breiteres und tieferes Wissen benötigen. Wo früher die Parfümiere noch die Quelle des Wissens über Parfums, Kosmetikprodukte und alles drum herumwar, kann sich heute jeder Kunde im Internet in nahezu beliebiger Tiefe mit jedem Fachgebiet beschäftigen. Dadurch, dass die Kunden dann bereits informierter im Laden erscheinen, ist die Arbeit einerseits anspruchsvoller, um diesen dann auch auf Augenhöhe zu begegnen, aber es macht auch deutlich mehr Spaß, da man sich immer neuen Fragen und Herausforderungen gegenüber sieht. Die Folge ist dann allerdings auch, dass es schwieriger wird, Mitarbeiter mit entsprechendemWissen zu finden. Ist den Arbeitnehmern durch die Coro- nazeit mehr bewusst geworden, was ihnen wichtig ist und wie unzufrieden sie mit den aktuellen Arbeitsbedingungen sind? Das glaube ich auf jeden Fall. Die Pandemie hat das Bewusstsein der Arbeitnehmer in vielerlei Hinsicht geschärft. Wer Kinder hatte, musste zu Hause Lehrer/in sein. Die fehlende Digitalisierung hat Familien eiskalt erwischt. Es ging viel besonders zu Lasten der Frauen, die in vielen Familien sich um die Kinder kümmern und parallel ihre Arbeit nicht aufgeben wollten. Hinzu kamen die Ängste ausgelöst durch Corona. Wo sind die Fachkräfte stattdessen? Irgendwo muss es ja „zu viele“ von ihnen geben, oder machen sich viele selbstständig oder sind arbeitslos? Das sollte man meinen, dass es irgendwo „zu viele“ gibt. Selbstverständlich gibt es regionale Unterschiede. In unserer Region sind wir in der glücklichen Lage, dass wir eine geringe Arbeitslosigkeit haben. Die Abwanderung der Arbeitnehmer, die wir in unserer Region spüren, ist eine Verlagerung. Sie wechseln die Branche, manche machen sich selbstständig, doch es gibt nicht den einen großen Trend, sondern die Summe vieler kleiner Veränderungen. Doch auch davor haben schon viele Fachkräfte gefehlt. Kannst du die Sicht der Fachkräfte verstehen? Was fehlt den Fachkräften? Zum Teil. Bevor ich im Januar 2021 die Parfümerie meiner Mutter übernommen habe, habe ich auch in anderen Unternehmen Foto: Adobe Stock / chand

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