16 Als ich mich auf den Weg zu Werner Kunstmann mache, sehe ich am Straßenrand die ersten Werbeplakate für Advents- und Weihnachtsausstellungen, Kunst- und Handwerkermärkte sowie für kleine Christkindlmärkte, die an nur einem einzigen Wochenende stattfinden. „Da wird doch bestimmt auch der Werner Kunstmann seine Kripperl und Figuren anbieten“, kommt es mir in den Sinn. Warum meine innere Stimme aber völlig falsch liegt, erfahre ich im Gespräch mit dem 78-jährigen Ehemann, Vater und Großvater. „Mich findest du auf keinem Markt, denn ich verkaufe meine Kripperl und Figuren eigentlich nicht“, sagt Werner. „Und wenn, dann höchstens mal das ein oder andere Stückerl im Freundes- und Bekanntenkreis.“ Profit war nie sein Ziel. Werner wollte stets für sich bauen, für seine Familie. „Und die sind alle sehr gut eingedeckt.“ Werner schmunzelt. „Aber eigentlich müsste ich mal ein paar Sachen veräußern, denn die Schränke platzen mittlerweile aus allen Nähten.“ Ich schaue mich um in der Wohnung, in der Werner mit seiner Frau seit gut 40 Jahren lebt. Und sehe: Hirten, Schafe, Maria und Josef und das Jesuskindl. Kleine Kripperl, größere Krippen, mal bayerisch, mal orientalisch, mal als Wandkrippe, mal als Rahmenkrippe, mal als ganz normale Standkrippe. Und frage mich: Wie kam's eigentlich dazu, etwas zu bauen, das mit so viel Hingabe und Liebe zum Detail gestaltet ist? „Angefangen hab ich damals, als Schulbub“, klärt mich Werner auf. „Das war in den 1950er Jahren, als ich die ersten Arbeiten umgesetzt habe, aber dann kam mir der Fußball in den Weg.“ Werner lacht und zeigt auf diverse Fotos, auf denen er unter anderem mit Gerd Müller und Günter Netzer abgebildet ist. „Ich war kurz davor, Profifußballer zu werden, war Vertragsspieler in der zweiten Liga und kickte damals für Reutlingen und Augsburg. Dann lernte ich meine heutige Frau kennen, mit der ich zurück nach Straubing zog. 1969 wurd' g'heiratet, und ein Jahr später kam unsere erste Tochter auf die Welt.“ Und dann war sie wieder da: Die Zeit, in der sich der Kreativkopf wieder dem Kripperl- und Figurenbau widmete. von Torsten Widua Stehen Sie bitte einmal auf. Und gehen Sie durch Ihr Haus, Ihre Wohnung. Und dann zählen Sie bitte. Na, wie viele handgefertigte Dekorationsstücke stehen in Ihrem Zuhause? Ich wage mal die Vermutung: Je jünger Sie sind, desto weniger. Während die „68er“ bestimmt noch zahlreiche Exponate in Sachen Handwerkskunst daheim haben, dürfte es bei der „Generation Golf“ schon etwas minimalistischer in den eigenen vier Wänden aussehen, was solche Unikate angeht. Und die heutige Jugend? Die geht wohl eher in der virtuellen Welt auf Shoppingtour, um sich mit Zierstücken alias „Ware von der Stange“ einzudecken. Schade eigentlich, denn es gibt sie noch: die Handwerker, die in mühevoller Sisyphusarbeit ihre Kreativität entfalten. Einen davon habe ich im Oktober dieses Jahres am Stadtrand von Straubing getroffen: Kripperlbauer Werner Kunstmann. Und der macht seinem Nachnamen alle Ehre. Denn Kunst ist hier oberstes Gebot. Werner Kunstmann Bild: © Torsten Widua | Illustration: © Good Studio – stock.adobe.com
RkJQdWJsaXNoZXIy MTYzMjU=