17 „Das war meine liebste Freizeitbeschäftigung“, sagt Werner, der 40 Jahre lang in der kartografischen Abteilung des Vermessungsamtes angestellt war. „Diese Arbeit kam mir beim Krippenbau sehr zugute, denn ich habe gerne gezeichnet. Und bevor ich überhaupt mit den Figuren oder Kripperl beginne, mache ich eine Entwurfszeichnung. Klar, nicht immer decken sich Entwurf und Endresultat zu 100 Prozent, aber das nennt man dann wohl künstlerisch-kreativen Freiraum.“ Werner lacht herzhaft und erzählt, dass er eigentlich gelernter Betriebsschlosser sei – was natürlich ebenfalls sehr hilfreich ist, denn es wird gefeilt, gedrechselt, gelötet und gesägt beim Kripperlbau. „So ein Entwurf – das ist mein roter Faden“, erzählt Werner. „Ich erstelle hiermit die Vorlagen für Haus, Hintergrund, Gelände, Figuren, Tierchen und Gegenstände. Als Material verwende ich Styrodur. Das ist ein Dämmmaterial, das man beim Bau von Gebäuden verwendet, es ist sehr hart und lässt sich gut schneiden. Ich hab' bei einem Vortrag eines Krippenbaumeisters aus Cham mal gehört, dass es sich damit ganz hervorragend arbeiten lässt. Und das kann ich nur bestätigen. Alle Mauerwerke, Grundplatten und Ziegeln sind bei mir aus Styrodur, weil das Material sehr leicht ist – im Vergleich zu den Krippen, die ja komplett aus Holz bestehen und bis zu 1,20 Meter breit sind.“ Alles ist handgefertigt. Nicht ein Teil kommt vom Fließband. Auch der Schnee nicht, der auf den Dächern der Häuser und auf den Tannenbäumen liegt. „Der Schnee ist künstlich, das sind ganz kleine und feine weiße Bröselchen, die ich mit Leimwasser auf die entsprechende Oberfläche klebe“, lasse ich mich von Werner informieren. „Und schau mal, hier, die Eiszapfen, die vom Kripperldach runterhängen: Die bestehen aus Glas, die hab' ich mit dem Bunsenbrenner gefertigt.“ Dann erspähe ich einen Hirten. In der Hand eine Laterne, die leuchtet. Meinen skeptischen und nach einem Kabel suchenden Blick weiß Werner sofort zu deuten. „Du wirst kein Kabel finden, Torsten. Das hab' ich verbaut. Die Energieversorgung für die Beleuchtung befindet sich an der Rückseite des Kripperls, und das Kabel verläuft unterirdisch. Also unter der Platte, geht dann durch die Platte nach oben, durch den Fuß des Hirten, durch den Körper bis zur Hand, an dem die Laterne hängt.“ Ich bin zutiefst beeindruckt von dieser präzisen Genauigkeit, auf die Werner größten Wert legt. „Ich arbeite übrigens mit LED-Lampen. Zum einen sind sie stromsparender, zum anderen werden die Birnderl nicht heiß. Außerdem sind die meisten Beleuchtungseinheiten auch noch dimmbar.“ Wahnsinn, wie viel Liebe hier drinsteckt. „Ich war mal in Neapel“, schwelgt Werner kurz in Erinnerung, „und hab' mir dort Köpfe für die 14er-Figuren gekauft.“ Damit bezieht sich Werner auf Figuren mit einer Höhe von 14 Zentimetern. „Die Hände und Füße hab' ich selbst gemacht und gegossen, dann die Köpfe dran und alles miteinander maßstabsgetreu umgesetzt. Bart und Haare bestehen aus Zahnarztgips. Die mache ich nachträglich drauf. Ansonsten werden die Figuren natürlich eingekleidet und kaschiert – und bekommen auch einen Hut. Die Stoffmaterialien bearbeite ich, indem ich Leimwasser mit dem Pinsel auftrage und dann per Hand Form reinbringe. Nachdem alles getrocknet ist, ist die Kleidung fest. So hat sie eine Struktur und hängt nicht einfach nur lieblos vom Körper runter, sondern sieht auch mal so aus, als ob beispielsweise der Wind weht.“ Nach so viel Theorie will ich natürlich auch ein bisschen Praxis sehen. „Komm mit, Torsten“, sagt Werner und steht auf. „Wir gehen runter in den Keller, in meine Werkstatt.“ Auf dem Weg in die Kreativstube erzählt mir Werner noch, dass er seit 1997 bei den Krippenfreunden Straubing und seit 2006 bei den Welser Krippenfreunden Mitglied ist. Und die Werkstatt, liebe Leser, ist ein Paradebeispiel! Ein hell beleuchteter und vom Boden bis zur Decke vollgestellter enger Raum. Eine Drechselmaschine, eine Hobelmaschine, Feilen, Sägen, Pinsel, Hämmer, Schraubenzieher, Scheren, hunderte Werkzeuge auf dem Tisch liegend und an den Wänden hängend. Dazu kleine wie große Kartons und Schachteln, allesamt beschriftet. „Muss sein, sonst finde ich hier nichts mehr“, lacht Werner. Kisten mit Figuren, Kutschen, Kamelen, den Heiligen Drei Königen, einzelnen Ästen und ganzen Bäumen. Und das in allen erdenklichen Größen. Diverse Klebstoffe, Schraubstöcke, Gläser mit den unterschiedlichsten Flüssigkeiten – halt alles, was ein ambitionierter Handwerker so braucht. Wer hier nicht mit offenem Mund dasteht vor Begeisterung, ist definitiv ein Kunstbanause. Und als Werner mir ein Wandkripperl überreicht mit den Worten „Schau, das nimmst Du mit und verlost Du, wenn Du magst.“ Das lasse ich mir gewiss nicht zweimal sagen. Und somit freue ich mich, das folgende Kripperl unters niederbayerische Volk geben zu dürfen. Schreiben Sie mir einfach bis zum 10. Dezember 2023 eine Email mit dem Betreff „Kripperl“ an torsten.widua@mga.de, und mit etwas Glück gehört dieses wunderschöne Einzelstück Ihnen. Den Fernsehbeitrag hierzu finden Sie demnächst in unserer Mediathek: Bild: © Torsten Widua
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