61 von Torsten Widua „Welch ein wunderbar unterhaltsamer Abend“, „Eine spannende Reise in eine längst vergangene Zeit“, „Was für eine tolle Lesung mit musikalischer Begleitung am Akkordeon“. Nur drei Lobeshymnen der rund 80 Gäste, die sich am Donnerstag, den 19. Oktober 2023, im Dorfhaus Ganacker versammelt haben und den Worten von Schauspielerin Simone Bartzick und den Klängen von Schifferklavierspieler Daniel Zacher lauschten. Ein literarisch-musikalisches Stück in zwei Akten über das Leben von Maria Sigl, von allen „die Marl“ genannt. Geschichten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die mal melancholisch angehaucht waren, mal zum Schreien komisch und manchmal auch sehr traurig. Es wurde herzhaft gelacht, verlegen geschmunzelt und liebevoll gezwinkert – und manchmal senkten sich die Blicke des Publikums auch nachdenklich zu Boden, so ergreifend war manch Auszug aus dem Buch „Wer geht denn heet no boarfuouß in d'Kircha?“. In diesem Sinne: Vorhang auf und Bühne frei für Simone Bartzick und Daniel Zacher! „Kamera an?“ „Kamera an!“ „Servus Niederbayern und willkommen zu einer Sonderausgabe mit Aha-Effekt“, sage ich in Kamera eins. „Aha-Effekt deshalb, weil Sie vielleicht denken: 'Aha, den kenne ich doch!' Nein, nicht mich, sondern die Person neben mir, den Martin Bauer.“ Bestimmt wird ihn der ein oder andere Zuschauer wiedererkannt haben. Denn ich war Anfang August dieses Jahres schon einmal hier im Dorfhaus Ganacker. Es ging um den Kultur- und Förderverein, den engagierte Dorfbewohner im September 2019 gegründet hatten – rund anderthalb Jahre nach Schließung des ehemaligen „Gasthaus Moser“. Seitdem finden in den heiligen Hallen immer wieder Veranstaltungen statt: Am Stammtisch wird gekartelt, in geselliger Runde gefeiert, und ab und zu gibt's auch kleine Konzerte, Comedy & Kabarett und – wie an besagtem Donnerstag – eine Mischung aus Literatur und Musik. Nachdem sich der 1. Vorstand des Vereins, Martin Bauer, sowie Schauspielerin Simone Bartzick und ihr musikalischer Begleiter Daniel Zacher kurz vorgestellt haben, übergebe ich das Wort an Laurenz Schulz, seines Zeichens Kulturreferent Bezirk Niederbayern, der zugleich auch die Funktion als Veranstalter innehat. Er resümiert eine Zeit ohne Fernseher, Smartphone und Internet, erzählt auf unterhaltsame Weise von der Lesereise, die durch verschiedene Landkreise in ganz Niederbayern führt. Stets sind es Wirtshäuser, die als Bühne fungieren und „der Marl“ posthum eine ehrwürdige Plattform geben. 1993 ist sie gestorben, im biblischen Alter von rund 94 Jahren. Und bedenkt man, welchen Pfad des Lebens sie beschritt, muss man ihr ehrwürdigen Respekt zollen. Durch Eis und Schnee ist sie gestapft. Stundenlang. Kilometerweit. Körperliche Grenzgänge mit mühsamen Strapazen. Barfuß! Oder „boarfouß“, wie man in Böbrach, Landkreis Regen, sagte, aus dem „die Marl“ stammte. In geschickter, gekonnter und kreativer Tonalität gibt Simone Bartzick dem Publikum emotionale Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt von Maria Sigl. Mal in akzentfreiem Hochdeutsch, mal in tiefem Waidler-Dialekt. Das Publikum reagiert mit offensichtlichem Stirnrunzeln, innerlichem Achselzucken und hochgezogenen Augenbrauen. Oftmals folgt sodann die Übersetzung der Worte, die die Gäste partout nicht zuordnen konnten. Oftmals, aber nicht immer. Hin und wieder, wenn man eins und eins zusammenzählen kann, kommt man nach ein paar Sekunden selber drauf, was beispielsweise das folgende Zitat bedeutet: „Woart, geh her! Des zuig i mir ejtz owa. Do les i, dass d'Zäät besser vogejht.“ So weit können Sie mir bestimmt folgen, liebe Leser. Und auch den alten Spruch „Knedl und Schwammer, wei mir sinst nix hamma!“ werden sie deuten können. Aber was ist mit „Hintern himmihouha Hoizhaafa han i hundert Hosenhendl houstn hern“? 1 Wenn das für Sie nach kryptischen Worten klingt, geht's Ihnen ähnlich wie dem Publikum im voll besetzten Saal. Lautstarkes Gelächter schallt durch den ersten Stock im Dorfhaus Ganacker. Die Übersetzung hierfür und für die folgende Passage finden Sie am Ende des Artikels. „Frejhers hot ma omoi Haaxn ghot, wej a Stierhejter. Do is ma jaowei boafuaß krennt, da der Dreeg zwischn an Zejhern dur is. 'Loss 's gäih!', hot's ghoißn. 'Hoa s' am Foschindog um d'Bettstod ummi, na schäin sa si sejd.' 'S ganz Johr braocht ma si net bodn, wenn ma in Foschin d'Haaxn um d'Bettstod ummihaot. Des hamand s' oan frejhers gschofft, wenn ma deckerte Haaxn ghot hot.“ ² Ehrlich honorierter Szenenapplaus von den anwesenden Gästen für die wörtliche Darstellung der bekennenden Nicht-Waidlerin Simone Bartzick. Nach fünf- bis zehnminütigen Kapiteln folgt je ein musikalisches Intermezzo von Daniel Zacher. Von Rudi Zapfs „Weinschütz-Landler“ über das traditionelle Liedgut „Wer mir und meiner Schwoazn wos duad“ bis hin zur Eigenkreation Zachers „Sauhölzl-Polka“: Der Musiker entpuppt sich als wahrer Virtuose am Akkordeon und lässt das Bein eines jeden Gastes zum Takt mitwippen. Nach dem achten und somit letzten Buchauszug im ersten Akt: Pause. Zeit, um die trockenen Kehlen wieder zu befeuchten. Die Halbe Bier kostet hier im Dorfhaus schnäppchenhafte drei Euro, das Glaserl Wein vier. Und wer sich mit Emmentaler und Brezn oder Wiener mit Senf und Semmel stärken will, muss ebenfalls nicht tief in die Tasche greifen. Der Service im Dorfhaus funktioniert ganz hervorragend, die eifrigen Mitglieder des Vereins sind auf Zack
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