73 von Torsten Widua Können Sie sich noch an die Zeit erinnern, als Sie den Führerschein gemacht haben? Ich schon. Ist zwar schon ein paar Tage her – 27 Jahre, um genau zu sein – aber wenn ich daran zurückdenke, habe ich sofort ein Schmunzeln im Gesicht. Es war eine großartige Zeit, eine lustige – mit dem Ergebnis, dass ich tatsächlich auf Anhieb sowohl die theoretische als auch die praktische Prüfung bestand. Damals war man noch mit einem VW Golf, Viergang-Schaltgetriebe, auf den bajuwarischen Highways unterwegs. Elektrische Fensterheber und Klimaanlage? Genau: Fehlanzeige. Heute düsen die Fahrschüler teils in 220 PSstarken Automatik-SUVs durch die Stadt und übers Land, mit Tempomat und Rückfahrkamera. Ich selbst würde meinen Fahrstil als sportlich, aber immer vorausschauend bezeichnen. Wenn ich 50 fahren darf, fahre ich auch 50, nicht 30, nicht 40, nicht 45. Stoppschilder berücksichtige ich stets, ebenso bin ich ein großer Fan des Blinkens. Rechts vor links ... gut, lassen wir das. Mein letztes Blitzer-Ticket bekam ich vor vielen Jahren, ich habe keine Punkte in Flensburg, und auch mein letzter Unfall ist eine halbe Ewigkeit her. Nichtsdestotrotz wollte ich wissen: Würde ich heute noch einmal die Führerscheinprüfung bestehen? Aus diesem Grund habe ich mich mit Stefan Sittl in Verbindung gesetzt. Er ist Eigentümer der gleichnamigen Fahrschule in Straubing und natürlich auch Fahrlehrer. Seien Sie gespannt, ob ich Theorie und Praxis nach 27 Jahren noch einmal schaffen würde. 1.300 Fragen bis zur bestandenen Theorieprüfung Mit elf Fahrlehrern und drei Büroangestellten zählt die Fahrschule von Stefan Sittl zu den größten im niederbayerischen Raum. Glückwunsch nachträglich zum Jublläum übrigens! Denn letztes Jahr feierte Stefan das 50-jährige Bestehen der Fahrschule, die sein Vater gegründet und die Stefan 1995 übernommen hat. Seit 1989 ist der Straubinger bereits auf zwei und vier Rädern als Fahrlehrer unterwegs. Zusammen mit Kamerafrau Vroni und Mediengestalter-Azubi Wolfgang mache ich mich an einem Abend im September auf in die Straubinger Innenstadt, wo Stefan gerade vor gut zehn Schülern eine Theoriestunde abhält. Ich klinke mich als „Gastdozent“ mal ein und will von den Teilnehmern wissen, wie sie sich bei einem Fragenkatalog von 1.300 Fragen auf die Theorieprüfung vorbereiten. Der angehende Autofahrer Süleyman Ulusoy - siehe Foto - hebt die Hand und erklärt: „Logisches Denken und vorausschauendes Fahren spielen eine große Rolle, man muss im Straßenverkehr auch immer mit Überraschungen rechnen. Und genau darauf zielen die Prüfungsfragen auch ab. Zudem gibt es eine App mit allen Fragen. Die App ist so aufgebaut, dass man theoretisch alle 1.300 Fragen nach und nach abarbeiten kann. Es sind Videos dabei, die Verkehrssituationen zeigen – und man muss dann entscheiden, wer beispielsweise Vorfahrt hat. Zu meiner Zeit, das war 1996, gab es nur 600 Fragen im Katalog. Und man musste mit dem Kuli im Multiple-Choice-Verfahren Kreuzchen auf dem Papier setzen. Heute geht die Prüfung digital über die Bühne. Wer Interesse hat, kann übrigens im Internet eine simulierte Theorieprüfung mit 30 Fragen machen – auch findet man dort alle Fragen des gesamten Pools. Ich wäre mit vier Fehlerpunkten zu viel auf der Liste knapp durchgefallen. Zu meiner Verteidigung sei aber gesagt, dass ich die Bremswegformel nicht mehr auswendig kannte und mir irgendwie neu war, dass ich bei einer abknickenden Vorfahrtsstraße nicht blinken muss, wenn ich geradeaus fahren möchte. Nun denn. Wieder was gelernt. Die nächste Frage richte ich an Stefan und möchte von ihm wissen, ob heute mehr Leute durch die Prüfung rasseln als damals. „Die Durchfallquoten bei der praktischen Prüfung sind mit 25 bis 30 Prozent noch ungefähr gleich. Früher war es jedoch so, wenn man dreimal durchgefallen ist: MPU, medizinisch-psychologische Untersuchung, damals auch 'Depperltest' genannt. Heute kannst du die Prüfung grundsätzlich beliebig oft wiederholen. Allerdings sind Prüfer und Sachverständige verpflichtet, die Fahrerlaubnisbehörde zu informieren, wenn berechtigte Zweifel an der körperlichen oder geistigen Eignung des Schülers vorliegen. Auch dann kann es in Einzelfällen wiederum zur MPU kommen.“ Bei mir war es so: Ich habe Ende Juni Geburtstag und wollte bis dahin natürlich auch meinen Führerschein in der Tasche haben. Damals rechnete man für die Lehr- und Fahrzeit rund sechs Monate. Also meldete ich mich im Februar 1996 in der Fahrschule an. Stefan verfolgt seit rund sieben Jahren ein anderes Konzept: „Wir machen den Unterricht blockweise, ziehen an sieben aufeinanderfolgenden Werktagen die Theorie durch und manche melden sich dann bei entsprechendem Lernstand auch direkt zur Prüfung an. Danach geht's auf die Straße.“ Rasen auf der Autobahn Stichwort „Tempolimit auf der Autobahn“ ... wird es meines Erachtens in Deutschland nie geben, da wir sehr viele große und mächtige Automobilhersteller haben. Wem nützt beispielsweise ein Porsche Cayenne oder ein 7er BMW mit hunderten PS unter der Haube, wenn man nur 130 km/h fahren darf?! Die Antwort des angehenden Lkw-Fahrers Max Hasenclever dazu: „Ich bin Gegner des Tempolimits. Bild: © Torsten Widua Süleyman Ulusoy, Fahrschüler
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