18 Gesundheitsführer Die doppelte Krankheit Wenn körperliche Leiden und seelischer Druck belasten Vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter sehr speziellen Krankheiten. Trotz dieser in der Summe großen Zahl gelten ihre Erkrankungen als selten. Als Seltene Erkrankung wird eine Krankheit dann bezeichnet, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Und hier liegt das entscheidende Problem. Es existieren rund 8.000 unterschiedliche Seltene Krankheiten. Da sie in der Praxis des Arztes nur selten vorkommen, werden sie auch nur selten zutreffend diagnostiziert. Für die Betroffenen bedeutet dies viele ergebnislose Arztbesuche und auch Arztwechsel. Es braucht durchschnittlich Untersuchungen bei acht verschiedenen Ärzten und rund fünf Jahre, bis eine korrekte Diagnose gestellt werden kann. Besonders dramatisch ist dabei, dass 75 Prozent der Seltenen Krankheiten Kinder betreffen. Die Diagnostik verläuft zumeist nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Es werden Entwicklungsstörungen festgestellt, für die es viele Ursachen geben kann. Zunächst sind es oft harmlos erscheinende Probleme mit den Ohren, Schwierigkeiten beim Sehen oder eine nicht altersgerecht entwickelte Bewegungsfähigkeit. Das müssen nicht unbedingt Symptome sein, die auf eine Seltene Krankheit schließen lassen. Bei solchen Entwicklungsstörungen werden die Eltern oft mit einer vermuteten Diagnose und dem Hinweis, das werde sich noch geben, vertröstet. Wenn sich das Krankheitsbild allerdings nicht gibt, sondern häufig wiederkehrt oder sogar verschlimmert, sind die Eltern gefordert. Sie müssen beharrlich bleiben und ihre Antennen nach allen Seiten ausrichten. Vor allem dürfen sie nicht glauben, als übersensibel oder hysterisch zu gelten. Das ist nämlich die doppelte Erkrankung der Betroffenen. Es ist die soziale Komponente der Seltenen Krankheiten. Das Kind kann wegen seiner Störungen und Einschränkungen von anderen Kinder oder in der Schule ausgegrenzt werden. Und die Eltern leben in einer zunehmend nur noch durch die Krankheit und die Suche nach Lösungen geprägten Welt. Das gesamte soziale Leben verändert sich. Es ist eine Krankheit mit zweifachem Leidensdruck. Oft ist es dann die Eigeninitiative der Eltern in engem Kontakt mit den Ärzten, die schrittweise zur richtigen Diagnose und einer nachfolgenden Behandlung führt. So beginnt nach Abklärung gängiger Ursachen per Ausschlussverfahren die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Vielfach ist dazu auch eine genetische Diagnostik notwendig. Hilfreich und konstruktive Informationen bietet den suchenden Eltern das Internet. Wertvoll können dabei die Websites von kompetenten Selbsthilfeorganisationen wie ACHSE, MPS Deutschland und das National Aktionsbündnis NAMSE sein. - sup - Vorsorgeuntersuchung bei einem Kleinkind. Foto: stock.adobe.com/S.Kobold Essen soll Spaß machen! Kindern Genuss, Freude und Neugier vermitteln Das weit verbreitete Problem von Übergewicht, Untergewicht und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt immer mehr Eltern. Das früher beliebte Motto „es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“ scheint heute nicht mehr auszureichen. Die allgegenwärtigen Gesundheitsdiskussionen im Zusammenhang mit der Ernährung verunsichern Eltern zunehmend. Gelobt werden meist Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und Fisch. Diese als gesund bezeichneten Nahrungsmittel reichen für Kinder jedoch ebenso wenig wie für Erwachsene aus, um eine ausgewogene, abwechslungsreiche Versorgung des Organismus mit allen Nährstoffen sicherzustellen. Außerdem entsprechen sie selten den Geschmacksvorlieben der Sprösslinge. Hinzu kommt: Es ist fatal, wenn Essen und Trinken nur noch unter rein funktionalen Aspekten betrachtet werden. Damit wird die bedeutende Chance vergeben, positive Erlebnisse wie Genuss, Freude und Neugier mit Mahlzeiten zu verbinden. „Genuss ist elementarer Bestandteil der Selbstfürsorge und trägt zur seelischen Balance bei“, betont der Psychologe Dr. Rainer Lutz (Philipps-Universität Marburg). Als „Genuss-Experte“ hat er das Erlebnis-Portal genuss-tut-gut.de sowie das Ratgeber-Portal kommin-schwung.de mitgestaltet. Er appelliert an Eltern, ihren Kindern vorzuleben und zu vermitteln, dass Mahlzeiten kleine Genießer-Auszeiten und Geschmackserlebnisse sein können. In diesem Kontext haben Gesundheitsargumente oder gar Verbote nichts zu suchen, sondern wirken viel eher kontraproduktiv. Ohnehin ist es auch unter ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll, wenn Lebensmittel in Kategorien wie gesund oder gut beziehungsweise ungesund oder schlecht eingeteilt werden. Allein entscheidend für eine ausgewogene Versorgung ist nämlich die Gesamtauswahl und nicht einzelne Produkte. Und ob diese Gesamtauswahl und damit auch die Energiebilanz im Lot sind, hängt wesentlich vom jeweiligen Lebensstil ab. Kinder und Jugendliche, die täglich ausgiebig körperlich aktiv sind, brauchen sich um zu viele Kalorien keine Sorgen zu machen. Fazit der Ernährungspsychologen: Statt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, bloß bei der Ernährung der Sprösslinge nichts falsch zu machen, sollten Eltern ihren Kindern Freude und Spaß am Essen vermitteln, deren Geschmacksvorlieben berücksichtigen und gleichzeitig Lust darauf wecken, neue Nahrungsmittel auszuprobieren. Damit schaffen sie die besten Voraussetzungen, um Gewichtsproblemen und Essstörungen vorzubeugen. - sup - Gemeinsam das Essen zuzubereiten weckt bei Kindern das Interesse an einer gesunder Ernährung. Foto: Fotolia/contrastwerkstatt
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