26 Perspektiven Berufe gibt’s, die gibt’s gar nicht Der Weg zum Hundetrainer ist ein steiniger – und das, obwohl es für die Ausbildung keinen zertifizierten Lehrplan gibt Von Daniela Kossi Umkonditionierung, Desensibilisierung, positives Markersignal – die vier Teilnehmer der Videokonferenz werfen sich die Fachausdrücke wie Bälle zu. Lisa, Susanne und Sebastian lassen sich seit einem Jahr zum Hundetrainer ausbilden. „Die Ausbildung ist aber keine im klassischen Sinne“, sagt Christian Huber, Leiter der Hundeschule Bayerischer Wald. Denn Hundetrainer darf sich grundsätzlich jeder nennen, egal ob er die Sachkundeprüfung gemäß Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes absolviert hat oder nicht. „Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt“, erklärt Huber. Er schlug den Weg zum Sachverständigen für Hundewesen vor mehr als 13 Jahren ein. „Ich hatte schon immer Hunde, aber keiner davon war erzogen“, sagt der 51-Jährige und muss dabei selbst grinsen. „Da habe ich von einem Hundetrainer-Seminar gelesen und mich auf die Herausforderung eingelassen.“ Seither hat er eine Hundeschule eröffnet, gründete das Hundezentrum Bayerischer Wald, ist Sachverständiger für Hundewesen, begleitet Mensch-HundTeams in ihrem Alltag, bildet selbst Hundetrainer aus und besuchte zahlreiche Seminare im Bereich Kynologie, die Lehre von Rassen, Pflege und Verhalten der Haushunde. Bei Wind und Wetter auf dem Platz stehen? Von wegen. Sitz, Platz, Bleib – alles hört auf mein Kommado: Ist der Beruf des Hundetrainers damit gut zusammengefasst? „Nein, gewiss nicht“, sind sich Hubers Azubis einig. Die Wege, die sie später einschlagen möchten, sind dagegen ganz unterschiedliche: Die 27-jährige Susanne Czasa arbeitet in einer pädagogischen Einrichtung und möchte sich mit ihrem Hund Lui in Richtung Tiergestützte Intervention orientieren. In dem Bereich werden Tiere gezielt im Gesundheits- und Sozialwesen eingesetzt, um Menschen bei Therapien zu unterstützen. Ihr Kommilitone Sebastian Sachs leitete bereits die ein oder andere Kursstunde. „Ich sehe mich als Trainer auf dem Platz, kann mir aber auch vorstellen, im Bereich FührungskräfteCoaching zu arbeiten. Auf dem Gebiet gibt es interessante Ansätze, wie man in der Zusammenarbeit mit Hunden seine Führungsqualitäten verbessert. Anders als der Mensch kann der Hund keine Gefühlsregung verstecken und spiegelt sie seinem Gegenüber unmittelbar wider.“ Der 36-Jährige arbeitet in Vollzeit in der Versicherungsbranche und macht die Menschen und ihre Hunde beobachten – klingt nach einem Traumberuf. „Ich bin froh, dass ich einen Beruf ausüben kann für den mein Herz schlägt, aber der Weg zum Sachverständigen im Hundewesen ist kein leichter“, merkt Huber an. Seine Auszubildende Czasa kann das bestätigen: „Ich wusste, dass die Ausbildung anspruchsvoll wird. Aber der komplexe Stoff fordert mich sehr. Ich sitze aktuell viele Stunden am Schreibtisch.“ Drei Jahre, 1500 Seiten und sieben Prüfungen später Huber hat für seine Azubis ein 1500 Seiten dickes Skript erstellt. Da die Ausbildung nicht standardisiert ist, kann jeder Ausbilder die Module und Lerninhalte individuell zusammenstellen. Die Theorie- und Praxiskenntnisse, die sich seine Lehrlinge in ihrer zwei- bis dreijährigen Ausbildungszeit aneignen, werden in verschiedenen Prüfungen abgefragt: der Erwerb eines Hundeführerscheins, ein mündliches Fachgespräch, eine Theorieabfrage am Computer, das Halten einer Einzel- sowie einer Gruppenstunde und eine Videoanalyse von Hunden in verschiedenen Situationen. „Erst wenn meine Azubis all diese Prüfungen bestanden haben, kann ich sie zum Veterinäramt schicken. Dort legen sie die Prüfung für den Sachkundenachweis ab und können sich dann guten Gewissens Hundetrainer nennen.“ Die Zahl der Hunde in Bayern steigt seit Jahren an. Laut einer aktuellen Statistik für 2024 leben über zwei Millionen Hunde in bayerischen Haushalten. Jeder von ihnen sollte erzogen, ausgebildet und artgerecht ausgelastet werden – und Hundeschulen sind dafür die erste Anlaufstelle. Aus diesem Grund braucht es immer mehr gut ausgebildete Hundetrainer. Huber spricht sich dabei klar für eine standardisierte Ausbildung oder ein Studium aus. „Man könnte beispielsweise im Studienfach Biologie eine Sparte zur Hundetrainerausbildung eingliedern. Hundetrainer beschäftigen sich umfassend mit der Verhaltensbiologie von Hunden, da wären die Grundlagen aus der Biologie meiner Meinung nach die besten Vorkenntnisse. Ein Lehrplan mit standardisierten Modulen und die geschützte Berufsbezeichnung Hundetrainer fände ich sinnvoll und wichtig.“ i Online gibt es viele Möglichkeiten, sich über die Ausbildung zum Hundetrainer zu informieren. Empfehlenswerte Quellen sind diese: dogs-life-acadamy.com, dzkb.bayern, pro-hun.de, canis-kynos.de 1,5 Stunden Training auffällt: Huber spricht nie die Hunde an, er nimmt kein einziges Mal die Leine eines anderen Hundeführers in die Hand. „Als Hundetrainer muss man sich dessen bewusst sein, dass man viel mehr mit Menschen als mit Hunden arbeitet.“ Seine Aufgabe sei es, zu beobachten, die Körpersprache von Hund und Halter zu analysieren, Verhaltensmuster zu erkennen und anschließend Alternativen aufzuzeigen. „Die Leute können ihren Hund nicht bei mir abgeben, ich übe das Laufen an lockerer Leine und sobald der Hund das kann, gebe ich ihn wieder zurück. Auch wenn er bei mir das gewünschte Verhalten zeigt, heißt das noch nicht, dass er es auch bei seinem Besitzer macht.“ aufeinander zu, schicken ihre Hunde ins „Bleib“, entfernen sich wenige Meter von ihnen und begrüßen ihr Gegenüber mit einem Handschlag. Erst wenn Frauchen und Herrchen wieder bei ihrem Hund sind und das Auflöse-Signal geben, darf der Hund wieder mitlaufen. „Schau nicht so oft zu deinem Hund, blick in die Richtung, in die du gehen willst“, animiert Huber einen Labradorbesitzer. Ein mittelgroßer Mischling springt immer wieder in die Leine, sobald ihm ein anderer Hund entgegenkommt. „Bleib stehen, korrigiere ihn und warte bis er sich wieder beruhigt hat. Erst dann geht ihr an lockerer Leine weiter“, erklärt er der jungen Frau am anderen Ende der Leine. Was nach den Ausbildung zum Hundetrainer – wie alle Azubis von Huber – berufsbegleitend. Zwei- bis dreimal wöchentlich finden abends Videokonferenzen statt, in denen der erfahrene Hundetrainer seine Schützlinge beispielsweise in die Verhaltensbiologie, Lerntheorie oder Anatomie der Hunde einführt. Und dann sind da natürlich noch die Stunden auf dem Hundeplatz. Mehr Therapeut für Menschen, weniger Trainer für Hunde Szenenwechsel: Czasa und Lui trippeln an diesem kalten Januarvormittag am Großparkplatz Hagen in Straubing von einem Fuß auf den anderen. Mit einem Dutzend anderer Mensch-Hund-Teams haben sie sich zum „Social Walk“ angemeldet. „Heute arbeiten wir daran, dass eure Hunde entspannt neben euch weiterlaufen, wenn euch ein anderer Hund entgegenkommt“, erklärt Huber. Seine Auszubildende Czasa nimmt nicht als Kundin der Hundeschule teil. „Ich bin in erster Linie hier, um die Hunde und ihre Besitzer zu beobachten.“ Die Auszubildenden dürfen an allen Kursstunden, Seminaren und Workshops der Hundeschule kostenlos teilnehmen, um Huber über die Schulter zu schauen und verschiedene Trainingssituationen mitzuerleben. Der Hundetrainer lässt die MenschHund-Teams so viele Richtungswechsel wie möglich machen. Zwei Halter laufen Hundetrainer Christian Huber begleitet angehende Trainer auf dem Weg zum Sachkundenachweis. Foto: Goldendog Pictures/Sina Zweier Auszubildende Susanne Czasa mit ihrem Hund Lui Beim „Social Walk“ legen die Trainer ein besonderes Augenmerk auf entspannte Hundebegegnungen. Watson wartet auf das Auflöse-Signal seines Frauchens, um sich wieder aus dem „Bleib“ zu erheben. Fotos: Daniela Kossi
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