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55 'Die Nanny', in der ein Butler namens Niles vorkommt. Diese Rolle fand ich damals so humorvoll und zugleich weltfremd, sodass ich mich mit dem Berufsbild befasste. Natürlich war mir klar, dass die Figur des Niles überzeichnet und surreal war, aber schnell erreichte mich die Faszination, reichen Leuten auf höchst seriöser Weise zu dienen. Vielleicht bin ich eher so wie Butler Max aus 'Hart aber herzlich'. Es ist unfassbar spannend, weil man 24 Stunden am Tag unter einem Dach mit seinen Auftraggebern lebt, somit vieles mitbekommt – und dennoch obliegt es einem nicht, seine Meinung zu äußern. Es sei denn, man wird danach gefragt, was aber so gut wie nie vorkommt. Stillschweigen bewahren, Gehorsam vertreten, professionell auftreten und agieren. Ich könnte mittlerweile Bücher schreiben von Dingen, die ich weiß, von denen beispielsweise die Gattin nichts weiß – oder der Gatte. Oft bin ich die vertrauensvollste Person in diesem Mikrokosmos, und manchmal bin ich auch derjenige, den alles überhaupt nichts angeht.“ Hubertus und ich setzen uns auf eine Parkbank und lassen uns von den ersten Sonnenstrahlen im Frühling kitzeln. „Welche Aufgaben haben Sie?“, frage ich. „Mein Tag beginnt um fünf Uhr morgens“, erklärt Hubertus. „Ich gehe duschen, schlüpfe in mein schwarzes Arbeit-Outfit und bereite das Frühstück vor. Um sieben Uhr muss die Tafel gedeckt sein. Dazu zählt auch, dass ich die Maße der Tischdecke kontrolliere. Diese ist so zu platzieren, dass sie an allen vier Seiten exakt 37,5 Zentimeter nach unten hängt. Im Besteck muss man sich spiegeln können, die Zuckerdose und das Milchkännchen müssen rechtsplatziert stehen, da die Hausherren Rechtshänder sind. Eier kommen nur von freilaufenden Hühnern eines Biobauernhofs auf den Tisch – und manchmal werde ich mittags mit dem hauseigenen Helikopter nach Sylt geflogen, um frischen Fisch zu kaufen, den ich abends zubereite und serviere. Mit dem Hund Gassi gehen zählt ebenso zu meinen Aufgaben wie das Besorgen von Logeplätzen bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth. Mittlerweile bin ich sogar für die Playlists bei Amazon Music zuständig, suche nach geeignetem Filmmaterial auf Netflix und programmiere den Rasenmähroboter neu, wenn er mal hängt. Meine Arbeitgeber gehen technisch durchaus mit der Zeit.“ „Und welche Freiheiten haben Sie?“, erkundige ich mich. „Bei einem Sieben-Tage-Job pro Woche mit 13 Stunden Arbeitszeit pro Tag bleibt nicht viel Freiraum“, erklärt mir Hubertus. „Doch a) wusste ich das vorher und b) ist mein Beruf meine Berufung, meine Passion. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.“ „Und der Verdienst ist bestimmt auch nicht ohne“, erwähne ich beläufig und augenzwinkernd. „Da wir hier in anonymisierter Form sprechen, kann ich mein Jahresgehalt von 125.000 Euro durchaus erwähnen“, sagt Hubertus. „Außerdem habe ich natürlich Kost und Logie frei, muss also weder Lebensmittel für mich kaufen noch Miete bezahlen.“ In fünf, sechs Jahren will sich Hubertus zur Ruhe setzen. Er habe all die Jahre gut verdient, erst als Koch und Küchenchef und dann als Butler. Und in den letzten konnte er natürlich nahezu allen Verdienst auf die hohe Kante legen, da er selbst so gut wie keine Ausgaben hatte. „Führt man auch mal Privatgespräche mit den Herrschaften?“, erkundige ich mich. „Jein“, verrät mir Hubertus zweideutig. „Wenn es zu später Stunde nichts mehr zu tun gibt, lädt mich der Hausherr schon mal im Kaminzimmer auf eine kubanische Zigarre ein. Oder die Hausherrin spendiert mir etwas Hochprozentiges zum Tagesausklang. Aber mir wurde beispielsweise noch nie die Frage gestellt, warum ich nicht verheiratet sei, welche Hobbys ich vor meiner Butlerzeit hatte oder welches mein Leibgericht sei. Im Gegenzug weiß ich jedoch sehr viel. Und ... Ich sag's mal so: Einiges davon sollte die Gattin besser nicht erfahren. In erster Linie bin ich aber die gute Seele des Hauses, halte mich dezent im Hintergrund, bewege mich möglichst unauffällig, habe offenkundig möglichst keine eigene Meinung, bin aber stets verfügbar.“ Hubertus steht auf und blickt in den wolkenlosen Himmel. „Ganz wichtig sind auch Umgangsformen“, fällt ihm spontan ein. „Und auch wenn wir hier in Bayern sind, so spreche ich stets in klarem Hochdeutsch zu meiner Herrschaft, und ich verwende nie Slang- oder Umgangssprache. Ein adrettes Auftreten, stets mit Schlips oder Fliege, gehört ebenso dazu. Frisch poliertes Schuhwerk, manikürte Fingernägel, eine glatte Rasur sowie makellose Zähne. Respekt, Zurückhaltung und Unauffälligkeit sind noch ein paar Schlagworte, die auf meinen Beruf zutreffen.“ Wenn er in Rente ist, will Hubertus ein Buch schreiben. Ein Buch über seine spannende wie illustre Zeit als Butler. Und: Jede Wette! Das wird ein Bestseller. Denn zu erzählen hat der 54-Jährige so allerhand. Bild: © bondvit – stock.adobe.com

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