64 Mit neuen Farben und frechen Schnitten in die Volksfest-Saison 2024 Ich fasse mich mit Daumen und Zeigefinger nachdenklich ans Kinn und frage: „Alle Kreativen holen sich ja irgendwoher ihre Inspiration. Wo sitzt deine Quelle?“ Melanie lacht. „Ich orientiere mich ganz klassisch am Modemarkt, den ich mit Argusaugen beobachte. Ich schaue, welche Schnitte es bereits in der Vergangenheit gab, sehe mir Farben und Stoffe an, indem ich – wie morgen zum Beispiel in München – auf Stoffmessen gehe. Ich erstelle ein sogenanntes Moodboard, während ich mir überlege, was im Trend ist und welche Farben, Formen und Stoffe in der neuen Saison in sein werden.“ Mit „neue Saison“ bezieht sich Melanie auf das Jahr 2025. Für '24 steht bereits alles. Beziehungsweise hängt. Denn Melanies Laden ist voll von exklusiver Tracht, aber keinesfalls überladen. Man hat viel Platz zum Stöbern, Anfassen, Anziehen. „Und obwohl hier die Ware auf der Stange hängt, gibt es hier keine Ware von der Stange“, werfe ich in Scherzkeksmanier ein. Die Mädels lachen. „Was den Trend für dieses Jahr angeht, gehst du mit gutem Beispiel voran?“ Ich trete zwei, drei Schritte von Melanie zurück und bestaune sie von oben bis unten. „Ja, das Dirndl, das ich gerade anhabe, ist das Ergebnis von dem, was ich vorhin gesagt habe: ein altbewährter Schnitt neu und modern interpretiert.“ „Beschreib' doch mal, was dieses Jahr in ist“, fordere ich Melanie liebevoll heraus. „Das ist ganz einfach erklärt“, strahlt sie. „Es geht weg von den Spitzenblusen, alles wird fließender, weicher. Nach wie vor sind aber schwarze Blusen total im Trend. Die waren auch im Herbst 2023 schon sehr angesagt. Was die Farben angeht, würde ich sagen, dass wir 2024 auch wieder viele klassische Farben sehen werden. Rot, grün, blau. Das ist zeitlos und geht immer. Es gibt mit Petrol eine neue Trendfarbe. Und auch hier orientiert man sich an der normalen Modebranche, was farblich gerade gefragt ist. Ich lasse mich da von vielen Seiten inspirieren, stöbere in Modemagazinen und im Internet nach Trends und schaue mich halt generell sehr genau um.“ Vom Entwurf zur fertigen Tracht „Auch wenn du keine hundert Stück pro Dirndl anfertigst: Wenn ich mich hier so umsehe, würde ich sagen, dass du das trotzdem nicht alles alleine herstellen kannst.“ „Da liegst du vollkommen richtig. Meine Stückzahl ist zwar beschränkt und überschaubar, aber als One-Woman-Show geht das nicht.“ Melanie lacht. „Wenn der Entwurf fertig, die Farb- und Stoffauswahl getroffen und der Schnitt gemacht ist, geht's in die Näherei.“ „Und Auftragsarbeiten?“, frage ich stirnrunzelnd nach. „Mache ich nicht mehr“, erklärt Melanie. „Das wäre ein zu großer Zeitaufwand. Früher: ja. Aber das geht heute nicht mehr.“ „Und was ist momentan dein Tagesgeschäft?“, will ich wissen. „Ich erstelle gerade das Moodboard für die Trends 2025. Das mache ich einmal pro Jahr, weil einmal im Jahr zum Frühjahr hin meine neue Kollektion rauskommt. Ich fahre morgen nach München auf die vorhin schon erwähnte Stoffmesse und halte Ausschau nach für mich passenden wie geeigneten Stoffen. Ich gucke, was ich mir für meine Kollektion gut vorstellten könnte. Danach geht's an den Entwurf bzw. gibt es diesen teilweise schon. Und dann schaue ich, welcher Oberstoff beispielsweise zu welcher Schürze passt, nähe ein Muster, nehme gegebenenfalls Änderungen vor. So lang, bis ich zu 100 Prozent zufrieden bin. Und wenn dann alles passt, geht es in die Produktion, damit ich meine neue Kollektion quasi heute in einem Jahr in meinen Laden hängen kann.“ „Mich würde noch etwas interessieren“, Kamerafrau Michi lurrt neben der Linse hervor, „was dein Spezialgebiet ist, oder was der von dir vorhin angesprochene Wiedererkennungswert ist?“ „Guuuuute Frage“, denke ich heimlich, still und leise – und überlasse das verbale Feld der Dirnd-Designerin. Die sagt: „Ganz klar: Rock mit Schürze. Das gibt es in dieser Form nur bei mir. Der Gedanke dahinter war, wenn jemand nicht unbedingt die passionierte Dirndlträgerin ist, aber dennoch trachtig aussehen möchte – dann greift sie gut und gerne auf den Rock zurück. Kombiniert mit T-Shirt, Pulli, Longsleeve oder Lederjacke – und schon ist sie perfekt und fertig angezogen.“ Perfekt und fertig – das ist hoffentlich auch dieser Artikel. Michi macht noch ein paar Aufnahmen für die Schnittbilder, ich ein paar Fotos für die Geschichte hier im Heft. Wir plaudern noch ein bisschen, während Michi das Kamera-Equipment zusammenpackt und ein Stoßgebet zum Himmel schickt: „Ach Gott, hoffentlich hab' ich keinen Strafzettel. Das hat ja jetzt doch länger gedauert als ich Geld eingeworfen hab'.“ Die gute Nachricht zum Schluss: Michi hat Glück gehabt. Hier der Link zur Sendung: Bild: © Torsten Widua
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