BigCl!t – an diesem Künstlernamen entfachte sich über Monate hinweg die immer gleiche Diskussion. Vor allem in Sozialen Medien. Irgendwie lustig: Weil der Name als Aufreger allein nicht besonders gut funktioniert, übersetzt man ihn in der digitalen Scharfmacherei zusätzlich immer schön ins Deutsche: Große Klitoris. Jetzt wird der Skandal für den durchschnittlichen Facebook-Nutzer schon greifbarer. Und ja: Es irritiert auf den ersten Blick natürlich, wenn in einer Kinderbuchlesung jemand mit dem Künstlernamen BigCl!t angekündigt wird. Das sieht auch Alice Moe so, die sich für ihre Rolle als Drag King eben jenen Künstlernamen gegeben hat. „Ich kann nachvollziehen, dass man, wenn man den Namen zum ersten Mal hört und die Bilder von mir dazu sieht, denkt: Um Gottes Willen“, sagt sie in einem ZEIT-Interview. Nun ist es so: Alice Moe liest nicht nur Kindern vor, sie hat als Künstlerin auch ein Programm im Angebot, das sich speziell an Erwachsene richtet. Auch davon existieren Fotos im Internet. In Sozialen Medien wird beides gerne vermischt, um zu zeigen: Das können wir unseren Kindern nicht zumuten! Nur: Alice Moe kann unterscheiden. Welche Show ist für Erwachsene, welche für Kinder? Die eine Show ist freizügig, die andere nicht. Eine Differenzierung, die vielen der Diskutanten nicht gelingt – oder gelingen will. Alice Moe hat Soziale Arbeit studiert und arbeitet als Sozialarbeiterin in einem Jugendzentrum in Linz. Es war also nicht verwunderlich, dass da am 04. März in der Fronte 79 niemand im großen Klitoriskostüm auf die Bühne trat und sich auch nicht vor den Kindern als BigCl!t vorstellte, sondern als: „Eric. Prinz Eric.“ Die „Drag-Lesung für Familien“ fand im Rahmen des Ingolstädter Fem*Festivals statt. Die vorgelesenen Kinderbücher vermitteln im Grunde die gleiche Botschaft: Du bist gut, so wie du bist. Auch dann, wenn du nicht in die Rolle passt, die die Gesellschaft dir vorgibt. An der Seite von Drag King Eric BigCl!t las Drag Queen Vicky Voyage. Das Ganze war am Ende so harmlos, dass selbst die Freien Wähler - die vor der Lesung in einer Pressemitteilung dagegen gewettert hatten - nach der Lesung zu folgendem Urteil kamen: "absolut in Ordnung". Mit dem in der Diskussion immer wieder ins Feld geführten Kampfbegriff der "Frühsexualisierung" hatte die Lesung also nichts zu tun, aber vielleicht sollte man einmal die Perspektive wechseln. Macht es das Leben eines Kindes besser, wenn es nichts von Homo- oder Transsexualität weiß? Wenn es sich fragt: Was stimmt nicht mit mir? Wenn es nicht versteht, warum es sich „im falschen Körper“ fühlt? Oder ein Leben lang das Gefühl hat, sich vor den Eltern, der Gesellschaft, verstecken zu müssen? Lob hat das Kulturamt verdient: trotz sicherlich enormen Drucks knickten die Verantwortlichen zu keiner Zeit ein. | Kommentar & Foto: Sebastian Birkl Eric. Prinz Eric 16
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