espresso Magazin im Februar

83 POLITIK SIE SIND INGENIEUR. WIE KAMEN SIE ZUR POLI- TIK UND WO HABEN SIE SICH IN DEN VERGAN- GENEN JAHREN ENGAGIERT? Ja, ich habe technische Physik an der FH in München studiert und betreibe ein kleines Ingenieurbüro in Pfaffen- hofen. 2007 wurde mir aber klar, dass es im Bereich Ener- giewende etwas zu tun gibt und ichwollte dieseVerantwor- tung nicht länger auf „andere - auf die Politik der anderen“ abschieben sondern wollte es selbst in die Hand nehmen. Und so sah ich 2008 die Verantwortung bei mir, mich da- für aktiv zu engagieren. Ich habe zusammen mit Markus Käser,Thomas Herker und anderenMitstreitern den Ener- gie-und Solarverein gegründet und mich für das Amt des Stadtrates auf der SPD Liste als parteiloser Kandidat zur Wahl gestellt. 2012 habe ich die Bürger-Energie-Genossenschaft gegrün- det um eine sozialgerechte Energiewende zu gestalten und Bürger zu beteiligen – mittlerweile sind wir eine der größ- ten Bürgerenergie Genossenschaften in Bayern mit rund 750Mitgliedern! Seit 2014 bin ich imStadtrat Pfaffenhofen Referent für Energie und Klimaschutz und bei den Stadt- werken imVerwaltungsrat. Das Engagement in der Politik sehe ich übrigens völlig uneitel, vielmehr als Verpflichtung sich in der Gesellschaft zu engagieren wie jeder der im Ehrenamt tätig ist ohne dass unsere großartige Gesellschaft nicht funktionieren würde. Dabei habe ich meine Fähigkeiten eingebracht wie ein Sporttrainer oder viele andere, die sich im Ehrenamt engagieren. Ein kleines Beispiel sei mir dazu vielleicht gestattet - mit der Rekommunalisierung unseres Stromnetzes in Pfaffen- hofen ist esmir gelungendenPfaffenhofener Stromkunden jedes Jahr rund 1 Mio. Euro durch geringere Netzentgelte zurückzugeben. Das ist für mich auch eine Art von regio- naler Wertschöpfung! SIE SIND EIN TÜFTLER. WAS HABEN SIE SCHON ALLES ERFUNDEN? GIBT ES PATENTE? Mit 14 Jahren habe ichmit einer selbstgebauten Lasershow mein Taschengeld etwas aufgebessert, das war 1992 schon etwas Besonderes . Ansonsten hat mich schon immer Technik fasziniert, die uns Menschen weiter bringt. Für die ÖBB habe ich eine Konzeptstudie für eine Akkulok mitentwickelt und natür- lich begeistert mich das Thema Energieeffizienz. Zusam- men mit der Firma Xella habe ich für mein Plusenergie- haus einen Dämmstein entwickelt. Das Gebäude wird nur mit selbsterzeugtem Solarstrom vom Dach beheizt - dazu musste ich eine eigene modulierende Solewärmepumpe konzipieren. Patente habe ich bisher keine angemeldet, mich würde es mehr freuen, wenn es nachgebaut wird! GIBT ES ETWAS, DASS SIE GERNE NOCH ERFINDENWÜRDEN? „ Ich würde gerne einen Elektro-DeLorean mit Fluxkompensator um Zeitreisen zu können erfinden! Aber fürs Erste wäre auch das Hoverboard wie bei Zurück in die Zukunft schon eine schöne Sache. UNSERE INDUSTRIE IST DIE WOHLSTANDSGA- RANTIE FÜR UNSERE REGION. WIE KÖNNENWIR UNSEREN INDUSTRIESTANDORT UND ARBEITS- PLÄTZE SICHERN UND GLEICHZEITIG UNSERE UMWELT SCHÜTZEN? Das habenmittlerweile die größtenUnternehmen derWelt begriffen, dass nur mit einer nachhaltigen Wirtschaftswei- se unser Wohlstand Bestand hat. Der Landkreis mit seinen 19 Gemeinden kann dazu Infrastruktur und Rahmenbe- dingen schaffen. Das reicht von nachhaltigen Gewerbege- bieten, die einenMehrwert zur Energieproduktion, Natur- und Artenschutz bieten über eine Mobilitätsgarantie für unsere Landkreisbürger. Mit intelligentem Bedarfsverkehr muss jeder Azubi seinen Arbeitsplatz erreichen können und die beste Ausbildung im Landkreis bekommen. Dazu werde ich einen Standort für einen Ausbildungs-Campus mit Wohnheim suchen und innovative Startups fördern. Ich bin selbst seit 21 Jahren Unternehmer und weiß, dass das wichtigste Planungssicherheit für Investitionen ist – dann ist Technik und Umwelt auch keinWiderspruch. WIE SCHAFFEN SIE DIE ENERGIEWENDE IM LANDKREIS PFAFFENHOFEN? Energiewende bedeutet für mich nicht nur Energie de- zentral und erneuerbar zu erzeugen, sondern auch eine Demokratisierung der Energieversorgung. Mit einem Regionalwerk möchte ich jährlich 130 Millionen Euro an Wertschöpfung bei der Energieversorgung zurück zu den Menschen in den Landkreis holen. Wennwir neben Sonne und Wind noch die Potentiale aus Reststoffen nutzen, die der landkreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb bisher unge- nutzt lässt und Effizienz ernst nehmen, sehe ich für diesen wunderbaren, vielfältigen Landkreis kein Problem. REGIONALER BAUERNMARKT, BODENALLIANZ, REGIONALE SCHULKÜCHE, BÜRGERWINDPARK. SIND DAS ERFOLGSVERSPRECHENDE PROJEKTE AUS PFAFFENHOFEN, DIE SICH AUCH AUF DEN GESAMTEN LANDKREIS ERWEITERN LASSEN? Der Landkreis ist mit seinen 19 Gemeinden landschaft- lich vom Jura bis zum tertiären Hügelland sehr unter- schiedlich aber auch strukturell gibt es starke Kontraste. Mehr Bürgerbeteiligung und grundsätzlich die Förde- rung von Direktvermarktung sind auf jeden Fall auch ein Erfolgsprojekt im Kreis. IHREM WAHLSLOGAN „DEM INGENIEUR IST NICHTS ZU SCHWER“ NACH, TRAUEN SIE SICH AN ALLE PROJEKTE IM LANDKREIS RAN. WO SEHEN SIE DIE TOP 5 DEFIZITE UND WIE SEHEN HIERFÜR LÖSUNGSANSÄTZE AUS? - Beim ÖPNV belegen wir Platz 393 von 401 Landkrei- sen und kreisfreien Städten in Deutschland und haben zudem eine der höchsten KFZ Dichten in Deutschland. Hier muss man vielleicht mal klarstellen, dass der öffent- liche Personennahverkehr (ÖPNV) zu den Aufgaben des Landkreises gehört und im Nahverkehrsgesetz geregelt ist. Das Ziel muss sein, dass man sich das Zweitauto spa- ren kann. Dazu müssen wir emissionsfreie Alternativen schaffen, ummit einer menschengerechten Verkehrspla- nung allen Bürgern im Landkreis eine Mobilitätsgarantie geben zu können. Die Flexibilisierung des ÖPNV kann dabei auch in dünn besiedelten, peripheren Räumen ein ÖPNV-Angebot auf schwach nachgefragten Linien ermöglichen. Für die kleineren Gemeinden brauchen wir flächendeckend Rufbusse und eine überregionale Zusammenarbeit bei Mobilität. Flankierend müssen Angebote, die uns die Digitalisierung bietet, genutzt werden und ein Pend- lerportal eingerichtet werden sowie Dorfteiler Autos (CarSharing im ländlichen Raum) vom Regionalwerk in Kooperation mit Kommunen angeschafftwerden. - Bei der Energiewende sind wir unterdurchschnittlich in Bayern, hier muss der Landkreis mehr Erneuerbare Energien ausbauen. Wir brauchen ein gemeinsames Ziel für den Landkreis bis 2030 und müssen Regionalwerke gründen für Regionalstromvertrieb und Ausbau EE um das Potential von 130 Mio. Euro an Wertschöpfung zu nutzen. Der AWP kann eine Biogasanlage mit bioge- nen Reststoffen bauen. Im Bereich Mobilität sollten wir Biomethan und Wasserstoff-Tankstellen sowie E-La- destationen im ganzen Landkreis ausbauen. Und die Digitalisierung endlich auch im Bereich Energiewende stärker nutzen, um Erzeugung und Verbrauch stärker zu koppeln.

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