espresso Magazin im Februar

92 POLITIK FDP hat einiges an Klientelpolitik abgelegt und ist zum Grundgedanken zurückgekehrt. Nämlich, dass der Liberalismus für den einzelnenMenschen etwas positives sein soll. Was auch bedeutet, dass die soziale Marktwirtschaft wieder deutlich stärker in den Fokus gerückt ist. Das gefällt mir sehr. Da Sie die soziale Marktwirtschaft ansprechen: Haben Sie politische Vorbilder? Ludwig Erhard zum Beispiel? Ludwig Erhard ist kein politisches Vorbild (lacht). Das ist eine gute Frage, darüber habe ichmir noch nie Gedanken gemacht. Ein großes politisches Vorbild habe ich tatsächlich nicht. Ich bewundere Politiker, die ihren Weg gegangen sind – unab- hängig davon, ob ich ihre politische Einstellung teile. Norbert Lammert, der ehemalige Bundes- tagspräsident, hat mich immer sehr beeindruckt. Es gab aber natürlich auch in der FDP einige alte Granden. Ich selbst versuche Politik zu machen, von der ich überzeugt bin und dabei nicht zu tak- tieren oder andere anzugreifen. Mein Eindruck ist, je schärfer etwas formuliert ist, desto einfacher ist es in der Presse. Das ist aber nicht mein Stil. Ich glaube, dass wir in Ingolstadt zu wenig miteinan- der und zu viel gegeneinander machen. Ich bin absolut bereit für meine Themen auf sachlicher Ebene zu streiten. Das ist meine Leidenschaft. Aber ich bin auch absolut bereit, danach gemein- sam ein Bier trinken zu gehen. Politik sollte über Ideen überzeugen. Im Dezember hat die FDP Bayern ein Hand- lungskonzept gegen Antisemitismus erarbei- tet. Was war Ihre Rolle dabei? Als Teil des Landesvorstands der FDP habe ich daran mitgewirkt. Auf dem Parteitag gab es einen Antrag, der in den Grundzügen auch der Antrag ist, der jetzt verabschiedet wurde. Dabei geht es um viele Details. Antisemitische Straftaten nehmen zu. Wo se- hen Sie die Ursachen dafür? Auch für das allge- mein schärfere Klima in der Gesellschaft. Wenn wir uns die Kriminalstatistik ansehen, dann ist es ja nicht so, dass wir in Bürgerkriegszeiten leben. Ganz im Gegenteil. In Bayern ist es sehr friedlich. Erschreckend ist aber der Anstieg ins- besondere der antisemitischen Straftaten. Über die Sozialen Medien ist es leichter geworden, in bestimmte Gedankenwelten einzutreten und in diesen dann gefangen zu sein. Hier werden Welt- bilder propagiert, diemit einem liberalenWeltbild so rein gar nichts zu tun haben. Wir sehen, dass wir insgesamt ein rechtsradikales Problem haben. Wir haben einen starken Rechtsruck, ein Teil davon ist der Antisemitismus. Insbesondere in den Neuen Ländern gibt es u.a. mit PEGIDA Bewegungen, die ein großes Problem sind. Das lässt sich auch in der politischen Landschaft beobachten. Dramati- scherweise auch in Ingolstadt. Man sollte denken, dass Ingolstadt mit einem Median-Einkommen von 4.500 Euro der Hort der Seeligen ist. Was die Wahlergebnisse angeht, ist das aber weit gefehlt. Man kann hier viel mutmaßen: die Angst vor dem Abstieg oder die manchmal in den Medien oft unklare Differenzierung zwischen den Parteien. Für mich ist manchmal auch nicht ganz klar, für was die Parteien stehen. In Bundestagsdebatten wird es deutlicher. Es gibt aber auch noch den Antisemitismus bzw. Antizionismus, der im Ara- bischen verankert ist. Hier müssen wir auch darü- ber nachdenken, wie wir handlungsfähig werden. Von der Anzahl her ist das noch ein relativ kleines Problem. Aber wir dürfen nichts ausschließen. Wir müssen auf allen Ebenen gegen Antisemitismus vorgehen. Es kann einfach nicht sein, dass man in Deutschland nicht mit einer Kippa durch die Stadt laufen kann. Das ist gegen alles, wofür ich politisch einstehe. WITZKANDIDATUREN HABENWIR GENUG Was könnte helfen? So früh wie möglich über Bildung und Aufklärung wirken, um gegen Verschwörungstheorien vorzu- gehen. Dieser Bildungsansatz wurde in Deutsch- land nicht immer optimal umgesetzt. Die Ergeb- nisse sehen wir jetzt. Die Aufklärung beschränkt sich zum Teil auch auf Gymnasien, was ich total absurd finde, weil es ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. Das muss in jeder Schulart behandelt werden. Wir müssen auch im Internet eine konse- quente Strafverfolgung durchsetzen. Dafür haben wir den Rechtsstaat. Mit dem Löschen ist es nicht getan, wenn antisemitische Straftaten begangen werden. Die Verrohung der Gesellschaft bereitet mir sehr viele Sorgen. Es ist eine große Herausfor- derung. Wir sehen mehrere Spaltungslinien durch die Gesellschaft. Wir müssen Antworten entwi- ckeln und Ängste vor der Zukunft nehmen. Ich halte aber nichts von Schwarzmalerei. Natürlich kann es zu einer Wirtschaftskrise kommen, aber Deutschland ist ein Landmit einer durchschnittlich sehr hohen Bildung. Wir haben innovative Unter- nehmen, wir haben tolle Ingenieure, manchmal sollten wir auch ein bisschen selbstbewusster sein. Umweltschutz ist ein großes Thema, bei dem die FDP nicht besonders gut punkten kann. Medial würde ich Ihnen zustimmen, inhaltlich nicht. Was wären denn konkrete Ideen der FDP Ingolstadt im Bereich Umwelt? Gerade wird Umweltschutz immer mit dem Klima gleichgesetzt. Das Klima ist davon natürlich ein Teil, es gibt aber auch noch andere Aspekte im Umweltschutz. Zum Klimaschutz: das einzige, was eine Kommune dabei vernünftig machen kann ist zu schauen, dass sie einerseits möglichst wenig emittiert und andererseits möglichst viel CO 2 auf- fängt – zum Beispiel durch das Pflanzen von Bäu- men. Da braucht man aber schon ziemlich viele. Herr Lösel wird öfter für “seine” 1 Million Bäume kritisiert. Das klingt zwar erstmal viel, wenn man es dann allerdings durchrechnet… …ist es nicht so viel. In den Niederlanden sind die städtischen Bushaltestellen mit Gründächern aus- gestattet. Das wirkt zuerst nicht viel, aber wir ha- ben mehrere hundert Haltestellen. Wenn man das hochrechnet, ist es eine beachtliche Fläche. Das hat mehrere positive Effekte: zum einen den Küh- leffekt, zum anderen haben Bienen und Insekten mehr Lebensraum. Das kann ich mir für Ingolstadt gut vorstellen. Die Initiative Star City versucht durch bessere Abschirmung die Lichtemissionen zu begrenzen. Dadurch strahlt weniger Licht in die Atmosphäre. Das ist sehr erfolgreich und bringt auch den Insekten viel, weil sie nachts die Licht- quellen anfliegen und dort verenden. Oft sind es die kleinen Dinge, die einen großen Erfolg brin- gen. Ich verstehe auch nicht, warum Ingolstadt eine “Grün GmbH” und keinen Landschaftspfle- geverband will, der aus Bauern der Region und Naturschutzverbänden bestehen würde, die sich um die Brachausgleichsflächen kümmern. Denken Sie, Sie wären ein guter Oberbürger- meister? Ja, sonst wäre ich nicht angetreten. Witzkandida- turen haben wir genug.

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