espresso Magazin im Februar

93 POLITIK Zum Beispiel? Ganz explizit DIE PARTEI, die mit einer Kölner Kandidatin, die nicht vorhat, in Ingolstadt zu er- scheinen, kandidiert. Das Recht steht ihnen demo- kratisch zu, allerdings hat die Demokratie für mich einen wahnsinnig hohen Stellenwert. Ich bin tief davon überzeugt, dass die Demokratie das beste System ist, das wir haben und dass es für jeden Einzelnen große Vorteile bietet. Das ist für mich persönlich ein zu ernstes Thema, um damit Satire zu betreiben. Andere sehen das anders und das sei ihnen auch zugestanden. Ich lache da auch gerne mal drüber, die Frage ist aber irgendwann: was pas- siert in Ämtern?Wenn ich bei allen Entscheidungen mit Ja/Nein abwechsle (Satiriker und MdEP Martin Sonneborn stimmt im EU-Parlament abwechselnd mit Ja/Nein, Anm.), nehme ich das aus meiner Sicht moralisch nicht ernst genug. Herr Sonneborn spricht im EU-Parlament man- che Probleme sehr deutlich an – auch wenn er das auf seine Weise macht. Das spreche ich ihm gar nicht ab. Damit ist er nicht alleine, das tun einige Satiriker. Natürlich werden damit politische Themen anders angesprochen und das ist auch eine ganz wichtige Rolle der Refle- xion. Die Frage ist, obman es so weit treiben sollte, dass man dafür Mandate erhält. Zurück zum Thema: Warum wären Sie ein guter Oberbürgermeister? Ich glaube, ich bin ein geradliniger Typ, der den Vorteil hat, hier keine große Abhängigkeiten zu haben. Ich vertrete mein Programm – und entwe- der es funktioniert oder es funktioniert nicht. Ich versuche die Leute zu überzeugen, aber nicht sie zu überreden. Ich versuche, Ingolstadt integrativ und themenorientiert nach vorne zu bringen - ohne einen Konflikt zu schüren. Konfrontativ auf Theme- nebene darf es schon sein, aber eben nicht auf per- sönlicher Ebene. Ich glaube, dass ich in der Lage wäre, Ingolstadt eine Zukunftsperspektive als Stadt zu zeigen, die über das bisherige Maß hinausgeht. Sie sagen, Sie würden als OB gerne integrativ handeln... (lacht) Jetzt kommt die Frage mit der AfD. Ganz genau. Im Dezember gab es eine große Diskussion darüber, ob man Anträge der AfD im Stadtrat generell ablehnen sollte – auch wenn das Thema an sich vielleicht sogar diskussions- würdig sein mag. Der Antrag von AfD-Stadtrat Bannert fand mit den Stimmen von CSU und FW eine Mehrheit. Die anderen Parteien stimmten dagegen - auch Ihr Parteikollege Herr Ettinger. Ich glaube, es gab auch sachliche Gründe, warum er dagegen stimmen konnte. Es ist eine schmale Gradwanderung. Ich teile nicht die Meinung von Herrn Siebicke “Wenn die AfD das eine sagt, müs- sen wir das andere sagen”. Die AfD stimmt unseren Anträgen imBundestag auch teilweise zu. Was wol- len wir machen? Den Antrag zurückziehen, weil wir die Gefahr sehen, dass die AfD zustimmen würde? Das wäre absurd. Es geht eher darum, ob die FDP Anträgen der AfD zustimmen würde. Also von mir hören Sie eine ganz klare Abgrenzung zur AfD. Die AfD ist für mich eine Partei, die die frei- heitlich demokratische Grundordnung der BRDmit Füßen tritt. Das ist eine Partei, mit der ich in keiner Form die aktive Kooperation suche. Die Frage ist: sollten wir einen guten Änderungsantrag der AfD – sofern es ihn gibt - ablehnen, nur weil er von der AfD kommt? Dann wird zurecht darauf hingewie- sen, dass das Ingolstadt nicht weiter bringt. Ich bin dabei selbst in einer Zwickmühle. Das ist keine ein- fache Frage und auch situativ bedingt. Eine aktive Zusammenarbeit wird es aber sicher nicht geben, weil die AfD gegen alles steht, wofür die FDP steht. Wenn ichmir die Anträge der AfD über alle Ebenen hinweg ansehe, habe ich aber nicht unbedingt das Bedürfnis, dabei aus sachlichen Gründen zuzustim- men. INGOLSTADT STEHT IN DER STEINZEIT Der ÖPNV ist das ewige Wahlkampfthema. Ich bin der Meinung, dass Ingolstadt dabei zumTeil in der Steinzeit steht. Inbesondere in der Wahl der Transportmittel. In Ingolstadt gibt es zum Beispiel keine Ruftaxis – also ein Sammeltaxi, das mehrere Personen mitnimmt. Wir haben im ÖPNV die He- rausforderung, dass ein Bus dann sehr effizient ist, wenn er voll ist. Dann sind die Umweltvorteile und die Verkehrsvorteile groß. Wenn der Bus leer ist, ist er eine Katastrophe. Die Straßenschäden sind wesentlich höher, der Platzverbrauch ist wesentlich höher und der CO2-Ausstoß und sonstige Emissio- nen sind wesentlich höher. Wir müssen versuchen, den ÖPNV optimal auszulasten. Wir könnten natür- lich den Takt reduzieren. Schwierig. Macht das Ganze noch unattraktiver. Richtig. Wir könnten also die Transportgröße vari- ieren. Es muss nicht immer ein Tandembus sein, es kann auch ein Neun-Sitzer sein – ein Ruftaxi. Von VW gibt es dazu eine sehr interessante Initiative in Hamburg. Per App wird eine optimale Routenfüh- rung berechnet. So sind die Anfahrtswege schnel- ler und es wird weniger emitiert. Wir könnten aber auch schauen, welche innovativen Unternehmen wir in Ingolstadt schon haben. Dabei ist mir eines besonders aufgefallen – es heißt e-troFit. Alte Diesel-Busse werden dort mit E-Technik umgerüs- tet. Das ist relativ günstig – im Vergleich zu einem neuen E-Bus. Die Kosten pro gefahrenem Kilo- meter gehen sofort runter. Das ist natürlich nichts, um nach Eichstätt zu fahren, es ist innerhalb der Innenstadt sinnvoll. Es gibt aber noch andere Mög- lichkeiten: Die Zentralsteuerung über den ZOB ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen andere Rou- tenführungen und mehr Umsteigeknotenpunkte. Wir müssen den Bahnverkauf ausbauen. Ingolstadt hat den Fehler gemacht, jahrelang Gleise abzubau- en. Der Audi Bahnhalt ist ein erster Anfang. Karl Ettinger hat auf meine Initiative einen Stadtratsan- trag eingebracht: in China gibt es schienen- und führerlose S-Bahnen. Das sind im Prinzip Busse, die in einem Leitsystem fahren und aussehen und sich so verhalten wie S-Bahnen. Die Rüstkosten sind im Gegensatz zur Verlegung eines Schienensystems wesentlich geringer. Man braucht auch keine Ober- leitungen. Diese innovativen Konzepte sollte man sich anschauen. Stichwort “Kostenloser ÖPNV”. Ingolstadt braucht einen besseren ÖPNV, aber es macht keinen Sinn diesen für alle kostenlos zu ma- chen. Vermutlich macht es keinen Sinn – in Pfaffen- hofen werden wir es sehen. Für einzelne Gruppen wie Schüler ist es durchaus eine Überlegung. Die Qualität des ÖPNV ist aber wichtiger als ein noch niedrigerer Preis. Wie sieht’s mit Hobbys aus? Ich gehe gerne ins Theater und lese gerne. Teamof Rivals liegt bereit, wegen des Wahlkampfes kom- me ich aber nicht dazu, es zu lesen. Mit meiner Frau und meinen Kindern gehe ich gerne wandern. Herr Schäuble, wir bedanken uns für das Gespräch.

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