espresso Magazin im Februar
Raimund Köstler ist von Beruf IT-Architekt. Seinem Arbeitgeber Audi ist er bereits seit 1987 treu. 2008 hat er sich dazu entschieden, der ÖDP beizutreten, weil ökologische Themen in seinem Leben eine im- mer wichtigere Rolle spielten. Ende 2017 rückte er für den zurückgetretenen ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Franz Hofmaier in den Ingolstädter Stadtrat nach. Bei der Kommunalwahl 2020 tritt er als Oberbürgermeis- ter-Kandidat für die ÖDP an. Im Interview erklärt er, wieso seine Arbeit bei Audi ein Dilemma ist, warum er seit 7 Jahren ein E-Auto fährt und weshalb er sich im Ingolstädter Stadtrat ineffizient fühlt. Herr Köstler, Sie sind IT-Architekt bei Audi. Was versteht man darunter? Im Grunde unterstütze ich die Softwareentwickler bei ihrer täglichen Arbeit. Ich erstelle Richtlinien und Vorgaben und sorge da- für, dass diese ordnungsgemäß umgesetzt werden können. ImMoment verlagert sichmein Schwerpunkt in Richtung Cloud-Technologien. Wie kann man sich Ihre Arbeit konkret vorstel- len? Meine Arbeit besteht aus sehr viel interner Abstimmungsarbeit. 50 Prozent meiner Arbeitszeit sind Besprechungen mit Kollegen, um Richtlinien abzustimmen. Wir nutzen die Clouds von Amazon und Microsoft, mit denen wir Verträge haben. Der- zeitig beschäftigen wir uns damit, wie wir die Ama- zon-Cloud mit den bestehenden Rechnern bei Audi verbinden können. Wir müssen klären, was erlaubt und was technisch umsetzbar ist. Hatten Sie schon immer eine Leidenschaft für Informatik? Ich war schon immer technisch deutlich versierter als in Sprachen oder ähnlichem. 1975 bis 1980, als die ersten bezahlbaren Computer auf den Markt kamen, ging es bei uns in der Familie schon los mit dem Programmieren. Nach der Schule habe ich Informatik in Regensburg studiert. Zuerst beginnt man dann als einfacher Programmierer. Im Laufe der Zeit bekommt man die Verantwortung für größere, komplexere Systeme. Irgendwann hatte ich dann so viele Systeme bei Audi kennengelernt, dass mir ge- sagt wurde, dass ich übergreifend denken kann und deshalb IT-Architektur machen soll. Durch Ihren Job bei Audi sind Sie Teil des wirt- schaftsstärksten Unternehmens der Region. Gleichzeitig gehören Sie einer Partei an, die das aktuelle Wirtschaftssystem und das unbedingte Streben nach Wachstum anprangert. Wie bringen Sie das miteinander in Einklang? Für mich ist das ein Dilemma, das muss ich ganz klar sagen. Anfangs war ich ITler, fertig aus. Erst als ökologische Themen für mich wichtig wurden – mit der Geburt meiner Kin- der - stellte ich mir die Frage, ob das, was Audi tut, richtig und wichtig ist. Bestimmte Aspekte sind heu- te gut. Die Firma hat ja auch einen großen Wandel durchgemacht. Nachhaltigkeit ist heute auch für Audi ein großes Ziel. Ganz konträr zu meiner Meinung ist allerdings das Ziel des unbedingten Wachstums. Audi müsste das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Vordergrund stellen und nicht das Finanzielle und das mengenmäßige Wachstum. Ich werde mit diesem Dilemma noch die restlichen Jahre, in denen ich arbeite, auskommen müssen. Und ich werde auch damit auskommen, weil der Markt und die Tendenz in der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit dafür sorgt, dass die Firma sich doch sehr stark überlegt, was sie tut und was richtig ist. Haben Sie schon einmal überlegt, in ein Unter- nehmen zu wechseln, dass mehr für Nachhaltig- keit steht als Audi? Es gab eine Zeit, in der ich mich gezielt wegbeworben habe. Aber es ist einfach nicht das Passende dabei gewesen. Daher habe ich mich damit arrangiert. In Ingolstadt selber habe ich als In- formatiker keine große Auswahl. Selbst wenn ich zu einer anderen Firma wechseln würde, wäre das wahr- scheinlich ein Dienstleister, der für Audi arbeitet. Wird Ihnen dieser Widerspruch häufig vorgewor- fen? Das kommt schon öfter zur Sprache. Aber als Informatiker produziere ich nicht vorrangig die Autos und beeinflusse auch nicht die Strategie der Firma maßgeblich. Ich sehe es eher so, dass ich in der Firma auch für die Nachhaltigkeit Positives leiste. Indem ich die internen Abläufe durch den richtigen IT-Einsatz effizienter gestalte und ermögliche, dass bessere und nachhaltigere Autos gebaut werden. Sollte man Ingolstadt unabhängiger von Audi machen? Ja, die Abhängigkeit von der Automobilin- dustrie sehen wir als Problem. Die Stadt hätte schon seit langem entsprechende Förderprogramme ein- richten müssen, um diese Abhängigkeit zu reduzie- ren. Die Arbeitsplätze sind gut für Ingolstadt. Aber manmuss damit rechnen, dass Stellen abgebaut wer- den. Und die Stadt muss dann Alternativen haben. Aktuell fördert die Stadt alles, was mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zu tun hat. Aber immer mit der Intention im Hintergrund, damit auch Mo- bilitätskonzepte zu fördern. Man geht also von der Automobilindustrie ein bisschen weg, bleibt aber in dem großen Thema Mobilität gefangen. Wenn sich Mobilität ändert, ist für Ingolstadt immer ein Risiko damit verbunden. Davon muss man wegkommen. Die reine Digitalisierung/KI-Thematik hochzuspielen reicht nicht. Würden Sie als Oberbürgermeister die Digitalisierungsstrategie von Herrn Lösel weiterfahren oder in eine andere Richtung abbiegen? Digitalisierung bietet Vor- und Nachteile. Wir würden ganz klar versuchen, die Digitalisierung voranzutreiben. Aber mehr auch in Richtung der Er- forschung der Nachteile und Risiken, die mit Digita- lisierung und künstlicher Intelligenz verbunden sind. Mit der Risikoerforschung kann man auch viele Ar- beitsplätze schaffen. Ich würde die Programme nicht stoppen, sondern thematisch nur ein bisschen anders ausrichten. Aber keine Angst machen? Nein, es ist nicht der richtige Weg, diese Themen schlecht zu reden. Wie beim Thema 5G, bei dem wir mit der BGI zusammen eine Petition gestartet haben gegen den Vorstoß der Stadtspitze, Ingolstadt zum Testfeld für die 5G-Tech- nologie zu machen. 5G werden wir nicht verhindern, das kommt zwangsläufig. Der richtige Weg ist aber, zuerst herauszufinden, welche Risiken in 5G stecken und was man dagegen tun kann. Will denn über- haupt jeder Bürger sofort bestrahlt werden, bevor die Risiken klar sind? Da könnte man ein bisschen lang- samer machen und zuerst Forschungsarbeit leisten. Herr Lösel würde jetzt einwenden, dass Ingolstadt dann im internationalen Wettbewerb abgehängt wird. In gewissem Sinne hat er damit auch recht. Wenn man vorne ist, bekommt man die Fördermittel und Arbeitsplätze. Man muss aber nicht immer in der unerforschten Technologie neue Arbeitsplätze suchen. Gerade im sozialen Bereich, in der Pflege, Kita, Altenbetreuung, gibt es einen hohen Bedarf. Auch in der Kultur, zum Beispiel im Theater- umfeld gibt es sehr viele Arbeitsplätze, die man auf- bauen könnte. Das muss man gezielt fördern. Gerade steht das aber ganz unten auf der Agenda. Was stünde bei Ihnen als Oberbürgermeister ganz oben auf der Agenda? Wichtig ist das Thema Betreuung. Gerade im Kita-Bereich muss man dafür sorgen, dass die Kinder vernünftig betreut werden, mit einem richtigen Betreuungsschlüssel, damit ent- sprechend viel Personal bereitgestellt wird. Wichtig ist auch das Thema ÖPNV. Man muss die Busse nicht grundsätzlich automatisieren. Jeder Fahrer, den man sich einspart, ist ein Arbeitsloser. Da ist Digita- lisierung arbeitsplatzabbauend. Das muss man nicht 95 POLITIK
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