espresso - 07/2020
20 PEOPLE H err Wunderlich, Sie kommen ursprünglich aus Freiburg. Wie sind Sie auf das Lutz-Stipendium in Pfaffenhofen auf- merksam geworden? Ich informiere mich im “Federwelt”-Newsletter und auf literaturport. de über Literatur-Wettbewerbe und -Stipen- dien. An Pfaffenhofen hat mich unter anderem angesprochen, dass die Stadt sich ernsthaft für ökologische Nachhaltigkeit einsetzt, meiner Meinung nach eine der aktuell wichtigs- ten gesellschaftlichen Aufgaben überhaupt. Auch und gerade in Zeiten von Corona. Jeder Bewerber muss eine Textprobe einrei- chen. Welche haben Sie dafür ausgewählt? Ich habe eine Erzählung eingereicht, die von den Folgen eines Reaktorunglücks für das Leben zweier Freunde handelt. Sie verlieren jede Verwurzelung, lassen sich schicksalsergeben von Klinik zu Klinik verlegen, immer auf der Suche nach dem Vater des einen. Meine Wahl fiel auf diesen Text, weil mehrere tiefere Themen darin liegen: Umgang mit Traumata, die Weigerung erwachsen zu werden, Passivität und Unterwer- fung, Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod. Sie wohnen jetzt 3 Monate in einem Apparte- ment im Flaschlturm. Wie lebt und arbeitet es sich in diesem historischen Gebäude? Wunder- bar! Der Flaschlturm liegt am Rand der Altstadt, zentral und gleichzeitig ruhig. Das Lauteste, was man hört, sind die Gesänge der Amseln. Diese Ruhe ist mir fürs Schreiben wichtig, und tatsächlich komme ich hier mit meinem aktuellen E R I K WU N D E R L I C H Drei Monate lang hat der diesjährige LUTZ-STIPENDIAT der Stadt Pfaffenhofen den Flaschlturm ganz für sich und seine literarischen Ideen Roman sehr gut voran. Es wird ein märchenhaftes Fantasy-Buch für Jugendliche und Erwachsene, über versiegendes Wasser, über einen Löwen namens “Hüter des Flusses”, über die Reise zweier Heranwachsender entlang eines Bachbetts ihrer Herkunft entgegen, und ihrem Platz in der Welt. Als Lutz-Stipendiat schreiben Sie über einen "Zwischenfall" in Pfaffenhofen. Wie haben Sie die Stadt in Ihrer Zeit hier kennengelernt? Also einen Zwischenfall gab es noch nicht, jedenfalls keinen unangenehmen oder spektakulären. Ich habe mich hier trotz Corona vom ersten Tag an wohl gefühlt, obwohl ich leider viel weniger am kulturellen Leben der Stadt teilnehmen kann als in “normalen Zeiten”. Immerhin wird die Abschlusslesung am 26. Juli im Innenhof des Landratsamts stattfinden, das freut mich sehr! Haben Sie schon Lieblingsorte in Pfaffenho- fen? Tatsächlich halte ich mich viel und gern im Flaschlturm auf, dort finde ich am besten die Ruhe und Konzentration zum Schreiben. In den Arbeitspausen sitze ich oft im kleinen Garten, wo ich mit der Walderdbeeren-Ernte kaum hinterherkomme. Außerdem bin ich viel in der Natur um Pfaffenhofen unterwegs, an der Ilm oder amGerolsbach, in den Hü- geln der Hallertau, imWald. Ich bin auch froh, dass die Gaststätten und Cafés wieder geöffnet haben, z.B. auf demHauptplatz. Verraten Sie uns, wovon Ihr "Zwischenfall" handeln wird? Der Hopfen wird auf unterschied- liche Weise eine zentrale Rolle im Text spielen. Die tieferen Ebenen dahinter kann und will ich noch nicht verraten, auf die darf der Leser oder Fotos: Stadt Pfaffenhofen/Thomas Tomaschek DER MANN IM TURM
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