espresso - 07/2020

LEBEN 52 PERLE ANDER DONAU „Ingolstadt befindet sich touristisch leider im Dornröschenschlaf“, ist einer der ersten Sätze von Andrea Schiberna, als espresso sie zur Stadttour trifft. Warum das so ist, könne sie überhaupt nicht nachvollziehen. Ingolstadt habe doch so viel zu bieten! Andrea zog vor vielen Jahren von Niederbayern nach Ingolstadt und hat sich seitdemmit jedem Tag mehr in ihre Wahlheimat verliebt. Anfang 2017 absolvierte sie ihre Ausbildung als Gästeführerin bei der ITK (Ingolstadt Tourismus und Kongress GmbH). Seitdem teilt sie ihre Faszination für Ingolstadt mit Besuchern aus aller Welt. Wenn man mit ihr unterwegs ist, spürt man zu jeder Minute ihre Leidenschaft für die Historie der Stadt. L I E B T I H R E WA H L H E I M AT : Andrea Schiberna gibt seit 3 Jahren Stadtführungen in Ingolstadt Urlaub daheim: Auf Entdeckungstour durch Ingolstadt mit Stadtführerin Andrea Schiberna D IE DREI H ERZÖGE Die Stadtführung mit Andrea beginnt amNeuen Schloss. 1392 war ein wichtiges Jahr in der Ingol- städter Geschichte. Stefan der Kneißel wurde erster Herzog des neu entstandenen Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt. Ingolstadt kam nun als Residenz- stadt eine völlig neue Bedeutung zu. Und musste erst einmal regierungstauglich gemacht werden. Eine zentrale Rolle spielte dabei Stefans Sohn Ludwig VII. (Der Bärtige), der Ingolstadt seine wohl berühm- testen Bauwerke verschaffte: Das Neue Schloss, das Liebfrauenmünster und die Hohe Schule. Das Geld für die ambitionierten Bauprojekte stammte zu gro- ßen Teilen aus Mitgiften. Denn Ludwig der Bärtige hatte zwei Hofdamen amHof seiner Schwester in Frankreich zur Frau genommen und war dadurch zu erheblichemReichtum gekommen. „Er soll mit sechs Eseln voll Gold und anderen Kostbarkeiten aus Frankreich zurückgekehrt sein“, erzählt Andrea. V OM EIGENEN S OHN ENTFÜHRT Das Mittelalter war ein hartes Pflaster. Das bekam auch Ludwig der Bärtige zu spüren. Er hätte gerne einen vorzeigbaren Nachfolger gehabt, erzählt Andrea. Doch sein einziger ehelicher Sohn war Ludwig der Bucklige – der Name verrät es schon: zumHerzog eher ungeeignet. Ludwig der Bärtige zog seinen unehelichen (und schöneren) SohnWieland von Freyberg vor. Das konnte sich Ludwig der Bucklige natürlich nicht einfach so gefallen lassen. Er ließ kurzerhand seinen Vater entführen und in die Burg in Burghausen sperren, wo Ludwig der Bärtige den Rest seines Lebens in Gefangenschaft verbringen musste. G EFÄHRLICHE B EZIEHUNGEN Noch härter traf es die Frau von Ludwig dem Stren- gen, demErbauer des Herzogskastens. „Ludwig der Strenge trägt seinen Namen nicht ohne Grund“, erklärt Andrea. Er ließ seine FrauMaria von Brabant einen Kopf kürzer machen, nachdem er einen Brief entdeckt hatte, der – wie er glaubte – von seiner Frau an ihren heimlichen Geliebten gerichtet war. Eine Verwechslung, wie sich später herausstellte. Doch da war es zu spät: Maria hatte bereits ihren Kopf verlo- ren. Also blieb Ludwig dem Strengen nur noch die Buße, um für seine Missetat nicht imFegefeuer zu landen. Er baute ein großes Kloster bei Fürstenfeld- bruck. So machte man das damals. N E U E S S C H L O S S Ein Schloss stellt man sich heute anders vor – prunkvoller, vespielter, filigraner. Das liegt daran, dass das Neue Schloss genau zwischen der Zeit der Burgen und der Zeit der Schlösser geplant und erbaut wurde. Vorbild war wohl das Schloss in Paris, an dem Ludwigs Schwester regierte. D AS K REUZTOR Den Namen erhielt das Kreuz- tor von dem Aussätzigenhaus „ZumHeiligen Kreuz“, das sich neben dem Kreuztor außerhalb der Stadtmauer befand. Die Leprakranken durften tagsüber in die Stadt kommen, um dort Geld zu erbetteln – als Erken- B E R Ü HM T H E I T Dieses Gemälde vom Kreuztor (oben) hängt im Schloss Neuschwanstein Foto: Adobestock/oxie99

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