espresso Mai 2021
52 LEBEN oder auch für Einheimische? Ich glaube schon, dass das auch die Einheimi- schen betrifft. Es gibt dort noch einen bekannten Spruch, der das verdeutlicht: kleine Insel, große Hölle. Es wird nämlich auch viel getratscht und es gibt keine Möglichkeit, sich zu zerstreuen. Aktuell sind wir ja in einer ganz ähnlichen Situati- on. Wir haben kein Kino mehr, keine Konzerte… Pandemiekoller, statt Inselkoller. Außerdem ist es sehr teuer, die Insel zu verlassen, das können sich viele nicht oft leisten. Fast jeder fällt auf der Insel mal in ein kleines Tief. Was haben Sie gegen Ihren Inselkoller getan? Man muss etwas tun, was einem gut tut. In mei- nem Fall: Tanzen, Trainieren, Menschen treffen oder Pizza backen. Es gab keine gute Pizzeria, deswegen haben wir das mit Freunden selbst gemacht. Ich habe auch einen deutschsprachigen Stammtisch gegründet, die WhatsApp-Gruppe dazu gibt es immer noch (lacht). Idealerweise würde man genug Geld verdienen, um die Insel zweimal jährlich zu verlassen. Die Entfernung lässt einen dann wieder erkennen, wie gut man es dort hat. In Deutschland kann man sich so gut wie jedes Produkt innerhalb weniger Tage vor die Haustüre liefern lassen. Auf einer so isoliert gelegenen Insel muss man gezwungenermaßen mit sehr viel weniger auskommen. Fluch oder Segen? Beides würde ich sagen. Dadurch, dass nicht so viel angeboten wird, hat man wahrscheinlich automatisch weniger Bedürfnisse. Als ich zurück nach Deutschland kam und meine Wohnung eingerichtet habe, war ich äußerst glücklich, wie erschwinglich bei uns alles ist. Auf der Osterinsel habe ich mir ein Sofa gekauft, das wurde einen Monat später mit dem Flugzeug geliefert. Es kostete umgerechnet 500 Euro und der Trans- port nochmal 300. Wenn ich hier in Deutschland Lebensmittel einkaufe, bin ich immer noch über- rascht, wie günstig das alles ist. Oft stand ich kurz - beliebter Spruch auf der Insel TAU C H S P O T Der Besitzer eines Tauchcenters hat diesen Moai in Gedenken an seinen Vater versenken lassen. Praktischerweise wurde daraus auch gleich ein beliebtes Ziel für Taucher. davor, ein Foto vomWocheneinkauf zu machen und meinen Freund*innen auf der Insel zu schi- cken, aber dann lasse ich es, denn ich habe Angst, dass sie in Tränen ausbrechen müssen. Auf der Insel geht man in den Supermarkt und schaut, was es gibt – dann kocht man, was möglich ist. Hat sich das durch Corona verschärft? Dadurch ist es noch schlimmer. Die Osterinsel ist corona-frei und komplett auf sich alleine gestellt – fast jeder arbeitet in irgendeiner Weise im Tourismus und viele haben nun gar kein Einkommen mehr. Normalerweise kommt 2x am Tag ein Flugzeug, jetzt kommt 1x imMonat ein von den Händlern gechartertes. Die schlagen 2-4 Euro pro Kilo auf. Mittlerweile kostet ein Kilo Zwiebeln, Kartoffeln oder Tomaten 4-5 Euro. Kürzlich habe ich gelesen, dass es keinen Zucker zu kaufen gibt. Eine Freundin hat mir geschrie- ben, dass es kein Bier mehr auf der Insel gibt und Öl hat sie auch keines gefunden. Welche Rolle spielen die berühmten Steinskulpturen für die Bevölkerung heutzutage noch? Die Moai repräsentieren die Ahnen – ganz kurz zusammengefasst. Die Rapa Nui, also die Einheimischen, sind sich sowohl ihres materiel- len als auch sentimentalenWertes bewusst und schützen ihren Nationalpark. Außerdem sind die Statuen allgegenwärtig, die Kinder wachsen damit auf. Auf der Osterinsel malen sie ein Haus, einen Baum und einen Moai. Wer mehr über das Leben auf der Insel und die Moai erfahren möch- te, kann zu meinem VHS-Diavortrag an der VHS imHerbst kommen: für den 30.09.2021 habe ich KLEINE INSEL , GROSSE HÖLLE MANKOCHT, WAS MÖGLICH IST DIEMOAI REPRÄSENTIEREN DIE AHNEN. Foto: Adobe Stock / Adalbert
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