espresso Mai 2021

53 LEBEN BEACH FUN! einen Vortrag mit dem Titel „Geheimnisvolle Osterinsel“ angemeldet. Nach 10 Jahren auf der Osterinsel kehrten Sie zurück nach Deutschland. Warum? Ich habe auf der Osterinsel nicht nur gearbeitet und getanzt, sondern mich auch verliebt und habe einen 8-jährigen Sohn. Hier in Deutschland haben wir einfach eine sehr viel bessere medizini- sche Versorgung, eine sehr viel bessere Schulbil- dung, unsere Erzieher*innen und Lehrer*innen leisten eine unglaubliche Arbeit, wenn ich das mit der Osterinsel vergleiche. Auf der Insel hat z.B. jeder Kindergarten einen Fernseher und man schaut dort mindestens einmal täglich etwas an. Mussten Sie sich erst wieder an den Alltag in Deutschland gewöhnen? Klar hatten wir beide Probleme uns hier einzuge- wöhnen. Man trennt auf der Insel den Müll nicht so intensiv wie hier, das musste ich quasi erst wieder lernen (lacht). Auf der Osterinsel wird Wildsein, zumindest im Kleinkindalter, nicht negativ bewertet oder sanktioniert, eher imGe- genteil. Und wenn die Kinder auf der Insel nicht teilen wollen, kann es schon passieren, dass deren Mutter ihnen das Spielzeug oder die Süßigkeiten wegnimmt und die anderen Kinder es geschenkt bekommen – das ist dann das andere Extrem. Auch Teilen ist in Deutschland nicht so stark ver- ankert, vor allemwenn‘s ums Essen geht. Mein Sohn hat manchmal einfach den Kindern meiner Freundin ungefragt in die Pommes gegriffen – das war schon ein Kulturschock für ihn, dass das auf einmal nicht mehr geht. Wo gibt es noch Unterschiede zwischen Deutschland und der Osterinsel? Was mir persönlich beson- ders auffiel, ist das Thema Bodypositivity. Auf der Os- terinsel tanzt jeder sehr leicht bekleidet während des Tapati Festivals, egal ob jung oder alt, ob dick oder dünn, auch in der ersten Reihe. Es geht um den Tanz, nicht um den Körper. Ich kann mich an eine Tapati erin- nern, da tanzten zu einem Lied gerade die fülligsten Frauen in der ersten Reihe, das sah rich- tig gut aus. Da würde ich mir in Deutschland ein bisschen mehr Diversität wünschen. Besonders schön war der erste Winter mit Fußbodenheizung. Auf der Insel haben die Häuser wie gesagt keine Heizung. Bei nächtlichen Temperaturen von 10 Grad imWinter und der hohen Luftfeuchtigkeit fühlt es sich richtig eisig an. In der eigenenWohnung zu frieren und dadurch nachts nicht schlafen zu können, ist echt schlimm. In der VHS geben Sie einen Workshop für einen Tanz der Osterinsel – den sogenann- ten Ori Rapa Nui. Was macht diesen Tanz aus? BeimOri Rapa Nui geht es meiner Meinung nach vor allem um den Gesichtsaus- E I N L AG E R F E U E R M AC H E N& G R I L L E N gehört auf der Osterinsel zumAlltag. Am Strand trifftman sich zum Entspannen. druck – man sollte dabei lächeln, besser gesagt strahlend lächeln – das wirkt für mich wie eine Therapie. Auch wenn es anfangs gekünstelt ist, irgendwann muss man tatsächlich lächeln. Das macht glücklich. Die fließenden weichen Bewe- gungen der Arme und Hände erzählen die Lieder, der Hüftschwung ist sexy und es macht einfach Spaß. Wichtiger als eine perfekte Performance war immer das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe zu tanzen, zu lachen und Spaß zu haben, der Zusammenhalt. Bevor wir auf die Bühne gingen, hieß es immer: „Ok, lächelt und habt Spaß dabei, falls man sich vertanzt oder beimHüfttuch der Knoten aufgeht, einfach weitermachen und lächeln.“ Im Kurs wird zum Lied „i papa tu'u pei“ getanzt. Welche Geschichte erzählt dieses Lied? 'Papa tu'u pei' – ohne das „i“ am Anfang - ist ein Ort an der Nordküste. Es ist ein Liebeslied, in dem eine schöne Frau besungen wird. Wir werden das im Kurs Zeile für Zeile durchgehen, weil wir dazu auch Handbewegungen machen und dann fällt es leichter, sich das zu merken. Der Kurs ist sogar schon ausgebucht und wir haben einen Zusatztermin am 9. Mai eingestellt. Würden Sie wieder zurück auf die Osterinsel ziehen – oder in eine andere Region auf der Welt? Jetzt, wo ich mich wieder so viel mit dem Thema beschäftige, habe ich schon Fernweh. Das liegt vermutlich auch daran, dass man aktuell gar nirgends hin kann. Wieder auswandern würde ich aber erstmal nicht. Gerade mit kleinen Kindern ist es hier besser. Wenn ich irgendwann wieder komplett frei mit meinen Entscheidungen wäre, könnte ich mir schon vorstellen, wieder woanders zu leben. Ideal wäre ja, den deutschen Sommer in Deutschland und den deutschen Winter auf der Osterinsel zu verbringen – dann ist dort Sommer (lacht). Frau Arz, vielen Dank für das Gespräch. ES GEHT UMDEN TANZ, NICHT UMDEN KÖRPER. DERHÜFTSCHWUNG IST SEXY UNDMACHT SPASS Auf der Insel tanzen auch die Männer. Der Hoko ist ein Kriegstanz, der nicht nur dem Namen nach dem berühmten Haka aus Neuseeland ähnelt. Foto: Sabine Arz

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