Espresso September
18 PEOPLE Wie würdest du das Album musikalisch ein- ordnen? Es geht in Richtung Soul und R’n’B – stellenweise aber recht experimentell. Wir sind alle irgendwo Kinder des HipHops, das hört man auf jeden Fall. Du bist nicht nur musikalisch unterwegs, sondern auch politisch. Du bist Sprecher der Linksjugend Ingolstadt, hast die Black Lives Matter-Demo in Ingolstadt organisiert und dort gesprochen. Wie hast du persönlich die Zeit erlebt, in der der Tod von George Floyd weltumspannend diskutiert wurde? Insgesamt sehr positiv. Sehr viele Leute sind auf mich zugekommen und haben sich für Sachen entschuldigt, die früher passiert sind. Das Bewusstsein für die Thematik ist deutlich besser geworden. Ich habe mich mit den Gegenbewe- gungen, die sich etabliert haben, sehr schwer getan. Sei es All lives matter oder Blue lives matter , die mich auch stellenweise ganz öffentlich ange- riffen haben. Kannst du ein Beispiel nennen? Ich habe grundsätzlich den Stempel weg als ge- waltbereites Antifa-Kind. Ich bin nicht gewaltbe- reit – auf gar keinen Fall. Wir wurden stellen- weise auch als Corona-Leugner abgestempelt. Wir haben uns in der Organisation aber sehr viel Mühe gegeben, dass alle Auflagen eingehalten werden. Das haben wir meiner Meinung nach gut geschafft, wurden aber trotzdem böse angegrif- fen. Insgesamt war die BLM-Demo aber auch für Ingolstadt wahnsinnig wichtig und ist gut angekommen. Du hast angesprochen, dass sich Leute bei dir entschuldigt haben für Sachen, die früher vorgefallen sind. Also hast du auch persönlich Rassismus erlebt? Auf jeden Fall. In der Schule? Ja, aber in der Schule würde ich niemandem einen Vorwurf machen. Wir waren Kinder und Kinder sagen manchmal dumme Sachen. Mobbing in Schulen existiert. Das konnte ich wegstecken. Aber es geht dort los und hört dann bei Situationen auf, wenn ich mit meinem Hund durch den Hauptbahnhof laufe und mir hinterhergerufen wird: "Jetzt haben die Asylan- ten schon Hunde. Geh hin, wo du herkommst." Sowas muss nicht sein. Ich bin auch schon nachts gepackt worden. In Ingolstadt? Ja, auch. Medial ist das Thema schon wieder etwas abgeflacht, obwohl in letzter Zeit vermehrt Videos von mutmaßlicher Polizeigewalt in Deutschland auftauchen. Denkst du, dass sich nachhaltig etwas ändern wird? Gerade wird sich nichts ändern. Ich hoffe auf die nächste Bundestagswahl, von der ich mir neue Mehrheitsverhältnisse erwarte. Jetzt flacht es gerade ab, vielleicht ist das aber auch ein Vorteil, dass man mit neuen Mehrheitsverhältnissen das Thema neu aufgreifen und sinnvoll diskutieren kann. Da haben wir dann hoffentlich Leute wie Horst Seehofer nicht mehr vorne dran, die jegli- che politische Antirassismusarbeit blockieren. Der Innenminister erteilte einer Studie zum Thema “Racial Profiling” bei der Polizei eine Absage, weil dieses ja ohnehin verboten sei. Genau, das meine ich u.a. mit Blockieren. Nur weil es verboten ist, heißt es ja nicht, dass es nicht stattfindet. Wenn alles Verbotene nicht stattfin- den würde, bräuchten wir gar keine Polizei mehr. Für deine musikalische Karriere hast du schon konkrete Pläne. Wie soll es politisch weiter- gehen? Ich habe gerade keine großen Ambitionen in den Bundestag zu kommen. Wenn ich meine Positionen vertreten sehe, unterstütze ich gerne Menschen, die da mehr Ambitionen haben als ich. Wenn ich in die Situation komme, dass ich meine persönliche Position öffentlich vertreten muss , dann werde ich das wohl machen. Wie bewertest du die Arbeit von deinem Parteigenossen Christian Pauling im Stadtrat. Ganz gemeine Frage (lacht). Ich arbeite ja mittlerweile direkt als Mitarbeiter der Stadtratsfraktion für den Christian und die Eva (Bulling-Schröter, Anm.). Ich schreibe die Anträge mit, mache Pressearbeit und ähnliches. Ich glaube, wir machen gute Arbeit soweit. Wir haben Profilthemen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Das ist stellenweise durch Corona vielleicht ein bisschen verloren gegangen, aber ich glaube, wir setzen uns für das ein, wofür wir stehen und das kann und wird auch so weitergehen. Corona ist eine große Herausforderung. Hast du irgendwelche Lehren aus den vergangenen Monaten ziehen können? Auf jeden Fall. Zuerst musikalisch: Pablo und ich, mit dem ich das Duo Rosvita Radikal bilde, haben durch die “Quarantäne” – wir wohnen zusammen - sehr viel musikalisch herumprobie- ren können. Was es noch für Möglichkeiten gibt, die wir noch nicht ausgenutzt haben. Politisch und gesamtgesellschaftlich habe ich gemerkt, wie krass unterdigitalisiert wir sind. Da vertrete ich innerhalb der Linken vielleicht einen sehr einsamen Standpunkt, aber ich bin sehr für eine digitalisierte Gesellschaft, allein aufgrund der Möglichkeiten, die sie bietet. Während Corona hat man gemerkt, wie wenig wir dabei ausgebaut sind und wo man nachziehen muss. Ich selbst habe viel gelernt, wie man online arbeitet. Das ganze Home-Office-Konzept, das vorher in meinem Leben auch nicht so wirklich stattgefun- den hat und von dem ich mittlerweile sehr viel halte. Insgesamt ist das Arbeiten auf Vertrauens- basis etwas, von demwir als Gesellschaft lernen können, dass es funktioniert. Eine Welt ohne Musik wäre... …traurig. Ganz traurig sogar. Musik hat schon immer stattgefunden. Musik gehört zur Kultur und gerade durchWeiterentwicklung von Kultur rechtfertigt man sich ja doch irgendwo als mo- derner Staat. Für eine bessere Zukunft braucht es... Geduld. Sehr viel Geduld und Revolutionsgeist. Malik, vielen Dank für das Gespräch. Geduld &Revolutionsgeist M A L I K D I AO Gewinner des Ingolstädter Jazzförderpreises 2020
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